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„Fahrlässiger“ Absturz

Im Strafverfahren zum Seilbahn-Unglück am Mottarone läuft alles auf eine Einstellung des Verfahrens für alle Verantwortlichen der Firma Leitner hinaus – und auf milde Haftstrafen für die drei Hauptangeklagten.

von Thomas Vikoler

Anstatt der Entscheidung über die Anträge der Staatsanwaltschaft auf Einleitung eines Hauptverfahrens gab es eine Entscheidung, die etwas von einer Nachprüfung in der Schule hat. Rosa Maria Fornelli, Voruntersuchungsrichterin am Landesgericht Verbania, verkündete gestern am frühen Nachmittag, wie es weitergeht im Strafverfahren zum Seilbahn-Absturz am Mottarone am 23. Mai 2021 mit 14 Toten.

Anstatt in einen Prozess vor dem Landesgericht, gehen die Anklageakten zurück an die Staatsanwaltschaft. Diese wird in Fornellis Verfügung aufgefordert, wesentliche Änderungen an der Anklageschrift vorzunehmen. Änderungen im Sinne der Verteidiger der insgesamt acht Angeklagten und zwei Firmen (darunter die Leitner AG aus Sterzing) im Sinne der Vertragshaftung.

Diese hatten in der vorangegangenen Verhandlung darauf gepocht, dass die Gesetze für die Arbeitssicherheit als erschwerender Umstand in diesem Verfahren überhaupt keine Relevanz hätten. Dies ist vor allem für die prozessuale Position von Leitner als Unternehmen wichtig.

Von noch größerem Gewicht ist die Einschätzung der Voruntersuchungsrichterin, dass die Vorhaltung der Staatsanwaltschaft des (vorsätzlichen) Anschlags auf die Sicherheit des Transportwesens rechtlich unzutreffend ist. Auf dieses Delikt steht eine Höchststrafe von zehn Jahren, wenn es zu einer Katastrophe kommt (was im Falle des Seilbahn-Unglücks zweifellos zutreffend ist). Die Staatsanwaltschaft hatte ihre Vorhaltung insbesondere mit dem nachgewiesenen Entfernen der Bremse an der später abgestürzten Kabine begründet. Die Betriebsleitung habe dadurch eine Einstellung des Seilbahnbetriebs und somit Mindereinnahmen verhindern wollen.

Dennoch kommt Richterin Fornelli nun zum Schluss, dass allenfalls ein fahrlässiges Verhalten der Verantwortlichen vorliegt. Also Nachlässigkeit, Unfähigkeit oder Unvorsichtigkeit.

Ändert die Staatsanwaltschaft bis zur nächsten Vorverhandlung am 12. September die Anklage im Sinne der Richterin ab (wozu sie nicht verpflichtet ist), würde der Horror-Absturz vom Mottarone strafrechtlich zu einem Zwergen schrumpfen. Die Anklage müsste demnach auf erschwerte fahrlässige Tötung lauten.

„Für uns ist die Entscheidung der Richterin ein Sieg auf der ganzen Linie“, sagt Andrea Gnecchi, Anwalt aus Bozen und im Verteidigungs-Team von Leitner vertreten. Das Unternehmen hatte bereits einen zweitstelligen Millionen-Betrag an die Angehörigen der Todesopfer bezahlt, für Firmenchef Anton Seeber beantragte selbst die Staatsanwaltschaft die Einstellung des Verfahrens.

Diese Aussicht haben nun auch die beiden anderen Beschuldigten von Leitner, nämlich Vorstandsmitglied Martin Leitner und Peter Rabanser, der Zuständige für die Kundenbetreuung. Das Sterzinger Unternehmen hatte einen Wartungsvertrag für die Mottarone-Seilbahn am Lago Maggiore.

Und auch die drei Hauptangeklagten – Luigi Nerini, Eigentümer der Betreibergesellschaft, Fahrdienstleiter Gabriele Tadini und Betriebsleiter Enrico Perocchio, der auch für Leitner tätig war – können bei einer entschärften Anklage mit milden Strafen rechnen.

Entscheiden sie sich für einen Antrag auf Strafzumessung (gerichtlicher Vergleich), könnten für sie auch Haftstrafen unter der Bewährungsgrenze von zwei Jahren herausschauen.

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Kommentare (4)

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  • andreas

    Unabhängig von den Gerichten, würde ich mal behaupten, dass alle Angeklagten sich ihrer Schuld bewusst sind.

  • saustall_kritiker

    Und jetzt die Probleme bei der Rittner Bahn, wo auf Anordnung des Landes auch mit dem Material gespart wurde! Wenn es nur nicht dort auch irgendwann zu einer Katastrophe kommt! Ein Seil, wie man hört, ist jetzt schon defekt, die Bahn fährt trotzdem! Die Fahrgäste erschrecken über das Wackeln der Gondeln besonders an einem Masten, weil dessen Material zu schwach ist. Glück für Alfreider nur, dass die Journalisten da nicht aufwachen und bequemerweise sich eher nur den Verlautbarungen des Landespresseamtes widmen. Und nicht mal aufmerksam werden, wenn die Bahn bei Gewittern immer öfter stundenlang stillgelegt ist….

  • opa1950

    Glaubt hier wirklich jemand daß sich Alfreider über die Probleme der Rittner Bahn Sorgen macht ?

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