Südtiroler Steuersünder
In Südtirol wurden im letzten Jahr 110 Millionen Euro mehr an Steuern hinterzogen als im Trentino: Das zeigen die neuen Daten der Finanzpolizei Trentino-Südtirol. Sind die Südtiroler krimineller?
von Lukas Verdross
Die Finanzpolizei hat viele Aufgabenfelder: Korruption, Geldwäsche, illegale Einwanderung; um nur einige zu nennen. Sicherlich einer der wichtigsten Bereiche ist aber die Steuerkriminalität. Hier schnitt die Provinz Bozen im letzten Jahr im Vergleich zur Provinz Trient besonders schlecht ab: Während die Finanzpolizei in Trient insgesamt 140 Millionen Euro hinterzogene Steuern feststellen konnte, sind es in Bozen ganze 250 Millionen Euro, also fast doppelt so viel. Das geht aus den neuen Daten vor, die gestern, pünktlich zum 250. Jubiläum der Finanzpolizei, veröffentlicht wurden.
128 Millionen Euro wurden in der letzten Hälfte von 2023 und der ersten Hälfe von 2024 an hinterzogenen Einkommenssteuern in Südtirol wiedererlangt. Bei der Mehrwertsteuer konnten die Finanzpolizisten 120 Millionen Euro an Steuerverlusten zurückholen. Im Trentino waren es 127 Millionen Euro aus der Einkommenssteuer und nur 13 Millionen Euro aus der Mehrwertsteuer.
Warum steht Südtirol so schlecht da?
Die großen Unterschiede in den Gesamtsummen der hinterzogenen Steuern gehen vor allem auf den Mehrwertsteuerbetrug zurück. Der Kommandant der Finanzpolizei Giuseppe Dinoi betont dabei: „Die hohe Summe in Südtirol kommt vor allem aus zwei großen Fällen, die wir aufgedeckt haben.“
Hierbei handelte es sich um zwei sogenannte Karussell-Betrugsfälle, einer aus der Baubranche, einer aus dem Schreibwarengeschäft. Dabei nutzen Unternehmen Briefkastenfirmen, die falsche Rechnungen an echte Unternehmen ausstellen. Die benutzen diese Rechnungen dann dafür, ihre Mehrwertsteuerschuld zu verringern und weniger Steuern zu zahlen.
Bei den aufgedeckten Einkommenssteuerfällen kommt der Hauptteil des hinterzogenen Geldes aus dem internationalen Steuerbetrug. Hier waren entweder ausländische Unternehmen, ohne Kenntnis der italienischen Steuerbehörde in Italien tätig und zahlten keine Steuern oder es handelte sich um Unternehmen, die zwar in Italien gemeldet waren, aber einen Pseudo-Hauptsitz im Ausland angaben, um keine Steuern an den italienischen Staat zahlen zu müssen. Insgesamt konnte die Finanzpolizei hier in 22 Operationen 57,8 Millionen Euro sicherstellen.
Bei den Steuerhinterziehern ist das Trentino führend: 116 Trentiner Steuerhinterzieher wurden geschnappt, in Südtirol waren es nur 105. Dafür sind ungefähr doppelt so viele Südtiroler illegale oder irreguläre Arbeitnehmer, ein Fakt, der vor allem auf das Gastgewerbe zurückzuführen sei.
Auch abseits von Steuerbetrügen war die Finanzpolizei im letzten Jahr sehr aktiv. Eines der Hauptaufgabengebiete und wahrscheinlich das heikelste, ist die Kontrolle der öffentlichen Ausgaben. Konkret versucht man potenzielle Verschwendungen oder Verluste von öffentlichen Geldern zu verhindern. Die Angriffspunkte sind vielfältig: Fehlverhalten von Landesangestellten, Erschleichung von Sozialdienstleistungen, unrechtmäßige Vergabe von Konzessionen und Betrug.
Besonders die Mittel, die von der EU im Rahmen des „Nationalen Konjunkturprogramms“ zur Verfügung gestellt wurden, wurden von den Finanzpolizisten genau überwacht. Hier konnten mehr als sieben Millionen Euro an Steuergutschriften festgestellt werden, die an die Unternehmen für fiktive Programme ausbezahlt wurden.
Insgesamt entstanden durch Verschwendung und Verluste von öffentlichen Geldern ein Schaden von 26 Millionen Euro in Südtirol. Das meiste davon im Südtiroler Gesundheitssystem. Hier waren der Kauf von ungeeigneter Schutzausrüstung am Anfang der Pandemie, Anstellungen von Fachärzten ohne Ausschreibungen und eine unrechtmäßige Zuweisung von Projektverantwortung für Arbeiten an einer Gesundheitseinrichtung die größten Kostenverursacher.
Auch wurden 40 Millionen Euro im Rahmen von zwei Ermittlungen über die unrechtmäßige Gewährung öffentlicher Zuschüsse durch das staatliche Unternehmen „Gestore dei Servizi Energetici“ zur Förderung von Fotovoltaikanlagen beschlagnahmt.
Die Ermittlungen gegen die Drogenkriminalität waren in Trentino-Südtirol ebenfalls besonders umfangreich. 121 Südtiroler wurden wegen Drogenhandels angeklagt, wovon 22 festgenommen wurden. Im Rahmen der Ermittlungen konnten insgesamt 32 Kilogramm Drogen in Südtirol beschlagnahmt werden. Bei der Drogenkriminalität ist Südtirol aber deutlich hinter dem Trentino: 199 Trentiner wurden angeklagt, 60 festgenommen und 91 Kilogramm Drogen beschlagnahmt.
Insgesamt kommt die Finanzpolizei damit auf circa 5.000 Operationen, die in der Provinz Bozen im letzten Jahr durchgeführt wurden.
Die Finanzpolizei ist aber nicht nur für Kriminalität zuständig, sondern kümmert sich mithilfe der fünf alpinen Rettungsstationen (Sterzing, Bruneck, Meran, Schlanders und Winnebach) auch um die Sicherheit auf dem Berg. Dabei konnten durch die Finanzpolizei 782 Menschen in Südtirol gerettet werden. Vor allem die Hubschrauber der Luftabteilung Bozen, die mit moderner Auffangtechnik ausgestattet sind und die Drohnen, haben sich als wertvoll erwiesen.
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