De La Granges Assistentin
Die Wahl-Toblacherin, Dirigentin und Multi-Fachfrau Sybille Werner ist eine feste Größe im Gustav-Mahler-Musik-Betrieb.
von Florian Kronbichler
Die junge Deutsche kam aus Amerika. Dort hatte sie schon eine passable Dirigenten-Vita hingelegt (die Aufzählung aller Auftritte ist die übliche, offenbar nicht auszumerzende Überfrachtung eines jeden Programmheftes). Auf einer Konzertreise im Tross des berühmten Carlos Kleiber streifte die gebürtige Fränkin ein erstes Mal Toblach.
Das war vor 25 Jahren. Im Jahr 2000 dann das Schlüsselerlebnis: Sybille Werner trifft in New York auf den Gustav-Mahler-Biografen Henry Louis de La Grange. Der adelige Franzose hatte praktisch sein ganzes Leben (und Geld, über das er ziemlich unbegrenzt verfügte) dem Studium von Leben und Werk des großen Wiener Dirigenten und Komponisten der vergangenen Jahrhundertwende gewidmet.
Vier dicke Bände umfasst seine Mahler-Biografie. Er hat daran gearbeitet bis zu seinem Tod mit 93.
Das letzte Jahrzehnt lang und mit jedem Jahr mehr hat ihn Sybille Werner dabei unterstützt. Der als Historiker ausgebildete Franzose hatte in der eher musikologisch sattelfesten Deutschen eine glückliche Ergänzung gefunden.
Was die beiden miteinander verband, war Gustav Mahler, und Toblach wurde zum gemeinsamen Tatort.
Hier verbrachte Mahler von 1908 bis 1910 seine Sommerfrische, und hier entstanden seine letzten großen symphonischen Werke. Zu seinem Gedenken gründeten 1981 eine Handvoll junger Toblacher die Gustav-Mahler-Musikwochen. Sie finden jedes Jahr im Hochsommer statt, heuer zum 44. Male. Ihre Aufführungen und musikwissenschaftlichen Symposien bilden ein Kulturereignis von internationaler Strahlkraft.
Von Anfang an als fördernder Mentor und scharfer Kritiker mit dabei: Henry Louis de La Grange.
Von seiner „Sekretärin“, wie er Frau Werner immer hieß, sagte er stets: „she is my life“. 2015 musste der 91Jährige mit einem Oberschenkelhalsbruch ins Brunecker Krankenhaus eingeliefert werden. 2017 starb der Meister.
Da war Sybille Werner bereits Toblacherin.
Eine feste Größe im Gustav-Mahler-Musik-Betrieb selbstredend auch. Es gab dafür eine Art Vermächtnis des Mahler-Geistes De La Grange. Frau Werner solle „weitermachen“ an dem Lebenswerk, das zwar schon vier dicke-dicke Bände stark war, von seinem Autor aber selbstredend für unvollendet gehalten wurde.
Das „Werk“ in seiner Originalfassung liegt seit kurzem im Kulturzentrum Grandhotel Toblach verwahrt. Hier ist eine Gustav-Mahler-Bibliothek im Entstehen. Das Herzstück darin bildet De La Granges bibliografischer Nachlass. Dieser kam erst kürzlich aus Marrakesch angeliefert. In dem milden marokkanischen Nobelort beliebte Monsieur seine Winter zu verbringen.
Heute sagt Sybille Werner, „ich habe keinen Tag bereut, dass ich von New York nach Toblach hergezogen bin“.
Seit bald einem Vierteljahrhundert lebt sie hier. Das hat aber nicht mit Gustav Mahler allein zu tun. Inzwischen ist Frau Werner verheiratet mit Hansjörg Viertler, einem Mitgründer und die Jahrzehnte herauf zusammen mit dem künstlerischen Leiter Josef Lanz mehr als nur der Geschäftsführer des Toblacher Mahler-Unternehmens. Viertler ist Seele und Häuslrackerer des Kulturzentrums Grand Hotel und von dessen diversen Initiativen.
In allem geht ihm seine Frau Sybille an die Hand. Für die Mahler-Wochen erledigt sie die Pressearbeit, schreibt Texte und hilft beim Aufbau der Bibliothek. Demnächst wird das historische Wärterhäuschen des Hotels zu einem Mahler-Studienort hergerichtet. Toblach wird damit ein zweites Mahlerhäusl haben, nach dem bekannten „Komponierhäusl“ am Trenkerhof, wo Gustav Mahler sein „Lied von der Erde“ komponierte und das Landeshauptmann a.D. Durnwalder bei einer Festrede zweimal mit dem Versprecher „Kompostierhäusl“ beehrte.
Herzensanliegen der Wahltoblacherin Sybille Werner bleibt aber – neben der Pflege ihrer heute 98jährigen Mutter – die Musik, die des Spiritus loci voran.
Dafür steht ihr mit dem Gustav-Mahler-Saal im Grand Hotel ein architektonisch reizvoller und akustisch hervorragender Konzertsaal zur Verfügung. Sie hat darin schon die 4. Symphonie, eine von Mahlers anspruchsvollsten Werken, dirigiert. Ihr Orchester freilich muss sich die Dirigentin von Mal zu Mal selber zusammensuchen. So ist es auch diesmal.
Am vergangenen Mittwoch spielte das „Mahler Orchestra Toblach“ Stücke von Dvorak, Max Bruch und Mahler selbst. Es dirigierte: Sybille Werner.
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Kommentare (1)
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2xnachgedacht
die junge deutsche kam aus amerika… und keinen juckts… was stimmt da nicht?