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Der Betriebsunfall


„Sorella“ Anna Scarafoni hat „versehentlich“ einem Gesetz der Opposition zugestimmt. Wie die SVP versucht hat, den Fehler zu kaschieren – und die Situation dadurch noch verschlimmert hat.

von Matthias Kofler

Im 4. Gesetzgebungsausschuss des Landtags spielt sich eine Posse ab, die ein schlechtes Licht auf die Arbeitsweise der Regierungsmehrheit im Land wirft: In Südtirol war es bislang üblich, dass die SVP die Gesetzentwürfe der Opposition schon im Keim erstickt, da sie diese für unnötig hält und meint, bereits an den relevanten Problemfeldern zu arbeiten. Nun hat die größte Regierungspartei jedoch zu einem Mittel gegriffen, das – so die Hoffnung der Minderheit – nicht Schule machen darf, da sonst jegliche konstruktive parlamentarische Arbeit der Abgeordneten obsolet würde.

Auslöser des denkwürdigen Spektakels war ein Gesetz über den Zugang zu psychologischen Betreuungs- und Beratungsdiensten des Team-K-Arztes Franz Ploner, der darauf abzielte, auch bei starken Schwankungen in der Patientenzahl einen zeitnahen und flächendeckenden Dienst im Land zu gewährleisten. Die Folgen der Corona-Pandemie zeigten, wie wichtig es sei, auch akkreditierte Gemeinschaftspraxen sowie freiberuflich tätige PsychologInnen mit der Beratung zu betrauen, argumentierte Ploner. Schließlich habe die Nachbarprovinz Trient bereits vor acht Jahren ein entsprechendes Landesgesetz verabschiedet.

Eine Zielsetzung, die auch FdI-Fraktionschefin Anna Scarafoni teilte. Deshalb stimmte sie – ohne vorhergehende Absprache mit ihren beiden SVP-Kollegen Waltraud Deeg und Franz Locher – im Gesetzgebungsausschuss für den Übergang zur Artikeldebatte, wodurch dieser, was selten vorkommt, eine Mehrheit fand.

Die SVP war über das Verhalten der Koalitionspartnerin überhaupt nicht erfreut: In einem Vier-Augen-Gespräch erwirkte Waltraud Deeg, dass Anna Scarafoni ihre Haltung zum Gesetz überdachte. Um den „Betriebsunfall“ zu kaschieren, stimmte die Mehrheit nur für den ersten Artikel, der die allgemeinen Ziele beinhaltet, und lehnte die weiteren vier ab. Der Ausschuss sehe und teile die Wichtigkeit einer Erleichterung des Zugangs zu diesen Diensten, es gebe jedoch, wie auch die zuständigen Beamten der jeweiligen Landesämter mitteilten, bereits Initiativen für die technische Umsetzung, begründete Ausschussvorsitzende Deeg dieses bislang einmalige Vorgehen.

„Damit“, so konstatiert Einbringer Ploner, „hat der Gesetzgebungsausschuss das Gesetz nicht nur versenkt, weil es jegliche Funktionalität verliert, und damit ein Kapitel zur Tabuisierung der querbeet durch die Südtiroler Gesellschaft gehenden Problematik weitergeschrieben, sondern vor allem jenen leidgeprüften Menschen einen Schlag ins Gesicht versetzt, die dringend Hilfe bräuchten“. Grünen-Politiker Zeno Oberkofler wirft Anna Scarafoni „fehlende Kohärenz“ vor und kritisiert die handwerklich mangelhafte Arbeitsweise der Mehrheit. Statt konstruktiv mitzuarbeiten und Verbesserungsvorschläge vorzubringen, habe man das Gesetz entstellt, da es in dieser Form, allein mit der Zielsetzung, aber ohne konkrete Maßnahmen, keinen Sinn mehr mache. Abgeordnete der Mehrheit hätten sich beispielsweise auch enthalten oder den Sitzungssaal verlassen und dann im Plenum Abänderungsanträge vorbringen können. Die einzige Möglichkeit Ploners, sein Ein-Artikel-Gesetz noch zu retten, besteht darin, in der Plenarsitzung den Artikel durch einen neuen Artikel, der in Unterartikel unterteilt ist, zu ersetzen, was jedoch die Mithilfe der Mehrheit erfordert.
Franz Locher schlägt seinem Namensvetter Ploner vor, gemeinsam mit dem Sanitätsbetrieb einen Artikel fürs Omnibusgesetz vorzulegen, um die Materie, die von Mehrheit sehr ernstgenommen werde, gezielt zu regeln.

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