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Fußballgroßmacht Österreich?

Die österreichischen Fußballer trumpfen bei der EM auf – und am Dienstag geht es gegen die Türkei.  

Wer hätte das gedacht! Das spielt Österreich in einer Gruppe mit Fußballgroßmächten wie Frankreich und Holland, sowie Polen, das, unter anderem, auf einen der weltweit besten Stürmer des letzten Jahrzehnts – Robert Lewandowski – zählen kann und beendet diese Vorrundengruppe als Erster! Dieses Resultat ist zudem nicht das Produkt glücklicher Zufälle, sondern völlig verdient – aufgrund überzeugender Leistungen.

Wenn man nun den Turnierbaum dieser EM anschaut, dann tut sich ein völlig überraschendes Szenario auf: Österreich spielt am kommenden Dienstag im Achtelfinale gegen die Türkei und hat es, wenn man diese Hürde übersteht, im Viertelfinale mit dem Sieger des Spiels Holland gegen Rumänien zu tun. Die Holländer hat man in diesem Turnier schon einmal mit 3:2 geschlagen. Es besteht also die realistische Chance bis ins Halbfinale vorzustoßen.

Spätestens zu diesem Zeitpunkt wird dann so mancher „Experte“ in Südtirol, wo die Alpenkicker in der Vergangenheit oft mitleidig belächelt wurden, seine Meinung ändern müssen. Denn dieser Erfolg ist kein Zufallsprodukt, sondern vielmehr das Ergebnis einer jahrelangen zielgerichteten, konsequenten Aufbauarbeit. Keine andere Mannschaft hat so viele Spieler eingesetzt wie die Österreicher und dass man nicht nur von der Klasse Einzelner abhängig ist, beweist schon allein die Tatsache, dass man ohnehin seinen größten Star, Real Madrids David Alaba, ersetzen musste.

Als ehemaliger langjähriger Trainer freut es mich besonders, dass die Rolle, die der Trainer bei diesem Erfolg spielt, unbestritten ist. Ralph Rangnick, in Deutschland zeitweise als „Fußballprofessor“ verspottet, hat ein Team geformt, wo jedes Rädchen ineinandergreift. Jeder Spieler weiß um seine Aufgaben und vor allem, jeder ist zu hundert Prozent einsatzwillig. Die Laufbereitschaft dieser Elf ist vorbildlich, die Aggressivität, mit der man versucht dem Gegner den Ball abzujagen, beispielhaft. Das hohe Pressing, das von keiner anderen Mannschaft bei dieser EM so praktiziert wird, haben die meisten Spieler schon seit ihrer Jugend in ihrer DNA. Schließlich sind Rangnicks Ideen die Basis für das Fußballkonzept des Red Bull Konzerns, das in Salzburg und in Leipzig seit einem Jahrzehnt erfolgreich umgesetzt wird. Inzwischen hat man so viele junge Spieler um viel Geld zu den Clubs in der ganzen Welt verkauft, dass dieser Konzern sicher nicht draufgezahlt hat.

Außerdem arbeitet man im Österreichischen Fußballbund (ÖFB) schon seit mehr als zwei Jahrzehnten konsequent in den sogenannten BNZ (Bundesnachwuchszentren), wo mehrere, hauptamtlich vom Verband angestellte, Trainer die Aufgabe haben die jungen Talente weiterzuentwickeln. Solche BNZ gibt es in allen Bundesländern. Nur zum Vergleich: die Trainer, Physiotherapeuten, Betreuer usw. die bei uns im Autonomen Landeskomitee Bozen arbeiten, werden mit einem Spesensatz von 31 Euro täglich entschädigt.

Im Normalfall sagt man, dass die Bedeutung des Trainers bezüglich des Erfolgs oder Misserfolgs einer Mannschaft ca. 10 – 20 % ausmacht. In diesem Fall kann man diese Quote wahrscheinlich noch höher ansetzen. Man braucht nur zu beobachten, wie sich ein Arnautovic beim Pressing auf die Abwehrspieler engagiert, oder zu wem die Spieler nach einem Torerfolg laufen.  Rangnick hat wahrscheinlich auch deshalb das Angebot des FC Bayern München ausgeschlagen, weil er weiß, dass bei den ganz großen Clubs kaum Spieler anzutreffen sind, die bereit sind bedingungslos so an die Grenzen der physischen Belastbarkeit zu gehen. In Italien gibt es hierfür mit Giampiero Gasperini ein analoges Beispiel beim diesjährigen Gewinner der Europa League, nämlich Atalanta Bergamo.

Jetzt gilt es nur zu hoffen, dass den österreichischen Fußballern nicht die schlechte Angewohnheit, wenn es gut läuft zu selbstherrlich zu werden, zum Verhängnis wird. Gegen die Türkei hat man vor kurzem erst haushoch gewonnen und auch der Vorrundensieg gegen Holland könnte in diese Richtung weisen. Aber mit diesem Trainer kann man schon annehmen, dass er auch diese Tendenz in Griff hat, denn das Umfeld von Presse und Adabeis ist diesbezüglich zwischen Wien und Bregenz wirklich sehr gefährlich.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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