Du befindest dich hier: Home » News » Schein & Sein

Schein & Sein

Christian Alber (Foto: FB)

Der Plagiat-Skandal um Religionsinspektor Christian Alber weitet sich aus: Der Innsbrucker Vize-Rektor wurde wegen Amtsmissbrauchs angezeigt. Und auch auf den Südtiroler Bildungsdirektor wächst der Druck.

von Artur Oberhofer

Für Stefan Weber ist es eine Premiere.

„Erstmals“, so erklärt der bekannte Salzburger Plagiatsjäger, „habe ich in meiner Tätigkeit ein Rektoratsmitglied einer staatlichen österreichischen Universität wegen des Verdachts des wiederholten Amtsmissbrauchs bei der Staatsanwaltschaft angezeigt.“

Bei Webers „Opfer“ handelt sich um den Vize-Rektor der Uni Innsbruck, Bernhard Fügenschuh, der – was den Fall bildungspolitisch pikant macht – in Kürze zum Rektor der Uni Salzburg ernannt werden soll.

Auslöser dieser spektakulären Aktion ist eine Enthüllungsstory.

Die TAGESZEITUNG hat am 15. Juni dieses Jahres aufgedeckt, dass es ein wissenschaftliches Gutachten gibt, laut dem die 1994 an der Uni Innsbruck eingereichte Diplomarbeit eines der höchsten Beamten des Südtiroler Bildungswesens ein Plagiat sei.

Konkret geht es um die Diplomarbeit zum Thema „Scheidung und Wiederheirat. Fragment einer Scheidungsdiakonie“, die der amtierende Religionsinspektor im Südtiroler Schulamt, Christian Alber, bei dem inzwischen verstorbenen Theologie-Professor Klemens Schaupp eingereicht hat.

Das Gutachten des Wiener Plagiatsjägers Stefan Weber im Fall Christian Alber ist, gelinde gesagt, vernichtend: Auf nicht weniger als 62 Seiten seiner insgesamt 92 Seiten umfassenden Diplomarbeit wurden dem Religionsinspektor „massive Verstöße gegen das Zitiergebot durch den Verfasser“ nachgewiesen. Großteils hat Alber, laut Gutachten, aus Werken des bekannten Theologen und emeritierten Wiener Universitäts-Professors Paul M. Zulehner abgeschrieben.

Der Gutachter Stefan Weber und dessen Team haben in Christian Albers Diplomarbeit nicht weniger als „146 Plagiatsfragmente aller Plagiatstypen“ (davon 77 genuine Textplagiate und 11 genuine Textplagiate inklusive plagiierter Fußnoten) entdeckt. Weber & Co. unterstellen dem Südtiroler Religionsinspektor Christian Alber „aufgrund der Fülle der Plagiate nicht grobe Fahrlässigkeit, sondern Vorsatz“.

Diese Unterscheidung zwischen fahrlässigem und vorsätzlichem Handeln ist von großer Relevanz, denn vorsätzliches Handeln gilt als wissenschaftliches Fehlverhalten – und hat laut österreichischem Recht eine Titelaberkennung zur Folge.

Dieser eindeutige und ausführlich belegte Befund, von dem die Uni Innsbruck bereits seit Mitte November vergangenen Jahres Kenntnis hatte, hätte eigentlich ein Prüfverfahren durch die Uni zur Folge haben müssen.

Aber in Innsbruck ticken die Uhren anders.

Obwohl im Weber-Gutachten von einem „gravierendem Plagiatsverdacht“ die Rede ist, der an jeder Uni der Welt eine Untersuchung zur Folge hätte, geschieht in Innsbruck bis Juni dieses Jahres nichts.

Erst als die TAGESZEITUNG am 14. Juni dieses Jahres den mutmaßlichen Plagiator Christian Alber und den Innsbrucker Vize-Rektor (und Leiter des Rechtsdienstes) mit den Ergebnissen des Weber-Gutachtens konfrontiert, kommt Bewegung in die Geschichte.

Beim Versuch, den (auch für die Innsbruck Universität hochnotpeinlichen) Fall glattzubügeln, verwickeln sich der Innsbrucker Vize-Rektor, der mutmaßliche Plagiator und dessen Südtiroler Protegé, Bildungsdirektor Gustav Tschenett, in haarsträubende Widersprüche und liefern possenreife Erklärungsversuche.

Gustav Tschenett

Zuerst teilt Vize-Rektor Bernhard Fügenschuh in einer knappen Mail mit, dass sich „aus der Prüfung des ,Privatgutachtens‘ kein Anfangsverdacht ergeben“ habe, der die Einleitung eines Verfahrens erfordert hätte.

Klammer auf: Wie kann man im Fall einer mit 146 Plagiatsfragmenten behafteten Diplomarbeit zu dem Schluss gelangen, dass kein Anfangsverdacht besteht? Klammer wieder geschlossen.

Christian Alber selbst wird – auch das ist bezeichnend – von der Uni Innsbruck über die TAGESZEITUNG-Anfrage informiert. Er selbst verweist dann in seiner Antwort auf die Zeitungsanfrage auf die Erklärung des zentralen Rechtsdienstes der Uni Innsbruck, also auf die Auskunft von Vizerektor Fügenschuh, wonach sich kein Anfangsverdacht ergeben habe.

Den Vogel schießen in der Folge Christian Alber und dessen Vorgesetzter Gustav Tschenett in Gestalt von insgesamt drei Gegendarstellungen TAGESZEITUNG an (und zu deren Abdruck wir, unabhängig vom Wahrheitsgehalt, verpflichtet sind).

Christian Alber wechselt dabei die Versionen. In der ersten Gegendarstellung schreibt er:

Der rufschädigende Vorwurf, dass meine Diplomarbeit ein Plagiat sei, darf jedoch nicht unwidersprochen bleiben. Am vergangenen Donnerstag hat mich der zentrale Rechtsdienst der Universität darüber in Kenntnis gesetzt, dass das dem Artikel zugrunde liegende ,Plagiatsgutachten‘ seit November 2023 der Universität zur Prüfung vorliegt. Die Universität hat daraufhin einen Gutachter bestellt, der die Diplomarbeit und das ,Plagiatsgutachten‘ des ,Teams Stefan Weber“ genauer gesichtet hat. Der Gutachter kommt in seiner Stellungnahme zum Schluss, dass eine Plagiatsprüfung seitens der Universität überflüssig und nicht zielführend ist, da kein ausreichender Anfangsverdacht für eine Erschleichung vorliegt. Der Gutachter geht in seiner Stellungnahme sogar soweit zu behaupten, dass das ,Privatgutachten‘ ohne Lektüre der Diplomarbeit selbst, sondern allein auf der Basis der Anwendung von Algorithmen digital erstellt wurde.“

Christian Alber behauptet also zunächst, die Uni Innsbruck haben einen Gutachter beigezogen, der keinen Anfangsverdacht festgestellt habe. Mehr noch: Alber wirft den Plagiatsjäger vor, sie hätten seine Diplomarbeit gar nicht gelesen.

Einen Tag später – wohl auf Eingabe seiner rechtskundigen Einflüsterer – schickt Alber eine neue Gegendarstellung. Jetzt heißt es:

„Der rufschädigende Vorwurf, dass meine Diplomarbeit ein Plagiat sei, darf jedoch nicht unwidersprochen bleiben. Am vergangenen Donnerstag bin ich darüber in Kenntnis gesetzt worden, dass das dem Artikel zugrunde liegende ,Plagiatsgutachten‘ des „Teams Stefan Weber‘ und meine Diplomarbeit seitens der Universität geprüft wurden. Ergebnis der eingehenden Vorprüfung war, dass kleinere handwerkliche Mängel (so wie vielfach) bestehen, jedoch an keiner Stelle Eigenleistung vorgetäuscht wurde. 

Spätestens damit aber stellt sich die zentrale Frage: Hat die Uni die Arbeit Christian Albers aus dem fernen Jahr 1994 nun geprüft oder nicht?
Stefan Weber bringt die Widersprüche, in die sich die Protagonisten dieser Plagiatsaffäre verstrickt haben, auf den Punkt:

Vize-Rektor Bernhard Fügenschuh (Foto: Uni IBK)

Laut dem Plagiator leitete Vizerektor Fügenschuh somit ein Verwaltungsverfahren ein, im Zuge dessen ein ,Gutachter bestellt‘ wurde. Mit der Bestellung eines Gutachters durch einen Viz-Rrektor kommt es zu einem Behördenakt und damit zur Einleitung eines Verwaltungsverfahrens. Ich kenne zahlreiche solche Gutachten, die Universität fragt in der Regel immer, ob § 73 und in der Folge § 89 UG angewandt werden soll oder nicht. Oder hat Fügenschuh den Gutachter ,unter der Hand‘ bestellt?“

Aber auch die zweite Version von Christian Alber, laut der „eine Plagiatsprüfung seitens der Universität überflüssig und nicht zielführend ist“, löst bei Stefan Weber Unverständnis aus.

Der Plagiatsjäger:

Daraus folgt, dass es sich um einen externen Gutachter handelte, sonst hätte er sich nicht von einer Prüfung, seitens der Universität‘ abgrenzen können. Damit wurde ein Verwaltungsverfahren eingeleitet.

Dass sein 130 Seiten starkes Gutachten klammheimlich unter den Teppich gekehrt werden soll, will Stefan Weber nicht zulassen. Im Gegenteil.Der Salzburger Plagiatsjäger legt auch deshalb noch einmal ordentlich nach:

Mein Vorwurf lautet: Die Universität Innsbruck betreibt mutmaßlich Hochschulkorruption, zumindest in Person des Vize-Rektors Bernhard Fügenschuh, sehr wahrscheinlich aber auch in Person des Leiters des Zentralen Rechtsdienstes. Und das seit vielen Jahren. Ungesühnt. Vom Steuerzahler mit vielen tausenden Euros finanziert.“

Von Bildungs-Landesrat Philipp Achammer und von Landesschulamtsleiterin Sigrun Falkensteiner ist bekannt, dass sie Christian Alber bereits nach Bekanntwerden seiner ersten Plagiat-Affären loswerden wollte.

Der Mann, der (neben dem Bischof) die schützende Hand über den Religionsinspektor hält, ist Gustav Tschenett. Der Bildungsdirektor behauptet in seiner Gegendarstellung allen Ernstes, dass es sowohl in Italien als auch Österreich bei Gesetzes- oder amtlichen Texten keinerlei Urheberrechte gebe. Demnach sei es völlig „normal“, dass Christian Alber den Großteil seiner Richtlinien für den Ethikunterricht an Südtirols Schulen von deutschen und österreichischen Rechtstexten und Verordnungen abgeschrieben habe, ohne darauf hinzuweisen.

Im Südtiroler Bildungswesen werden SchülerInnen, die abschreiben, vor die Tür gestellt. Aber der dritthöchste Schulbeamte im Land, dessen Diplomarbeit zu fast 70 Prozent ein Plagiat sein soll und der in der Vergangenheit die Broschüre „Muslimische Kinder und Jugendliche in der Schule“, die „10 guten Gründe für den Religionsunterricht”und zuletzt auch die Rahmenrichtlinien für den Ethik-Unterricht großteils abgeschrieben hat, bleibt unantastbar.

Die Frage drängt sich auf: Warum haben die Uni Innsbruck und das Schulamt die Vorwürfe in Bezug auf die Diplomarbeit des Religionsinspektors nicht von einer neutralen Stelle prüfen lassen, um solcherart alle Zweifel aus der Welt zu räumen?

Mit der Strafanzeige wegen des Verdachts des Amtsmissbrauches gegen den Vize-Rektor der Uni Innsbruck erhält der Plagiat-Skandal um den Südtiroler Religionsinspektor nun jedenfalls eine neue Dimension.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (9)

Lesen Sie die Netiquette und die Nutzerbedingungen

Kommentar abgeben

Du musst dich EINLOGGEN um einen Kommentar abzugeben.

2024 ® © Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH/Srl Impressum | Privacy Policy | Netiquette & Nutzerbedingungen | AGB | Privacy-Einstellungen

Nach oben scrollen