Kein neuer Prozess
Das Gericht in Brescia hat den Revisionsantrag im Fall des Massakers von Erba abgewiesen. Wie Cuno Tarfusser auf die Entscheidung reagiert.
von Artur Oberhofer
Cuno Tarfusser gibt sich wortkarg: „Eine Justiz, die die Kultur des Zweifels verloren hat, ist nicht mehr die Justiz, der ich fast 40 Jahre meines Lebens gegeben habe“, sagt der stellvertretende Generalstaatsanwalt von Mailand, der in wenigen Wochen in Rente geht.
Cuno Tarfusser hat im April dieses Jahres mit einem Revisionsantrag einen der spektakulärsten Fälle der italienischen Kriminalgeschichte neu aufgerollt – den Fall des Massakers von Erba („strage di Erba“).
Auf der Grundlage der von den Verteidigern von Olindo Romano und Rosa Bazzi zusammengetragenen neuen Fakten, Gutachten und Beweisen stellte Tarfusser den Revisionsantrag – und begründete diesen mit einer (beeindruckenden) Serie von Ermittlungsfehlern, Pannen und neuen Fakten.
In der Tat sind bis heute viele Frage im Fall des Massakers von Erba offen.
Doch ein Senat des Oberlandesgerichtes von Brescia unter dem Vorsitz von Richter Antonio Minervini hat am Mittwoch den Revisionsantrag abgewiesen. Die Begründung: Die „neuen Beweise“ seien entweder nicht als neu zu klassifizieren – oder eben nicht ausreichend, um das alte Urteil aufzuheben.
Für Olindo Romano und Rosa Bazzi hat sich damit die Hoffnung auf einen neuen Prozess zerschlagen. Der Kopf des Verteidiger-Teams, Anwalt Fabio Schembri, kündigte zwar einen Rekurs am Kassationsgerichtshof an. Aber die Chancen auf eine Wiederaufnahme des Prozesses sind mit dem Urteil des Oberlandesgerichtes von Brescia auf ein Minimum gesunken, urteilen Experten.
Brisant: Cuno Tarfussers „Gegenspieler“ im Verfahren zum Revisionsantrag war sein ehemaliger Busenfreund Guido Rispoli, der jetzt Generalstaatsanwalt in Brescia ist.
Rispoli hatte sich vehement gegen die Annahme des Revisionsantrages gestemmt.
Rispoli und Tarfusser sind seit Jahren heillos zerstritten.
Die Brescianer Richter müssen ihren Spruch nun innerhalb von 90 Tagen begründen. Wenn es nicht zu einem weiteren Paukenschlag kommt, bleiben Olindo Romano und Rosa Bazzi die Mörder von Erba.
Das Gefängnis können die beiden Verurteilten ohnehin binnen weniger Jahre verlassen. Rosa Bazzi darf bereits außerhalb des Gefängnisses arbeiten.
+++ Das Blutbad +++
Am Abend des 11. Dezember 2006 wird die Feuerwehr in dem Weiler Erba am Comer See zu einem Hausbrand gerufen. In einer der ausgebrannten Wohnungen werden drei Leichen gefunden: Raffaela Castagna (30), ihr zweijähriger Sohn Youssef Marzouk sowie ihre Mutter Paola Galli (60) wurden brutal zusammengeschlagen und dann mit unzähligen Messerstichen ermordet. Auch zwei Nachbarn werden mit Messern angegriffen.
Die 55-jährige Valeria Cherubini stirbt wenig später im Krankenhaus, während ihr Mann Mario Frigerio (65), der ebenfalls mit einer Schnittwunde am Hals aufgefunden wird, als einziger schwer verletzt die Tat überlebt.
In der Folge geraten zwei Nachbarn ins Fadenkreuz der Ermittler: Olindo Romano (heute 60) und Rosa Bazzi (heute 55) hatten mit der Verstorbenen einen Gerichtsstreit, und es war in der Vergangenheit immer wieder zu handgreiflichen Auseinandersetzungen gekommen.
Obwohl weder in der Wohnung des Paares noch an deren Kleidern Blutspuren gesichert werden können und obwohl der einzige Zeuge Mario Frigerio sagt, der Täter hätte kurzes, dichtes Haar und eine olivgrüne Gesichtsfarbe gehabt, werden Olindo und Rosa am 8. Jänner 2007 verhaftet.
Zwei Tage später gestehen sowohl Olindo Romano als auch Rosa Bazzi in getrennten Verhören die Tat, ziehen ihr Geständnis dann wieder zurück.
Ende November 2008 werden die beiden Eheleute in erster Instanz zu lebenslänglicher Haft und drei Jahren Einzelhaft verurteilt.
Im Berufungsverfahren und später in der Kassation wird das Urteil bestätigt.
Olindo Romano und Rosa Bazzi sitzen sei 18 Jahren im Knast.
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