Unfreundliches
Giorgos Lanthimos hat schon wieder einen Film im Kino, wieder lang und wieder mit Emma Stone. Sehenswert ist diese Woche aber „Innocence“, ein Dokumentarfilm.
Von Renate Mumelter
Innocence
Schießübungen beim Maiausflug, Kinder, die Soldaten und Panzer zeichnen sollen, das alles ist normal in Israel. Den israelischen Regisseur Guy Davidi irritierte das schon als Kind, und es irritiert ihn noch. Sein Dokumentarfilm „Innocence“ befasst sich damit. Er ist harte Kost aber notwendig.
Der Film erzählt davon, wie die israelische Gesellschaft alle auf ein Leben in Verteidigungsstellung vorbereitet. Den Grund dafür sieht Davidi in der Geschichte der Juden, die sich schützen und wehren mussten. Trotzdem ist er gegen dieses System und hat sich deshalb vor vielen Jahren dazu entschlossen „Innocence“ zu drehen, einen Dokumentarfilm, der Kinder und Jugendliche begleitet, in Schulen filmt aber auch aus Briefen und Aufzeichnungen junger Menschen zitiert, die sich beim Militär das Leben genommen haben. Der Film geht auch auf Davidis eigene Geschichte ein. Er hat irgendwann den Dienst an der Waffe quittiert. In Israel gibt es 3 Jahre Wehrpflicht für Männer, 2 für Frauen. Das bewirkt etwas. „Innocence“ bewirkt auch etwas. Obwohl es keine abgeschnitten Finger (s.u.) gibt, schockiert dieser Film und wirft x Fragen auf. Gedreht wurde er übrigens in israelischen Friedenszeiten, er war also nicht als Kommentar zum aktuellen Konflikt gedacht.
Zu sehen nur am Dienstag 2. Juli um 20 Uhr auf Einladung der EURAC im Filmclub.
Arten von Freundlichkeiten
Zunächst die Dinge, die gelungen sind in „Kinds of Kindness“. Das sind nur ein paar. Ein Highlight ist Jesse Plemons, einer der Hauptdarsteller, der wie alle anderen auch, in jeder der drei Episoden in jeweils anderen Rollen zu sehen ist.
Plemons hat zwar schon mit Scorsese, Spielberg, Jane Campion gearbeitet, als richtige Hollywood-Berühmtheit ist er in Europa noch nicht angekommen. Das könnte sich jetzt ändern. In Cannes bekam er für seine Rolle in diesem Lanthimos-Film den Darstellerpreis.
Lanthimos gelingt es, die Darstellenden gut auszuwählen und sie zu führen. Nicht umsonst gewann Emma Stone den Oscar für „Poor Things“, den letzten umjubelten Lanthimos-Film, der durchaus Schwächen hatte.
Was Lanthimos in „Kinds of Kindness“ auch gelingt, ist die Filmmusik. Er setzt sie erholsam spärlich ein, degradiert sie also nicht zum Drüberstreuer, wie das allzuoft passiert. Wenn es Musik gibt, dann ist sie platziert und sonst ist’s still, und das tut gut. Die Musik ist wieder vom Briten Jerskin Fendrix, der für die Filmmusik von „Poor Things“ für den Oscar nominiert war.
Ja, und das war’s dann. Natürlich stimmt das Szenenbild, und die Kamera stimmt auch, aber das alles rechtfertigt die 164 Filmminuten nicht.
Abgeschnittene Finger
„Kinds of Kindness“ erzählt von Arten von Freundlichkeiten, die allerdings keine sind. In den drei Episoden, die an sich nichts miteinander zu tun haben, geht es um Macht, um jene, die sie ausleben und jene, die sich dieser Macht beugen. Einmal ist es ein Mann (William Dafoe), der seine „Untertanînnen“ freundlich bis ins letzte kontrolliert, einmal geht es um einen Ehemann, der seine verschollene Ehefrau wiederfindet aber nicht wiedererkennt und deshalb drangsaliert, und einmal geht es um eine kuriose Wasser trinkende Sekte, die alle Angeworbenen im Zaum hält und auf die Suche nach Unsterblichkeit schickt. Das alles ist an grausige Rituale gebunden wie das Abtrennen und Rösten eines Fingers, das Töten mit dem Auto undundund. Blutig halt.
Was will mir der Autor damit sagen, fragte ich mich während der 164 Minuten und wurde nicht schlau. Oder es ist die Botschaft, die mich nicht interessiert.
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