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„Ziel verfehlt“

18.000 Euro pro Jahr kostet das Medizinstudium an der Claudiana. Das Land finanziert deshalb 60 Studienplätze. Dieses Jahr gingen jedoch nur 16 davon an Südtiroler. Team-K Politiker Franz Ploner sieht darin eine verfehlte Initiative.

von Christian Frank

Bereits letzte Woche fand das Auswahlverfahren für das Medizinstudium an der Claudiana in Bozen statt. 347 Personen aus insgesamt 49 verschiedenen Ländern fanden sich zur Prüfung ein, 207 davon konnten ein erfolgreiches Aufnahmeergebnis erzielen. Bei 95 davon handelte es sich um Südtiroler. Voll Stolz proklamiert der Gesundheitslandesrat Hubert Messner, dass diese Zahlen bedeuten, dass 75 Prozent der teilnehmenden Südtiroler das Aufnahmeverfahren bestanden haben. Auch den transnationalen Anteil lobt er als eine Bereicherung für das akademische Medizinfeld in Südtirol. Team K-Politiker und selbst Mediziner Franz Ploner kann den Lobeshymnen des Gesundheitslandesrates wenig Begeisterung abgewinnen. An den Zahlen gibt es nichts zu rütteln, doch ein genauerer Blick offenbart ein für Südtirol armseligeres Bild. Ein Medizinstudium in Südtirol bedeutet nicht bloß eine anspruchsvolle akademische Ausbildung, sondern auch einen großen finanziellen Aufwand. Die Studiengebühren belaufen sich nämlich pro Jahr auf 18.000 Euro, diese müssen unabhängig vom Einkommen bezahlt werden. Dementsprechend richtete das Land Südtirol 60 Stipendienplätze ein. Anspruch darauf haben laut Messner Studierende aus der EU sowie Studierende eines Nicht-EU-Mitgliedstaates, welche das Aufenthaltsrecht beziehungsweise das Daueraufenthaltsrecht in Italien erworben haben, sofern beide Kategorien den Zweisprachigkeitsnachweis auf Niveau B2 besitzen und die Verpflichtserklärung unterschreiben. Die Landesförderung ist nicht an das Einkommen oder die Ansässigkeit der Studierenden gebunden.
Das bedeutet kurz gesagt, dass nicht bloß Südtiroler von diesen finanziellen Förderungen Gebrauch machen können. Betrachtet man nun den Anteil der Südtiroler, welche ein solches Stipendium ergattern konnten, ist es schnell um die Lobgesänge geschehen. Lediglich 16 von 60 Förderplätzen fielen an Südtiroler Studenten, das entspricht einer prozentualen Quote von 26,7 Prozent. Die restlichen 44 Personen, denen die jährlichen Kosten von 18.000 Euro erlassen werden, stammen also allesamt aus dem Ausland. Die Kosten muss dennoch das Land Südtirol tragen.
Für Franz Ploner ist dieses Vorgehen unverständlich, vor allem da es nicht den Grundgedanken hinter der Errichtung der Claudiana erfüllt. „Die Claudiana wurde in erster Linie errichtet, um den Bedarf an medizinischem Nachwuchs in Südtirol zu stillen“, so Ploner. Mit einer solchen Vorgehensweise sieht er jedoch den Sinn verfehlt: „Von diesen 16 gesponserten Studenten wird, wie es die Natur im Studium nun mal ist, vermutlich die Hälfte nicht die gesamten fünf Jahre absolvieren. Von den ausländischen Studenten, denen die restlichen 44 Plätze zuteil wurden, wird sicherlich der größte Teil in absehbarer Zeit wieder in ihr Herkunftsland zurückkehren wollen. Was bleibt Südtirol noch am Ende?“
Eine etwaige Vorzugsschiene für Südtiroler ist jedoch keine Option, da diese, Gesundheitslandesrat Messner zufolge, nicht EU-rechtskonform ist. „Die Südtiroler Studierenden konkurrieren mit allen anderen Studierenden. Eine Vorzugsschiene würde gegen das geltende EU-Recht verstoßen“, so Messner.
Ploner hinterfragt anhand dieser Tatsache die gesamte medizinische Einrichtung der Claudiana. „Wenn man das bereits gewusst hat, warum hat man dann überhaupt solche horrenden Summen in die Claudiana gepumpt?“, beanstandet der Team-K-Politiker. Ploner kritisiert dabei nicht bloß die Kosten, wie die letzten Sommer genehmigten 35 Millionen für
den Neubau der Hochschule, sondern auch die üppigen Personalkosten für sowohl Professoren als auch Verwaltung. Dem Landesrat Messner zufolge hat das Land bereits die Geldmittel für die insgesamt 18 Professoren für die nächsten 15 Jahre zweckgebunden. Diese betragen insgesamt für diesen Zeitraum 35.465.960,00 Euro. Für das Verwaltungspersonal gilt derselbe Zeitraum, für diesen belaufen sich die Kosten auf 22.330.980,00 Euro.
Für Ploner ist dies eine fehlgeleitete kostenfressende Initiative. Er schaut ins Nachbarland und wünscht sich eine Vorgehensweise, wie sie unter anderem Nordtirol pflegt.
„Nordtirol hat beispielsweise in Innsbruck zusätzliche Studienplätze gekauft unter der Auflage, dass die dort Studierenden für einen gewissen Zeitraum nach erfolgreichem Studium verpflichtet werden, in Nordtirol zu arbeiten“, erklärt Ploner und sieht darin eine wesentlich ökonomischere und nachhaltigere Strategie, „Warum investieren wir nicht in Studienplätze an bereits renommierten Universitäten, anstatt diesen riesigen Apparat bei uns zu finanzieren?“
Interessanterweise gleicht sich der Prozentsatz der an österreichischen Medizinuniversitäten angenommenen Südtiroler mit dem derer, die ein Stipendium an der Claudiana erlangen konnten. An österreichischen Universitäten bewarben sich 252 Südtiroler, von welchen 67, also 26,6 Prozent, angenommen wurden. Dort herrscht jedoch der feine Unterschied, dass das Studium die Studierenden nicht mehr kostet als einen Studienbeitrag von rund 30 Euro pro Semester. Ploner zeigt sich unverständlich für die Gangart der Landesregierung und attestiert für die Bestrebung, den medizinischen Nachwuchs in Südtirol zu fördern: „Ziel verfehlt.“

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (5)

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  • steve

    In dieser Sache muss man Ploner uneingeschränkt Recht geben.
    Die Medizinuni in Bozen ist absoluter Größenwahn mit der man den Römern Geld ohne Ende zuschiebt.
    Die Arbeit bleibt beim sonst schon überlasteten Sanitätsbetrieb hängen.

    Verantwortlich für diese Entscheidung ist wiedermal ein gewisser Herr Thomas Widmann!

  • svea

    Abgesehen, dass die gesamte Aktion mit sehr vielen Unbekannten behaftet ist und man den „Erfolg“ sowieso erst nach einem längeren Zeitraum eruieren kann, frage ich mich, woher für derlei Vorhaben die Geldmittel kommen. Gesamte Berufsgruppen werden jahrelang vertröstet wenn es um Lohnerhöhungen und Inflationsausgleich geht, mit dem Hinweis, dass die erforderlichen Geldmittel nicht vorhanden sind. Wenn man erreichen will, dass bestimmte Berufe auch in Zukunft attraktiv sein sollen, dann sollte man zuallererst darauf schauen das bestehende Personal zu halten.
    Angemessene Löhne und gute Arbeitsbedingungen sind der beste Garant dafür, dass man nicht auf einen Personalnotstand hinsteuert.
    Die Berufswahl junger Menschen wird wesentlich dadurch beeinflusst, welche Beobachtungen sie in ihren sozialen Umfeld machen und welche Voraussetzungen sie vom Bildungssystem mitbekommen haben.
    Als Studienort bevorzugen viele eine Universität fern von Daheim, da es auch darum geht, neue Erfahrungen zu machen, den Horizont zu erweitern u.A.m.. Das war auch schon früher der Fall, umso mehr nimmt das eine Generation in Anspruch, die viele Grenzen gar nicht mehr kennt. Diese Generation wird auch nur dann nach Südtirol zurückkehren, wenn die Lebensbedingungen für sie passen. Wenn es der Politik gelingt jene Probleme zu lösen, die große Teile der Bevölkerung belasten, dann bleibt Südtirol auch für viele Studierende die Heimat nach der man sich zurücksehnt. Dazu gehört meiner Ansicht nicht die Notwendigkeit ein Medizinstudium anzubieten, solange es in den angrenzenden Regionen renommierte Universitätskliniken gibt, die diese Aufgabe seit Jahrzehnten sehr gut erfüllen.

  • unglaublich

    In Südtirol gibt es Geld genug, aber nur für bestimmte Gruppen.
    Die Idee mit der Medizinuni in Bozen ist Geldverschwendung, wie so viele andere Genialitäten.
    Lohnanpassungen (bei den Führungskräften hat man ja schon wieder angepasst) sind mehr als überfällig.

    • meintag

      Mit den Lohnanpassungen für die höheren Funktionäre kennt sich der neue Sabes Direktor aus. Er war vor Jahren noch selbst bei den Vertragsverhandlungen dabei. Im Jetzt wird sich Herr Kofler schlecht mehr erinnern.

  • nobodyistperfect

    OMG wann wird man endlich einsehen, dass solche Vorhaben für die Katz sind, aber man wird uns auch dies als Erfolg verkaufen, die Presse wird ihres dazu beitragen.

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