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Die Zeugnisse


Seit einem halben Jahr ist die Fünf-Parteien-Koalition in Südtirol im Amt. Wie die Opposition die Performance der Landesräte bewertet.

von Matthias Kofler

Wenn Dieter Steger über die bisherigen Leistungen der Südtiroler Landesregierung spricht, gerät er ins Schwärmen: „Ich sehe ein motiviertes Team von Männern und Frauen, die sich nicht in ideologischen Diskussionen verlieren, sondern die Themen anpacken, die die Menschen bewegen, und Sachpolitik betreiben“, sagte der SVP-Obmann nach der Sitzung des Koalitionsausschusses am Montag.

Die rechte Fünf-Parteien-Koalition feiert ihr sechsmonatiges Bestehen und stellt sich selbst ein positives Zeugnis aus. Zwei Drittel der Themen aus dem Regierungsprogramm seien bereits angegangen, zehn Prozent davon sogar umgesetzt worden, zeigten sich Arno Kompatscher und Co. selbstzufrieden.

Eines steht fest: Während einige Landesräte mit großem Engagement glänzen, bleiben andere eher im Hintergrund. Besonders potenzielle Nachfolger von Kompatscher, wie Peter Brunner, Luis Walcher und Rosmarie Pamer, haben in ihrem ersten halben Jahr versucht, sich in ihre Themengebiete einzuarbeiten, ohne dabei allzu stark anzuecken. Dies ist manchen besser, anderen weniger gut gelungen.

Wie bewertet die Opposition die ersten sechs Monate der Landesregierung? Teilt sie die positive Selbsteinschätzung der Regierung oder sieht sie noch erheblichen Verbesserungsbedarf? In der Tageszeitung stellt die politische Minderheit dem Kompatscher-Kabinett ihr persönliches Zeugnis aus.

Bernhard Zimmerhofer

Bernhard Zimmerhofer
(Süd-Tiroler Freiheit)

Die Regierung muss natürlich ihre Arbeit schönreden. Tatsache ist jedoch, dass es vier Monate dauerte, um sie zu bilden. In dieser Zeit passierte gar nichts. Nun sitzt man mit Giorgia Meloni in der Regierung, von der Arno Kompatscher vor zwei Jahren noch sagte, dass sie ein Schaden für Südtirol und Italien wäre. Der Beginn der Regierungsarbeit war äußerst holprig: Man erinnere sich an die Geschichte mit der Wahl des Landtagspräsidenten, den Verzicht von Waltraud Deeg und das Abhauen von Andreas Leiter Reber. Nach einem Jahr wurden gerade einmal zehn Prozent des Programms umgesetzt. Hochgerechnet auf fünf Jahre ergibt das 50 Prozent, was keine beeindruckende Bilanz wäre. Im Bereich Sicherheit haben wir nun einen Quästor, der seinen rechtlichen Rahmen voll ausschöpft – doch damit hat die Landesregierung wenig zu tun. Im Dritten Sektor herrscht nach wie vor Unklarheit, ebenso bei den Themen Wolf und Bär. Die Covid-Untersuchungskommission lässt auf sich warten, der Regionalrat wurde entgegen dem Willen des Südtirol-Konvents weiter aufgewertet. Wir hören viele schöne Worte, sehen aber wenig Taten. Die Regierung hat keine Vision für Zukunftsthemen. Am besten gefallen hat mir bisher Peter Brunner: Er ist stets fleißig im Landtag und kümmert sich um seine Bereiche. Auch Hubert Messner und Ulli Mair sind immer präsent. Das kann man von den italienischen Landesräten nicht behaupten, die sich lieber draußen im Gang beim Speckessen aufhalten. Am meisten enttäuscht bin ich von Kompatscher, der immer den Saal verlässt, wenn die Opposition das Wort ergreift.

Meine Note: 5

Brigitte Foppa

Brigitte Foppa
(Grüne)

Was soll ich sagen? Im Landtag ist das Niveau so tief gesunken wie noch nie. Der Sinn der Institutionen wird nicht erkannt, der Landtag regelrecht degradiert. Man denke nur an die Episode mit dem Buschenschank. Wir sahen bisher nur zusammengewürfelte Verbesserungsgesetze, die die Fehler der Vergangenheit minderten oder sogar verschlechterten. Stichwort Hundekot. Es gab bisher keine richtungsweisenden Gesetze oder Reformprozesse, alles reduziert sich auf den – immer isolierteren – Landeshauptmann und sein Autonomieprojekt. Der Start war chaotisch, unkoordiniert und zerfahren. Führung fehlt auf allen Ebenen. Der Landeshauptmann ist daher sicherlich der am meisten zu Kritisierende. Ulli Mair bewegt sich gut – inhaltlich bin ich meist anderer Meinung, aber sie ist korrekt, fair und sachlich, ebenso wie Hubert Messner, der jedoch auch wie jemand wirkt, der ahnt, dass er scheitern wird. Zur „frangia destra“? No comment – da hat sich die SVP schon oft über die Lega geschämt, jetzt wissen sie oft nicht, wie sie dreinschauen sollen.

Meine Note: 5

Thomas Widmann

Thomas Widmann
(Für Südtirol)

In der Arbeit dieser Landesregierung fehlt ein roter Faden, eine klare Vision und ein Gesamtplan für die Zukunft Südtirols in den nächsten zehn Jahren. Vom Landeshauptmann hören wir seit elf Jahren nur Ankündigungen, aber sehen keine Taten. Er verspricht uns eine Autobahn, die immer noch nicht realisiert wurde. Ebenso verhält es sich mit der Autonomie, die uns innerhalb von sechs Monaten versprochen wurde, aber immer noch auf sich warten lässt. Die Regierung stellt sich selbst eine positive Bilanz aus, ohne konkret zu benennen, was tatsächlich erreicht wurde. Daher sehe ich hier nichts Positives. Ich habe nie geglaubt, dass dieser Landeshauptmann etwas umsetzen wird, und daran hat sich nichts geändert. Er beschränkt sich auf die Routine der Tagespolitik und trifft nur Beschlüsse, die jede Mehrheit treffen würde. Man hält am Hundekot-Gesetz fest, obwohl im stillen Kämmerlein jeder sagt, dass es nichts bringt. Ein Hoffnungsträger für mich ist Peter Brunner, von dem ich glaube, dass er zumindest einige der vielen Schäden in der Urbanistik beheben kann. Eine Schulnote kann ich der Regierung nicht vergeben, da es nichts Bewertbares gibt. Das ist, als würde ich eine Schularbeit abgeben, ohne dass jemand weiß, was darin steht.

Meine Note: Nicht bewertbar

Maria Rieder

Maria Elisabeth Rieder
(Team K)

Insgesamt ist die Landesregierung eher enttäuschend, insbesondere der Landeshauptmann ist völlig abgetaucht. Im Landtag zeigt sich die Unerfahrenheit vieler Landesrätinnen und Landesräte. Eine wirkliche Diskussion findet nicht statt, Stellungnahmen und Antworten werden meist von Zetteln abgelesen und auf inhaltliche Diskussionen wird kaum eingegangen. Einzig Landesrätin Mair bemüht sich um einen konstruktiven Austausch und gibt klare Antworten, man merkt, dass sie viel politische Erfahrung hat. Ob es ihr gelingt, Akzente zu setzen, vor allem im Bereich Wohnbau, bleibt abzuwarten. Am Schlimmsten sind jene Landesräte, die noch nichts geleistet haben, aber mit großer Arroganz agieren. Für den Herbst wurde viel angekündigt, wie z.B. ein Omnibusgesetz zur Wohnbauförderung und umfassende Anpassungen der EEVE. Eine Schulnote kann ich nicht geben, da messbare Ergebnisse fehlen. Der LH hat auch nicht genau gesagt, was bereits umgesetzt wurde. Entscheidend ist, dass auch die Bevölkerung noch keine Verbesserungen bemerkt hat. Die Wartezeiten im Gesundheitswesen werden länger statt kürzer, das Wohnen bleibt für viele unerschwinglich und die Gehälter im öffentlichen Dienst wurden noch nicht angepasst. Stattdessen versucht man, gut funktionierende öffentliche Dienste wie den Straßendienst ohne Rücksprache mit den Mitarbeitern und den Gewerkschaften auszulagern.

Meine Note: Nicht bewertbar

Andreas Leiter Reber

Andreas Leiter Reber
(Freie Fraktion)

Mir ist keine Landesregierung bekannt, die sich selbst ein negatives Zeugnis ausstellt. Würde sie dies tun, müsste sie den Job anderen überlassen. Daher verwundert es nicht, dass sich diese Regierungskoalition auf die Schultern klopft und mit sich selbst zufrieden ist. Viel wichtiger ist die Frage, ob die Bürgerinnen und Bürger mit der Leistung der Landesregierung zufrieden sind. Wenn Kompatscher und seine elfköpfige Regierung das Wohnen spürbar leistbarer gemacht, die Lebenshaltungskosten gesenkt, die Löhne erhöht und die aktuellen Probleme im Gesundheitswesen oder bei der Abwanderung der qualifizierten Jugend messbar verbessert haben, werden auch viele Südtiroler zufrieden sein. Kompatscher selbst hatte dafür ja nicht nur sechs Monate, sondern bereits zehneinhalb Jahre Zeit. Die SVP als Regierungspartei sogar über 70 Jahre. Diese Selbstzufriedenheit ärgert verständlicherweise viele, da Südtirol peinlicherweise bei recht banalen Herausforderungen wie einem verlässlichen Transport von Kindern mit Beeinträchtigungen, einer vernünftigen Unterstützung von Mindestrentnern oder einer funktionierenden Gesundheitsversorgung dem mitteleuropäischen Standard hinterherhinkt – von der Digitalisierung ganz zu schweigen. Hier erwarten die Betroffenen unverzüglich konkrete Lösungen. Auch in Sachen Demokratie haben viele gehofft, dass die Beteiligung von fünf Fraktionen und des ersten deutschen Koalitionspartners an der Regierung das sogenannte „System Volkspartei“ aufbrechen würde und in Südtirol endlich ein zeitgemäßer und aufgeschlossener Politikstil in Sachen Mitsprache, Parlamentarismus, Transparenz und Bürgerbeteiligung einkehren würde. Bedauerlicherweise ist davon nichts zu erkennen. Zur Frage nach den Noten: Ich vergebe Landesräten keine Noten, weil das nichts bringt. Wenn Sie mich aber fragen, wer bisher positiv aufgefallen ist, so ist das Landesrat Peter Brunner. Während die anderen Landesrätinnen und Landesräte oft versuchen, ihre völlig durchschnittliche Arbeit und jede noch so kleine Verwaltungsmaßnahme als großen politischen Wurf zu verkaufen, scheint er unaufgeregt und ergebnisorientiert an seinen Aufgaben zu arbeiten.

Meine Note: Bringt nichts

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Kommentare (11)

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  • pingoballino1955

    Wie bekannt: Selbstlob der Regierung Südtirols stinkt! Kompatscher sitzt seine letzte Legislatur aus!

    • opa1950

      Kompatscher ist Südtirol ja sowas von egal.Dieser Herr möchte nur noch weitere 5JAHRE den Sessel wärmen und abkassieren. Denn seine Leistungen und nicht nur seine Leistungen sondern die Leistungen der ganzen Landesregierung sind momentan auf den tiefsten Punkt angelangt.Nur noch zum schämen.

  • unglaublich

    Ankündigungspolitik, einseitig, Gesellschafts-spaltend. Übrig bleiben arme Arbeitnehmer in einerm Hochpreisland, das touristisch überlaufen ist. Die Altersarmut ist schon jetzt nicht mehr abzuwenden.

  • criticus

    Bin von dieser Landesregierung sowie Landeshauptmann enttäuscht, sie arbeitet von einen Tag auf den anderen und ist erpressbar. Es gibt fast keine Pläne im Voraus. Warum Frau Pamer führt man nicht bei Wohnungsverkäufe an Ausländern die Ansässigkeitsklausel ein? Gefällt wohl den Maklern nicht? Warum sind immer noch so viele WOBI-Wohnungen leer? Zu lange Wartezeiten in der Sanität für wichtige Vorsorgeuntersuchungen, 7 Monate bis fast ein Jahr! Zudem kommt noch hinzu, dass der Kampf innerhalb der SVP bezüglich der Skandale immer noch weitergeht und diese Landesregierung eine knappe Mehrheit hat. Jede Abstimmung im Landtag ist somit eine Zitterpartie. Das Lächerlichste ist wohl, dass man sich z.B. aber Zeit für unnütze Gesetze wie das „Hunde-DNA-Gesetz“ nimmt und daran festhält. Über die überzogenen Lohnerhöhungen einiger höheren Landes- und Gemeindebeamter und Sonderposten die man einführt, gar nicht zu sprechen. Die Großen kassieren weiterhin und der Kleine wird hingehalten! Und so etwas soll bewertbar sein?

    • pingoballino1955

      Kompatscher sagt immer,wenn er in die Enge getrieben wird: wir hatten,werden,wir sollten,wir müssen oder er geht in die Landhausbar,oder er kündigt etwas an,was er nie halten kann! Die Wohnbaupolitik in Südtirol ist eine Katastrophe ,er hat die Baulobby bis jetzt perfekt bedient,jetzt muss er vorsichtig sein,denn man könnte ihm ja was nachweisen,logisch gesetzlich legitim!!???

  • gulli

    Interessant ist, dass ALLE von der Arbeit von LH Kompatscher enttäuscht sind.

  • sepp

    Do LB blabla und nix dahinter von seinen versprechungen überhaupt nix erreicht aber gscheide reden gscheider sie treten zurück dann ist allen geholfen macht nix mehr als abkassieren

  • nemesis

    Vor 30/40 Jahren wäre es wohl undenkbar gewesenen das eine extreme Rechts Partei zusammen mit ein Links Partei zusammen Arbeitet ?.
    Ist das normal, ich wundere mich nicht das 50% der Bevölkerung nicht mehr zu den Wahlen gehen.
    Und leider gibt es immer weniger Parteien oder gar keine mehr die noch für die Arbeiter und Angestellten sich einsetzen und was unternehmen.

  • stanislaus

    Kompatscher der Vater der Zweiklassen-Gesellschaft und Zweiklassen-Medizin.

  • jaison

    alle die hier stehen und bewerten… SETZEN 4- !!!

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