Die Gipfelstürmerinnen
Acht Alpinistinnen werden diesen Monat den Gipfel des K2 besteigen. Forscher des eurac-Institutes unterzogen die Bergesteigerinnen zahlreichen Tests. Sie wollen der wissenschaftlichen Vernachlässigung des weiblichen Alpinismus entgegenwirken.
von Christian Frank
Mit seinen 8611 Metern ist der K2 nach dem Mount Everest der höchste Berg der Welt und wird vor allem als der gefährlichste betrachtet. Dementsprechend rühmt sich das Naturungetüm im südasiatischen Karakorum vieler ehrfurcht heischender Namen: „Der Killerberg“, „das Monster“, „der verfluchte Berg“.
80 Menschen ließen beim Versuch des Gipfelsturms ihr Leben, ein aufgetürmter Steinhaufen mit Gedenktafel besinnt sich ihrer. „Bin bis über dem Arsch im Schnee. Ein Hang nach dem anderen, wir sind sehr müde“, setzte Reinhold Messner 1979 beim Aufstieg einen Funkspruch ab. Der famose Südtiroler Bergsteiger ist einer von insgesamt 289 Alpinisten, denen eine erfolgreiche Erklimmung des K2 gelingen konnte. Nur elf dieser Bergsteiger sind Frauen. Das soll sich nun jedoch bald ändern. Acht Alpinistinnen, davon vier Italienerinnen und vier aus Pakistan, haben es sich zum Ziel gesetzt, den „Killerberg“ anlässlich des 70. Jubiläums der Erstbesteigung (welche übrigens auch von zwei Italienern vorgenommen wurde) zu bezwingen. Bei den Vorbereitungen mit dabei: das eurac-Institut mit seinem einzigartigen terraXcube.
Der sich am NOI-Techpark befindende Simulator kann die Extrembedingungen auf dem Berg nachstellen, seien es Kälte, Sauerstoffgehalt, Luftdruck, Regen-, Eis- oder Schneebedingungen. Beim Erklimmen eines so hohen Berges ist der Sauerstoffgehalt des Körpers ein zentraler Faktor für das Wohlbefinden. Der sogenannte Sauerstoffpartialdruck ist auf einer Höhe von über 8000 Metern über dem Meeresspiegel so niedrig, dass diese Höhenmeter grundsätzlich als Todeszone gelten. Ein Überleben ist hier nur für einige Stunden möglich.
Unter der Leitung eines Forschungsteams des Instituts für Alpine Notfallmedizin von eurac Research und des Centro di Ricerca „Sport, Montagna e Salute“ aus Rovereto, des Italienischen Alpenvereins CAI und des Instituts für klinische Physiologie des CNR wurden die Alpinistinnen einer Reihe von medizinischen Tests unterzogen.
„Wir haben bei den acht Alpinistinnen die Basisuntersuchungen vorgenommen und sie einer Höhensimulation von 5000 Metern ausgesetzt“, erklärt der stellvertretende Vorsitzende des eurac-Institutes für Bergrettungsmedizin, Hannes Gatterer.
Die 5000 Höhenmeter-Marke entspricht jenem Höhenstand, welcher im Basislager vorherrscht.
„Momentan befinden sich die acht Bergsteigerinnen bereits im Basislager und sind nur mehr spärlich über ein Satellitentelefon erreichbar“, schildert Gatterer die aktuelle Situation und antizipiert einen unmittelbar bevorstehenden Aufstieg: „Sie brauchen ein Gutwetterfenster, aber ab dem 20. Juli kann man jeden Moment mit einem Gipfelsturm rechnen.“
Neben dem geringen Anteil an weiblichen K2-Besteigungen stellt das Unterfangen insbesondere für die Wissenschaft großes Potenzial dar. Denn das meiste, was über die menschliche Physiologie bei derartigen Extremhöhen bekannt ist, stammt aus der Beobachtung männlicher Probanden.
„Es ist dasselbe wie in der Medizin. Die meisten Untersuchungen zur Effektivität von Medikamenten wurden ausschließlich an Männern vorgenommen, und die Dosierung wurde dabei nie geschlechtsspezifisch berücksichtigt. Das hat sich in der früheren Phase der Wissenschaft wie ein roter Faden durchgezogen. Die Frauen wurden immer außen vorgelassen. Das will man nun etwas aufholen“, konstatiert Gatterer.
Es fällt, so das Institut, in der Tat schwer, Empfehlungen für weibliche Extrembergsteiger auszusprechen, da der Datenbestand zu dürftig ist. Tests und Analysen über die Herz-Kreislauf- und Atemfunktion in Ruhe und bei Belastung, über die Gehirnfunktion und computergestützte kognitive Tests über die Reaktionsgeschwindigkeit, das Kurzzeitgedächtnis und die Fähigkeit, visuell-räumliche Informationen zu verarbeiten. Dieser extensiven Bandbreite an Untersuchungen, welche im Vorfeld vom eurac-Institut vorgenommen wurden, knüpft sich eine Reihe weiterer Untersuchungen an, nachdem die acht Alpinistinnen von ihrer Gipfelbezwingung zurückkehren.
„Bei ihrer Rückkehr sind die Bergsteigerinnen vollkommen an die Extremhöhen von über 8000 Metern akklimatisiert, und wir können sie im terraXcube denselben Bedingungen aussetzen“, erklärt Gatterer. Bis dahin lassen sich die Unterschiede zwischen Männern und Frauen unter diesen Umständen bloß mutmaßen.
„Es gibt einige Theorien. Wir sind alles Menschen, doch Unterschiede kommen vor. Der Hormonspiegel ist bei Frauen und Männern zum Beispiel unterschiedlich. Der Hormonspiegel im Zyklus hat einen Einfluss auf die Atmung. Die Atmung ist natürlich von ungemeiner Wichtigkeit bei solchen Höhen. Der Sauerstoffgehalt im Blut kann womöglich höher gehalten werden, was von Vorteil wäre“, erläutert Gatterer. Auch der Stoffwechsel, so der stellvertretende Institutsleiter, kann Unterschiede hervorrufen, da Männer ihre Energie hauptsächlich durch Kohlenhydrate wie Zucker beziehen, während Frauen mehr auf Fette zurückgreifen. Die Forscher blicken gespannt auf die kommenden Wochen und den bevorstehenden Gipfelsturm.
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Kommentare (2)
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andreas
Außer dass da ein paar von denen wohl drauf gehen, soll das der Allgemeinheit was genau bringen?
11 Frauen waren oben, 3 starben beim Versuch, statistisch gesehen kommen 6 zurück und wenn sie Pech mit dem Wetter haben, keine. Wobei ich nicht weiß, wie viele es versucht haben.
Sollte es zu einem Desaster kommen und das ist nicht unwahrscheinlich, wird wohl die Aussage kommen, dass das nicht vorhersehbar war.
Gerade solche Expeditionen, wo ein gewisser Druck der Öffentlichkeit besteht es zu schaffen, siehe Everest 1996 mit Krakauer oder bei einer Spiegelreportage, wo glaub 2 von 3 draufgegangen sind, enden recht oft mit Toten, da sie mehr riskieren als gut für sie ist.
dn
Hat die Eurac wirklich nichts Besseres zu tun?