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Dichte Orgellandschaft

(v.l.) Franz Gratl (Bereichsleiter Musik des Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum), Paul Gasser ( Präsident der Stiftung Musik Brixen) Landesrat Philipp Achammer und der künstlerische Leiter und Ideator des Projektes Josef Lanz: „Bei uns war die moderne, von der Romantik geprägte Aufführungspraxis fest verankert. Gegenüber der Alten Musik gab es lange Zeit beträchtlichen Widerstand nach dem Motto ….das macht eh Innsbruck“.

 

Das 2020 von Josef Lanz gestartete Projekt „Historische Orgeln in Südtirol“ zieht mit fünf CDs eine vorläufige Zwischenbilanz. Wertvolle historische Musikschätze werden dadurch für die Nachwelt erhalten.

(sh) Zwei Schlüsselerlebnisse waren es, die Josef Lanz die Tür zur Alte Musik-Bewegung aufgemacht haben: „Anfang der 90er Jahre stieß ich auf eine CD mit Bachkantaten ausgeführt vom Bach-Ensemble mit Joshua Rifkin aus New York. Das war für mich eine Offenbarung. Plötzlich schien mir die Bachmusik so logisch, normal, frisch. Dasselbe Erlebnis hatte ich bei einem Konzert auf Schloss Amras mit Musikern wie Nikolaus Harnoncourt, Frans Brüggen und Milan Turkovich.“

Von da an war der künstlerische Leiter von Musik & Kirche von der Aufführungspraxis Alte Musik „komplett überzeugt“ und machte sich daran, junge MusikerInnen mit seiner Begeisterung anzustecken. In den Sommermonaten 1992-1997 veranstaltete Musik & Kirche mit dem Bach Ensemble unter Johsua Rifkin eine Akademie für Alte Musik: „Der internationale Zulauf war enorm, jener von Südtirol etwas bescheidener, aber es waren einige dabei, die mit Begeisterung auch nach der Akademie weitergemacht haben, beispielsweise das Ensemble Cordia von Franziska Romaner und Stefano Vegetti in Bruneck.“

In der Folge waren in Brixen und beim Festival Geistlicher Musik zahlreiche hervorragende Ensembles zu Gast: „Ein Glücksfall, denn Alte Musik schlecht gespielt, schreckt ab und überzeugt nicht“, so Lanz. Parallel wurde wissenschaftliche Forschung in die Wege geleitet. Die Musikwissenschaftlerin Hildegard Hermann-Schneider aus Innsbruck wurde von Musik & Kirche mit der Aufarbeitung und Katalogisierung des Diözesanarchivs in der Hofburg beauftragt  – wobei Notenmaterial zur Uraufführung der „Spaur-Messe“ gefunden wurde. Um das Musikleben der historischen Region Tirol zu erforschen, wurde von Musik & Kirche, sowie Musica Viva Vinschgau verstärkt mit dem Ferdinandeum in Innsbruck zusammengearbeitet. Ein wichtiger Bezugspunkt wurde auch das Musikarchiv des Stiftes Marienberg mit dem Kustos Lukas Punter. Die Werke wurden sowohl in Tirol wie in Südtirol aufgeführt und wiederholt durch Aufnahmen dokumentiert, teils als CDs, teils als Videos auf dem neu errichteten YouTube Musikkanal Südtirol in concert.

Das Interesse für  die Aufführungspraxis Alte Musik war hierzulande beileibe nicht immer so groß. Im Gegenteil. Lanz: „Bei uns war die moderne, von der Romantik geprägte Aufführungspraxis fest verankert. Gegenüber der Alten Musik gab es lange Zeit beträchtlichen Widerstand nach dem Motto ….das macht eh Innsbruck“. Auch international standen sich „historische“ und „moderne« Aufführungspraxis feindselig gegenüber, wobei man mit deftigen Epitheta nicht sparte: „Puristen!“, „Müslimusiker!“, „Romantische Bäuche!“, „Dauervibrator!“ Mittlerweile gibt es eine Reihe Musikern und Musikgruppen, die die historische Aufführungspraxis beherrschen und erfolgreiche Konzerte geben.

Historische Orgeln in Südtirol“

In diesem Zusammenhang, so Lanz, müsse man auch das Projekt „Historische Orgeln in Südtirol“ sehen, wobei eine Reihe von günstigen Umständen haben das Projekt vorangetrieben haben: die vielfältige und dichte Orgellandschaft, die Zusammenarbeit des Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum und Musik & Kirche, sowie den Vereinen Festival geistlicher Musik und Musica Viva Vinschgau, und natürlich die zwei Hauptprotagonisten, die letztendlich für das Produkt verantwortlich sind: Der international geschätzte Organist und Alte-Musik Fachmann Peter Waldner aus dem Vinschgau  und der Audio-und Video-Techniker Simon Lanz aus Bozen, der den Youtube Musikkanal „Südtirol in concert“ betreut. Mit 50.000 Abonnenten in fünf Jahren, 370 Musik-Videos und über 10.000 Aufrufen (Deutschland, USA, Japan sind die Länder mit den meisten Zugriffen) täglich, gehört der Kanal zu den führenden Streaming-Anbietern für klassische Musik.

Vier CDs, betreut vom Kustos der Musikabteilung des Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Dr. Franz Gratl, sind das vorläufige Ergebnis des 2020 mit Unterstützung der Kulturabteilung des Landes gestarteten Projekts „Historische Orgeln in Südtirol“. Vergangene Woche wurden sie in der Brixner Hofburg vorgestellt. Sie erscheinen in der Reihe musik museum (www.tiroler-landesmuseen.at/terminreihe/musikmuseum) und werden in den kommenden Jahren noch um einige Tonträger ergänzt werden.

Peter Waldner, der aus Mals im Vinschgau stammende Organist und Spezialist für historische Tasteninstrumente, hat die Werke noch weitgehend unbekannter Komponisten auf teils nicht öffentlich zugänglichen Orgeln eingespielt und belegt dadurch die Dichte und Qualität der Musik in den geistlichen Zentren des Landes im 17. und 18. Jahrhundert. Wertvolle historische Musikschätze werden dadurch belebt, bekannt gemacht und für die Nachwelt erhalten.

Eine fünfte CD entstand aus der Zusammenarbeit zwischen dem Südtiroler Künstlerbund und Musica Viva Vinschgau. Die Südtiroler Komponisten Georg Malfertheiner, Eduard Demetz, Herbert Grassl, Gerd Hermann Ortler, Hannes Kerschbaumer und Robert Rabanser haben im Auftrag des Künstlerbundes Kompositionen geschaffen, die 2019 im Kulturhaus Schlanders uraufgeführt wurden. Das Südtiroler Ensemble „conTakt percussion group“ hat die Werke interpretiert, das Cover zeigt eine Installation des Künstlers Lois Anvidalfarei.

Alle fünf CDs überzeugen durch ein sorgfältig ausgewähltes Programm, ein informatives Booklet und belegen eindrucksvoll die lebendige Musiklandschaft im Euregio-Raum Tirol.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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