„Südtirol ist gut aufgestellt“
Eine Eurac-Studie zeigt die Gefahren des Klimawandels für europäische Weingebiete auf. Mitautor Simon Tscholl erklärt, warum sie in Südtirol im Vergleich geringer sind.
Tageszeitung: Herr Tscholl, wie wirkt sich der Klimawandel auf den Weinbau in Südtirol im Vergleich zu anderen Regionen aus?
Simon Tscholl: Aus der Studie können für Südtirol ein paar Schlussfolgerungen gezogen werden. Wenn man die anderen europäischen Weinbauregionen mit Südtirol vergleicht, dann ist Südtirol vergleichsweise gut aufgestellt. Ein Grund hierfür ist, dass es in Südtirol eine große Diversität an Weinsorten, an klimatischen Bedingungen und an Weinen gibt, die produziert werden. Verschiedene Sorten bevorzugen beispielsweise unterschiedliche klimatische Bedingungen. Wenn man mehrere Sorten zur Auswahl hat, gibt es dementsprechend mehr Spielraum, sich an eventuelle zukünftige Bedingungen anzupassen. Das ist der Punkt, wo Südtirol im Vergleich zu anderen Regionen sehr gut aufgestellt ist. In Südtirol werden derzeit über 20 Sorten angebaut, in vielen anderen Regionen sind das deutlich weniger. Zusätzlich gibt es in Südtirol auch eine klimatische Diversität. Es gibt verschiedene Höhenlagen und durch die Berge viele kleinräumige klimatische Verhältnisse.
Wie wirkt sich das Klima auf die Weinsorten aus? Werden neue Sorten entstehen?
Generell geht der Trend hin zu den spätreiferen Weinsorten, also Sorten, die wärmere klimatische Bedingungen bevorzugen. Hierzu gehören viele rote Sorten. Für Südtirol kann man zwei Tendenzen erkennen: Es gibt den Weinbau in kühleren Lagen, der evom Klimawandel teilweise profitieren kann. Der Weinbau verschiebt sich nämlich, dadurch dass es wärmer wird, in höhere Lagen. Es gibt aber auch die traditionellen Weinbaulagen in den tiefer gelegenen Gebieten. Dort werden sich beispielsweise die Reifebedingungen für die bestehenden Sorten verändern und dies spiegelt sich in der Qualität und den Eigenschaften vom Wein wider. Hier kann es dann in Richtung Sortenverschiebung gehen, wenn sich das Klima zu stark ändert.
Welche Möglichkeiten gibt es in Südtirol, den Weinbau klimaresilienter zu gestalten?
Es gibt viele Möglichkeiten. Zum einen gibt es kurzfristige Methoden, die man im Weinbau einsetzten kann. Dazu zählen beispielsweise Anpassungen im Erziehungssystem der Rebe oder verschiedene Kellertechniken. Diese Methoden sind oftmals aber nur bei relativ geringen Änderungen der klimatischen Bedingungen wirksam. Bei stärkeren Änderungen benötigt es langfristigere Ansätze. Eine langfristigere Methode, ist beispielsweise die Verschiebung der Anbauflächen in kühlere Anbaugebiete, z.B. Höhenlagen. Dieser Trend ist auch in Südtirol bereits erkennbar, kann aber auch zu Konflikten in der Landnutzung, dem Naturschutz und dem Landschaftsbild führen. Es kann auch eine Verschiebung der Sorten auftreten, also hin zu Sorten, die besser an die klimatischen Bedingungen angepasst sind. Welche von diesen Anpassungsmaßnahmen am geeignetsten ist, hängt von vielen Faktoren und natürlich vom Klima ab.
Was muss in Zukunft angepasst werden?
Viele der Spitzenweine Europas werden von einem strikten legalen System geschützt, die sogenannten geschützten Ursprungsbezeichnungen. In Italien sind das die DOC-Anbaugebiete. Diese Weine können nur unter strikten Vorgaben produziert werden, die vorschreiben, wie der Wein hergestellt werden muss, wo die Reben angebaut werden dürfen und wie sie kultiviert werden müssen. Ein zu strenges System kann sich im Zusammenhang mit dem Klimawandel als nachteilig erweisen. Wenn sich das Klima ändert, dann können sich, wie schon erwähnt, die Sorten verschieben und die Anbaubedingungen ändern. In diesen Fällen kann durch die legalen Vorgaben die Anpassungsfähigkeit stark eingeschränkt werden. In Südtirol ist das nicht so gravierend, wie in vielen anderen Regionen in Europa, da der Weinbau in Südtirol sehr vielfältig ist.Trotzdem werden auch in Südtirol die Auswirkungen des Klimawandels spürbar sein.
Welche Weinbauregionen sind vom Klimawandel stark betroffen?
Vor allem in Regionen, die heute schon sehr warm und trocken sind, wird sich der Klimawandel negativ auswirken. Kühlere Anbaugebiete im Norden können teilweise profitieren. Aber auch hier wird man die Auswirkungen bei den Weinsorten spüren, welche auf kühlere Bedingungen angepasst sind. Welche Gebiete im Vergleich zu anderen besonders betroffen sind, hängt schlussendlich vom Zusammenspiel zwischen Klimawandel, den gesetzlichen Rahmenbedingungen und verfügbaren Ressourcen für die Anpassung ab.
Interview: Verena Unteregger
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