Der weibliche Blick

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Kamala Harris könnte die erste Präsidentin der USA werden. Was denken Südtirols Politikerinnen über ihre Chancen auf das höchste Amt? Und ist es höchste Zeit für eine Frau im Weißen Haus?
von Verena Unteregger
Nach dem Rückzug Joe Bidens aus dem Präsidentschaftsrennen hat er seine Vizepräsidentin Kamala Harris als Ersatzkandidatin für die US-Wahl im November vorgeschlagen. Harris hat gute Chancen, die erste Präsidentin in der Geschichte der Vereinigten Staaten zu werden. Ihr Lebenslauf ist geprägt von vielen „ersten Malen“: Sie war die erste weibliche Bezirksstaatsanwältin von San Francisco und die erste schwarze Generalstaatsanwältin von Kalifornien. Anfang 2021 übernahm sie als erste Frau und Afroamerikanerin die US-Vizepräsidentschaft. Nun könnte sie als erste Frau die amerikanische Präsidentschaft erlangen. Was denken Südtirols Politikerinnen über den Paukenschlag im Rennen um das Weiße Haus?
Brigitte Foppa (Grüne):
Wenn Harris Präsidentin wird, ist das eine Errungenschaft für Frauen und die Welt. Ich habe gemerkt, wie schnell sich die Stimmung ändern kann. Solange Biden im Rennen war, hieß es, er habe bessere Chancen als Harris. Es ist beeindruckend, wie sich die Perspektive ändert, wenn ein „alter Herr“ zurücktritt. Ich glaube, Donald Trumps Situation wird nun schwieriger. Er muss seine gesamte Kampagne umstellen. Er ist plötzlich der „alte Kandidat“. Man sollte nicht immer glauben, dass weibliche Kandidatinnen in der schwächeren Position sind. Hier sieht man, dass eine Frau die stärkere Position einnehmen kann. Leider wird das oft erst erkannt, wenn der Mann zur Seite tritt. Die Welt braucht den weiblichen Blick. First Ladies haben oft mehr Zeichen gesetzt als viele Männer, waren jedoch immer in der zweiten Reihe. Mit Kamala Harris kann eine große Veränderung stattfinden. Sie kann ein Vorbild sein und zeigen, dass Frauen an der Spitze der Politik stehen können. Es wird höchste Zeit, eine Frau als Präsidentin zu haben.
Ulli Mair (Freiheitliche):
Es ist für die Geschichte Amerikas sicher ein bedeutendes Ereignis, dass Harris Präsidentin werden könnte. Was jedoch eher gesagt werden muss, ist, dass die Spaltung der Bevölkerung weitergeht. Das ist das große Problem. Sie ist links und Donald Trump polarisiert auf der anderen Seite. Hier geht es weniger ums richtige Geschlecht, sondern um die richtige Antwort auf diese Spaltung. Kamala Harris ist keine moderate Demokratin. Unter Präsident Biden war sie die Hardlinerin der Demokraten. Letzten Endes entscheiden in den USA das Geld und die Sponsoren, wer gewinnt. Ich wünsche es mir nicht, ganz ehrlich. Das Geschlecht ist für mich nicht entscheidend. Meloni zeigt, wie Frauen Politik machen können. Sie ist eine starke Frau und geht ihren Weg. Die Feministinnen erwähnen Meloni trotzdem nie und stehen nicht hinter ihrer Politik, obwohl sie eine Frau ist. Mich interessiert das Geschlecht weniger, sondern die Art und Weise, wie Politik gemacht wird.
Waltraud Deeg (SVP):
Ich finde es sehr positiv, dass Harris die Chance hat, erste Präsidentin der USA zu werden. Schade ist, dass sie keinen anderen Einstieg als Kandidatin hatte. Sie befindet sich in einer schwierigen Situation. Sie steigt zu einem schweren Zeitpunkt im Präsidentschaftsrennen ein und hat wenig Zeit. In einem Monat ist die Nominierung, und die Fristen sind sehr kurz. Ihr rennt die Zeit davon. Sie muss das Rennen gut machen und den Rückstand der Demokraten aufholen. Ich glaube, sie ist eine sehr kompetente Frau. Auch vor ihrer politischen Karriere hatte sie eine Position als Staatsanwältin und hat als Vizepräsidentin auch die notwendige Erfahrung gesammelt. Es ist höchste Zeit, dass eine Frau die Präsidentschaft bekleidet. Die Welt ist im Moment in einer schwierigen Situation, es gibt viele Aufgaben und Krisen zu bewältigen. Frauen haben hier einen anderen Zugang. Natürlich braucht man Professionalität und Erfahrung. Frauen leisten in allen Gesellschaftsbereichen Großartiges, und ich denke, eine Frau kann solch eine Führungsposition gut ausfüllen.
Anna Scarafoni (FdI):
Ich war nicht überrascht. Ich habe nicht betont, dass sie eine Frau ist. Es ist inzwischen normal, Frauen in Führungspositionen zu sehen. Als ich hörte, dass Bidens Stellvertreterin ins Rennen ums Weiße Haus einsteigt, dachte ich an alles andere, nur nicht daran, dass sie eine Frau ist. Es sollte normal sein, dass Frauen an der Spitze der Politik stehen. Wenn sie Bildung, Kompetenz und Erfahrung haben, ist es selbstverständlich, dass sie Machtpositionen einnehmen.
Maria Rieder (Team K):
Ich glaube, es ist ein gutes Zeichen, dass Harris kandidiert. Es ist schade, dass Joe Biden so lange am Amt festgehalten hat. Sie hätte eine bessere Ausgangsposition haben können. Die Herausforderung ist groß, aber auch die Freude, dass sie es schaffen kann. Sie hatte nicht viele Möglichkeiten, sich gut zu positionieren, und man tut ihr ein bisschen Unrecht. Ich glaube, Harris bringt eine andere Sichtweise und Arbeitsweise mit. Sie traut sich, Tabuthemen anzugehen. Es wird Zeit, dass Frauen in den USA Spitzenpositionen der Politik übernehmen. Es wäre nicht schlecht, die ganzen ‚alten Männer‘ einfach mal in Pension zu schicken.
Kommentare (29)
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