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„Studie der Studie wegen?“

Foto: Südtiroler Gasthaus/A. Marini

Ein Gastkommentar von Küchenmeister Reinhard Steger zum Vorwurf einer Eurac-Studie, Südtirols Köche würden zu wenig aus dem eigenen Land auf die Speisekarte bringen.

Für das Ausland ist die Entwicklung der Südtiroler Küche und ihrer Protagonisten ein Vorzeigemodell für Identität und  Terroir-Bezug im Netzwerk von Tourismus und Landwirtschaft. Und in Südtirol selbst, sind wir und die Südtiroler  Gastronomie die „Prügelknaben“ der Eurac, der Öffentlichkeit und der Presse. Kurz vor dem Hochsommer, muss noch  schnell eine Studie mit wenig Inhalt und konkreten Lösungsansätzen veröffentlicht werden. Wahrscheinlich, um die  monatelangen Arbeiten an theoretischen Studien zu rechtfertigen. Und wenn dann das Resümee der Forscher darauf  hinausläuft, dass man „die Schwierigkeiten erst besser verstehen muss!“ bzw. dass „die Küchenchefs an einer  Umstellung der Menüs nicht mitarbeiten“, dann ist das einfach zu kurz gegriffen. Noch dazu, wenn im NEST-Forschungsprojekt die Köchinnen und Köche als Akteure nicht aufscheinen.

Prozesse und Entwicklungen müssen wachsen. Und so muss erwähnt werden, dass es bis ins Jahr 2000 praktisch (bis  auf wenige Ausnahmen) keine eigene Literatur über die Südtiroler Küche gab. Darauf aufbauend, wurde durch  intensivste Bemühungen durch Ausbildung, Schulungen, Weiterbildung und großer Begeisterung das Erfolgsprojekt  einer eigenen Südtiroler Küche aufgebaut. Und es ist unbestritten, dass die Südtiroler Küche und ihre Protagonisten, die Treiberfunktion für das Genussland Südtirol auslöste. Und darauf aufbauend, wurde eine ganz eigene Identität,  eine tiefe Begeisterung für das Kochen und die eigenen Produkte, eine Kreativ- und Innovationskraft entwickelt, ja  eine Entwicklung vorangetrieben, die im gesamten internationalen Ausland Vorbildcharakter genießt.

Wenn aber jetzt im Jahre 2024 Forscher der Eurac „erst verstehen müssen“ und wenn Forscher in den Raum stellen,  dass „Küchenchefs an der Umstellung der Menüs sinngemäß nicht mitarbeiten“, dann fehlt hier ganz einfach der  Praxisbezug und die Tiefe in den Studien und den Erfahrungen, selbst. Ja, man gewinnt den Eindruck, dass man nach  monatelangen theoretischen Studien, noch eine schnelle Lösung vor den Sommerferien präsentieren wollte. Zudem widerspricht die Vorgehensweise gänzlich den Zielen der NEST-Plattform von Eurac Reserarch und IDM. Diese  lautet wortwörtlich: „Es geht insbesondere darum, die Zusammenarbeit zwischen sämtlichen Praktizierenden aus  Landwirtschaft, Verarbeitung, Logistik und Gastronomie zu unterstützen, um gemeinsam umsetzbare Lösungen und  Möglichkeiten für eine nachhaltigere Ernährung zu entwickeln. Transparenz, Partizipation, Teilhabe und Begeisterung  für Nachhaltigkeit sollen Hindernisse, Vorurteile und Skepsis überwinden helfen“.

Wenn dann noch dazu die Medien über diesen so scheinbar einfachen Lösungsansatz in aller Breite berichten, dann  muss hier eine fundierte zweite Meinung, Raum finden. Denn die Vorgehensweise kommt einem unqualifizierten  Frontalangriff gegen die Südtiroler Köchinnen und Köche, die Südtiroler Gastronomen gleich. Wir alle werden  zu Prügelknaben der „Südtiroler Öffentlichkeit“ gemacht. Im internationalen Ausland sind Südtiroler Köchinnen und  Köche hoch gefragt und für die Interpretation der eigenen Südtiroler Produkte in den Menüs und Speisekarten ein  Vorzeigemodell für Entwicklungsmöglichkeiten. Und vor Ort werden wir zu „Arbeitsverweigerern, ja zu  Prügelknaben“ der Öffentlichkeit. Wertschätzung sieht wahrlich anders aus. Vor diesem Hintergrund muss die Frage  erlaubt sein, ob es für junge Menschen, für Lehrlinge noch Sinn macht, den Kochberuf zu ergreifen? Um dabei  Menschen, Südtiroler und Gäste offenbar „unglücklich“ zu machen!

Am Ende erwähnenswert ist, dass es immer Optimierungs- und Verbesserungspotential gibt. Monatelange  theoretische Studien müssen aber tiefergehende Auseinandersetzungen und konkrete Lösungsansätze aufzeigen. Pauschale Schuldzuweisungen und mangelnde Kenntnis der Sachlage als Ergebnis, sind ganz einfach zu wenig!

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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