Zweierlei Ausschneiden
Österreich und Italien oder wie man auf höchst unterschiedliche Art und Weise aus einem Turnier ausscheiden kann.
Eines vorausgeschickt: als Trainer haben mich immer die sogenannten ehrenvollen Niederlagen wesentlich mehr geärgert als Spiele, die verloren gingen, weil der Gegner einfach besser gespielt hat!
Niemand, der vom Fußball auch nur ein bisschen Ahnung hat und das Spiel Italien gegen die Schweiz gesehen hat, wird behaupten, dass Italien vom Pech verfolgt und die Niederlage nicht verdient war. Dazu war der Auftritt des amtierenden Europameisters war einfach zu unfassbar schwach und ernüchternd. Dabei geht es weder um technische, taktisch oder konditionelle Details, sondern einfach um die Einstellung und die Haltung. Es fehlte an Solidarität unter den Spielern, am Einsatz, an der Entschlossenheit, kurzum an allen Dingen, die im Fußball die Basis sind, um Erfolg zu haben. Teilweise hatte ich in Eindruck eine Mannschaft zu sehen, die sich danach sehnt endlich den verdienten Urlaub anzutreten, neben der Laufbereitschaft fehlte es vor allem auch an geistiger Frische. Neben technischen Unzulänglichkeiten gab es taktische Fehler, auch in der Defensive, die man bei italienischen Mannschaften nicht gewohnt ist zu sehen. Da der Trainer generell der Hauptverantwortliche für Misserfolge ist, hat Trainer Spalletti diesbezüglich viel an Verantwortung zu übernehmen. Eine seiner größten Fehleinschätzungen war, dass er der Meinung war, mit diesem Kader einen dominanten Fußball mit viel Ballbesitz spielen zu können und mit einer Viererkette zu verteidigen, obwohl fast alle einberufenen Spieler es gewohnt sind in ihren Vereinen mit einer Dreier- (Fünfer)Abwehr zu agieren.
Nüchtern, im Nachhinein betrachtet, wäre es mit diesem Spielerkader gegen die Schweiz möglich gewesen, sich, mit einer stabilen Verteidigung und dem nötigen Einsatz und Leidenschaft, in die Verlängerung oder über das Elfmeterschießen in die nächste Runde zu retten. Die Schweiz hatte eine Spielidee, von der die Spieler überzeugt waren, die Italiener nicht. Die Schweiz hatte mit Xhaka einen Antreiber im Mittelfeld, der eine Garantie für Kontinuität war und auch seine Nebenleute permanent unterstützte und anspornte.
Bei dieser italienischen Mannschaft hingegen regierte Konfusion und Verunsicherung- und dafür war der Trainer der Hauptverantwortliche. Dabei gebe ich ehrlich zu, dass auch ich zu denen gehörte, die seine Bestellung zum Trainer der „Nazionale“ ursprünglich positiv sah. Zu sehr beeindruckte mich auch sein Spielstil mit Napoli, aber weder Lobotka, noch Kvaratskhelia oder Osimhen haben die italienischen Staatsbürgerschaft und die Spieler, die diese haben, haben nicht annähernd deren Qualitäten. Dass ein mittelmäßiger Spieler, wie Di Lorenzo in einem funktionierenden Kontext seinen Beitrag leisten kann, bewies dieser in der Meistersaison 2022/23, dass er aber ohne diese Voraussetzungen nicht tragbar ist, zeigte sich in den Spielen dieser EM, wo er kontinuierlich schwindlig gespielt wurde.
Das Ausscheiden der Österreicher gegen die Türkei fand auf völlig unterschiedlich Art und Weise statt! Natürlich ist dort die Erwartungshaltung eine völlig andere. Schließlich hat Österreich seit 1954 bei keinem großen Turnier mehr ein Halbfinale erreicht. Die Mannschaft hatte ihre schwere Gruppe vor Frankreich und Holland als Gruppenerster beendet und richtig attraktiven Fußball gespielt. Sie begeisterten ein Land und auch die kritischen Experten, kassierten dann aber von den Türken zwei Tore nach Eckbällen, die schließlich zum Ausscheiden führten. Zum Verhängnis wurde ihnen wieder einmal ihr Hang, die Defensive nicht genug ernst zu nehmen und die Konzentration auf (oft entscheidende) Details nicht über die gesamte Spielzeit zu halten. Beim ersten Gegentor war man gedanklich noch nicht auf dem Platz und beim zweiten Gegentor wurde dem einzigen wirklich gefährlichen türkischen Kopfballspieler die Möglichkeit gegeben im Fünfmeterraum zum 2:0 einzuköpfen. Den Unterschied zwischen der Türkei und den Österreichern könnte man auch an der Klasse der beiden Torsteher festmachen!
Letztendlich fahren nach dem Achtelfinale nun sowohl Italien als auch Österreich nach Hause, beiden wird es dabei nicht gut gehen und der Gesamteindruck ändert nichts an dieser Tatsache. Aufzuarbeiten gibt es aber vor allem viel bei Italien. Während man sonst gerne Bestimmungen um ein Jahr verschiebt, hat man die Wahl des neuen Verbandspräsidenten von März 2025 auf 4. November 2024 vorverlegt.
Kommentare (12)
Lesen Sie die Netiquette und die Nutzerbedingungen
Du musst dich EINLOGGEN um die Kommentare zu lesen.