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„Kokskonsum steigt“

Bruno Marcato, Psychotherapeut und Geschäftsführer des Vereins HANDS, beobachtet eine veränderte Einstellung zum Drogenkonsum, die neue Therapieansätze fordert.

TAGESZEITUNG Online: Herr Marcato, hat sich der Drogenkonsum in den vergangenen Jahren in Südtirol verändert?

Bruno Marcato: Man nimmt heute Drogen, um seine Gefühle zu kontrollieren. Am Anfang werden die Drogen vielleicht nur am Wochenende konsumiert oder weil etwas vorgefallen ist, dass Gefühle hervorruft, die man nicht ertragen möchte. Dann entsteht eine Gewohnheit, man findet immer öfter einen Anlass, um Drogen zu nehmen. Daraus entsteht ein wahrer Teufelskreis.

Sind synthetische Drogen auf dem Vormarsch?

Wir konnten feststellen, dass vor allem unter Jugendlichen der Gebrauch von synthetischen Drogen zunimmt. Das ist sicherlich auch ein gesellschaftliches Problem, welches sich auf den zunehmenden Leistungsdruck, die ständige Flut an Informationen und die große, aber auch überfordernde Auswahl an Möglichkeiten, sein Leben zu gestalten, zurückführen lässt.

Im Abwasser konnten zuletzt vermehrt Spuren von Kokain nachgewiesen werden. Können Sie einen Anstieg an Kokainabhängigen bestätigen?

Absolut. Leider habe ich den Eindruck, dass Kokain so wahrgenommen wird wie zuvor Marihuana. 40 Prozent aller Jugendlichen haben bereits Marihuana geraucht oder probiert. Inzwischen ist die Nutzung von Kokain schon beinahe normal, das heißt, es gibt nicht mehr das Bewusstsein, dass es sich dabei um eine illegale Substanz handelt, die schädlich sein kann. Von den Personen, die wir betreuen, haben 90 Prozent Kokain benutzt.

Der Generalsekretär der Vereinten Nationen spricht anlässlich des Internationalen Tages gegen Drogenmissbrauch und illegalen Drogenhandel auch von einer Stigmatisierung der Konsumenten …

Viele Menschen setzen Drogenabhängige mit einer schlechten Person gleich. Die Drogenkonsumenten werden stigmatisiert und schämen sich, unsere Hilfsangebote aufzusuchen. Wir sind aber eine Gesellschaft, in der es in vielen Bereichen heißt, je mehr Konsum umso besser. Das beeinflusst natürlich auch den Konsum von Drogen. Nicht alle sind in der Lage und haben die Kraft dazu, hier Grenzen zu stecken. Wir versuchen daher, die Leute, die zu uns kommen, in ihrer Persönlichkeit zu stärken, damit sie lernen, Nein zu sagen und bessere Entscheidungen zu treffen.  

Kritisiert werden auch die groben und unmenschlichen Gegenmaßnahmen gegen Abhängige …

Es gibt drei Säulen, mit Drogenmissbrauch umzugehen. Eine Säule ist die Heilung, die zweite ist die Prävention und die dritte die Sicherheit, also das Angebot an Drogen zu reduzieren. Es muss bei einer Verstärkung des Kontrollsystems angesetzt werden, anstatt nur zu bestrafen oder auszuweisen.

Sie sehen die Notwendigkeit eines neuen Bewusstseins für die Suchttherapie. Was meinen Sie damit?

Die Leute sollen von innen überzeugt werden und nicht so sehr von außen, wie es noch bis in die 1990er Jahre der Fall war. Es reicht nicht aus, nur Regeln aufzustellen. Man muss vielmehr motivieren und überzeugen. Daher setzen wir mit den Therapien inzwischen bei der bewussten Wahrnehmung an. Die Abhängigen sollen von sich aus Kraft entwickeln.

Bruno Marcato (Foto: Metropolis)

Wie ist das Therapiezentrum, welches der Verein HANDS vor vier Jahren in Bozen/Rentsch für Abhängige eröffnet hat, angenommen worden?  

Wir sind mit 19 Plätzen gestartet. Aufgrund gestiegenen Bedarfs haben wir inzwischen auf 29 Therapieplätze aufgestockt. Das Land hat uns fünf zusätzliche Plätze für Frauen genehmigt. Am Anfang waren von allen Hilfesuchenden nur 15 Prozent Frauen, inzwischen sind es 30 Prozent.

Wo müsste noch viel mehr angesetzt werden, um der Problematik des Drogenmissbrauchs wirkungsvoll zu begegnen?

Wir werden eine neue Entzugseinrichtung eröffnen, die verstärkt auf einen Entzug nicht nur mit Hilfe von Medikamenten setzt, sondern vor allem durch Motivation. Und es sollte mehr Einrichtungen für Jugendliche geben.

Interview: Sandra Fresenius

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (2)

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  • vinschgermarille

    JEDE(R) weiß inzwischen, Drogenkonsum macht ABHÄNGIG. Also Hirn einschalten, falls im nötigen Ausmaß vorhanden.Die Allgemeinheit soll, darf , kann ,muß , wirds dann wieder richten, gell…Klingt polemisch , ich weiß, mehr fällt mir zu dieser Form von Selbstzerstörung halt nun mal nicht ein.

  • pingoballino1955

    Die Anwälte,Manager und Co sind die besten Kunden!??

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