Du befindest dich hier: Home » News » „Nur als letztes Mittel“

„Nur als letztes Mittel“

Foto: 123RF.com

Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg hat entschieden, dass der Wolf in Österreich weiterhin nicht gejagt werden kann. Was das Urteil bedeutet.

von Artur Oberhofer

Der Geist des Urteils in der Rechtssache C-601/22 – Wiener Tierschutzverein und andere Umweltorganisationen gegen die Tiroler Landesregierung – ist klar: Der Wolf darf in Österreich weiterhin nicht gejagt werden. „Eine Ausnahme von diesem Verbot zur Vermeidung wirtschaftlicher Schäden kann nur dann gewährt werden, wenn sich die Wolfspopulation in einem günstigen Erhaltungszustand befindet, was in Österreich nicht der Fall ist“, so heißt es in der Aussendung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH).

Tierschutzorganisationen hatten Beschwerde eingelegt, nachdem die Tiroler Landesregierung 2022 einen Wolf zum Abschuss freigegeben hatte.

Das Tiroler Landesverwaltungsgericht hatte daraufhin den EuGH um eine Auslegung des EU-Rechts gebeten.

Vor dem EuGH in Luxemburg ging es also darum zu klären, ob es dem Gleichheitsgrundsatz widerspricht, dass Wölfe in einigen europäischen Ländern vom strengen Schutzregime der FFH-Richtlinie ausgenommen sind, in Österreich jedoch nicht.

Die richtungsweisende Antwort der Luxemburger Richter lautet: Nein. Österreich habe bei seinem EU-Beitritt 1995 keinen Vorbehalt gegen den hohen Schutzstatus des Wolfs angemeldet. „Soweit die österreichische Regierung davon ausgeht, dass der Unionsgesetzgeber aufgrund der Entwicklung der Wolfspopulation in Österreich den strengen Schutzstatus aufheben müsste, steht es ihr frei, eine Untätigkeitsklage einzureichen, was sie bis dato nicht getan hat“, bringt die Nachrichtenagentur APA die Argumentation der Richter auf den Punkt.

Welche wären nun die Bedingungen für einen Ausnahmefall?

Die Freigabe eines Wolfs zum Abschuss unter der aktuellen Rechtslage ist nur möglich, wenn die Wolfspopulation sich in einem guten Erhaltungszustand befindet und die Jagd diesen nicht gefährdet – sowohl in Tirol, Österreich, als auch im grenzüberschreitenden Verbreitungsgebiet. Zudem müssen vor einem Abschuss alternative Lösungen wie Almschutzmaßnahmen erwogen werden.

Die Tier- und Umweltschutzverbände haben das EuGH-Urteil mit großer Genugtuung zur Kenntnis genommen. Der österreichische WWF-Artenschutz-Experte Christian Pichler sagte: „Das ist eine wichtige Klarstellung: Bei streng geschützten Arten wie dem Wolf gehen präventive Maßnahmen wie Herdenschutz vor. Der Abschuss darf nur als letztes Mittel in Betracht gezogen werden.“

Die Tiroler Landesregierung aus ÖVP und SPÖ, die sich vor dem Spruch der Luxemburger Richter noch gelassen gezeigt hatte, ließ verlauten, dass das Urteil „keinen unmittelbaren gravierenden Auswirkungen auf die derzeitige Praxis“ habe. Ausgangspunkt des Vorabentscheidungsverfahrens sei ein „gesetzlicher Rahmen, der überholt ist“, so die die Landesregierung unter Hinweis auf mehrfache Novellierung des Tiroler Jagdgesetzes. Wölfe würden mittlerweile nicht mehr per Bescheid, sondern nach Verordnungen basierend auf „sauberen Rechtsgrundlagen und Fachgutachten“ abgeschossen.

Anders die Reaktion des österreichischen Bauernbund-Direktors David Süß. Der ist sauer und sagte:  Die EU-Kommission sei gefordert, endliche eine Senkung des strengen Wolfs-Schutzes voranzutreiben. Die EU-Kommission habe angekündigt, den Schutzstatus senken zu wollen, das EU-Parlament haben eine entsprechende Resolution verabschiedet. „Jetzt müssen diesen Worten Taten folgen“, so Süß.

In Österreich wurden im vergangenen Jahr gerade einmal 104 Wölfe gezählt.

Österreichs Wölfe sollten laut EU- Kommission mehr als 1000 Exemplare umfassen, um von einem günstigen Erhaltungszustand sprechen zu können, erläutert Thoren Metz, der Obmann von NGO Protect.

Nach dem Urteil des EuGH müssen die österreichischen Bundesländer ihre Wolfabschuss-Verordnungen und Alm- und Weideschutzgesetze umgehend abändern, da diese gegen die FFH-Richtlinie verstoßen. „Ansonsten droht Österreich ein Vertragsverletzungsverfahren mit möglichen hohen Strafzahlungen“, warnt Tierschutz Austria-Präsidentin Madeleine Petrovic.

LESEN SIE AM FREITAG IN DER PRINT-AUSGABE:

Wie LW-Landesrat Luis Walcher das Urteil der Luxemburger Richter kommentiert.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (20)

Lesen Sie die Netiquette und die Nutzerbedingungen

Du musst dich EINLOGGEN um die Kommentare zu lesen.

2025 ® © Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH/Srl Impressum | Privacy Policy | Netiquette & Nutzerbedingungen | AGB | Privacy-Einstellungen

Nach oben scrollen