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„Erinnert an Ideologie“

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Ein Tourismusrat soll das Verhältnis zwischen Einheimischen und Touristen verbessern – mit wenig Erfolg, kritisiert der Dachverband für Natur- und Umweltschutz.

von Sandra Fresenius

„Mir ist bei der Aussage, der Tourismusrat soll für eine positive Gesinnung der Einheimischen arbeiten, fast das Blut in den Adern gefroren. Das hat mich schon sehr stark an nationalsozialistische Ideologien erinnert“, beschreibt Josef Oberhofer, Vorsitzender des Dachverbandes für Natur- und Umweltschutz, seinen ersten Eindruck von der Einrichtung eines Tourismusrates und dessen Zielsetzung.

Grundsätzlich hält Oberhofer diese Implementierung zwecks Information sowie dem Setzen von  Maßnahmen zu Gunsten der Einheimischen erstmal für nichts Schlechtes und es sei auch nachvollziehbar und erstrebenswert, das Verständnis und die Kooperation zwischen Einheimischen und Touristen zu fördern, um Konflikte zu vermeiden und eine angenehme Atmosphäre zu schaffen. Letztlich käme es aber auf die Umsetzung dieser Zielsetzung an. So hält er die Zusammensetzung des Rates aus allen Stakeholdern des Tourismusbereichs, der Handelskammer und dem Gemeindenverband unter Leitung von Tourismuslandesrat Luis Walcher für sehr fragwürdig: „Hier sitzen nur Tourismusbefürworter am Tisch. Wenn wirklich an Maßnahmen gearbeitet werden soll, die zu einer Verbesserung der gegenwärtigen Situation beitragen können, dann muss dies in enger Abstimmung mit der lokalen Bevölkerung, beispielsweise in Form von Workshops und Bürgerforen erfolgen. Transparente Kommunikation sowie regelmäßige Information der Einheimischen über geplante Maßnahmen und deren Auswirkungen sind wichtig. So aber wird der Konflikt zwischen Einheimischen und Touristen nur noch verstärkt.“ Zum anderen müsste der Tourismusrat auch Personen und Organisationen umfassen, die das Thema aus einem anderen Blickwinkel betrachten, um überhaupt in eine Diskussion einzutreten.

Allerdings hätten die Touristiker bereits viel zu lange gewartet, so Oberhofer, um initiativ zu werden. Inzwischen sei der Kipp-Punkt längst überschritten und das Land befände sich in einer Situation des Overtourismus, wo die Förderung eines positiven Miteinanders und die Schaffung eines gastfreundlichen Klimas, beinahe aussichtslos erscheinen. „Der Tourismus hat Südtirol zu einem Wohlstand verholfen. Nun aber spüren wir Tag für Tag, dass dieser Wohlstand sich bei einigen Leuten in Habgier und Unzufriedenheit verwandelt und für die einheimische Bevölkerung zunehmend zu einer unerträglichen Belastung in allen Bereichen, sei es die Wohnungsnot, die Verteuerung oder der Verkehr, wird“, meint der Vorsitzende des Dachverbandes.

In der IDM und der Wirtschaft sieht Oberhofer vor allem zwei Verantwortliche für die gegenwärtige Situation. Es sei allenfalls noch möglich, das Erreichte zu „veredeln“, indem man auf Qualitätstourismus setzt. Doch die IDM würde inzwischen bereits die Nebensaisonen und die wenigen vom Tourismus noch unentdeckten Orte bewerben. „Dann aber haben wir bald im ganzen Land keinen Fleck mehr, wo man Ruhe finden kann. Das ist eine ganz gefährliche Entwicklung. Wenn das das Ziel des Tourismusrates ist, dann können wir nurmehr auswandern“, befürchtet Oberhofer. Ein noch größeres Übel sieht er hingegen in der auf stetiges Wachstum ausgerichteten Wirtschaft. Das „Zuviel“ sei bereits überall spürbar, aber diese „Nimmersatt“ müssten dennoch immer weiter investieren, bauen und erschließen, anstatt sich mit dem Erreichten zufriedenzugeben und vielmehr ein Halten des Standards anzustreben, kritisiert der Präsident des Dachverbandes.

„Das Verhältnis zwischen Einheimischen und Touristen muss wieder stimmig werden. Doch für Gastfreundlichkeit ist gar keine Zeit mehr, ebensowenig für ein Lächeln, ein Gespräch, ein Kennenlernen. Es geht nur noch um ein schnelles Abarbeiten des Gäste-Runs. Das äußern sogar ehrliche Touristiker selbst“, meint Oberhofer. Kernaufgaben des Tourismusrates müssten daher auf der einen Seite die Beschränkung von Ferienwohnungen und die Einführung von Regeln für die Kurzzeitvermietung auf der anderen Seite die Sicherung von Wohnraum für Einheimische und eine Stabilisierung der Mietpreise mit Hilfe von Regulierungen und Gesetzgebung sein. Daneben gelte es auch die Touristen über kulturelle Besonderheiten und Verhaltensregeln im Sinne des Umwelt-, Kultur- und Denkmalschutzes aufzuklären. „Man müsste eine Bremse einbauen und versuchen, das Ausmaß des Tourismus wieder in richtige Bahnen zu lenken. Leider habe ich da so meine Bedenken, ob man das noch möglich ist, weil sich die Thematik, nicht zuletzt auch mit Hilfe der sozialen Medien, verselbständigt hat. Es ist einfach zu viel geworden“, zeigt sich Oberhofer resigniert.

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