Du befindest dich hier: Home » News » „Sind nicht am Bau“

„Sind nicht am Bau“


Reden im Dialekt, ständige Unterbrechungen, obszöne Entgleisungen: Noch nie mussten so viele Abgeordnete zur Ordnung gerufen werden. Wie Präsident Arnold Schuler Anstand und Würde ins Hohe Haus zurückbringen will.

von Matthias Kofler

Hannes Rabensteiner ist zwar erst seit einem halben Jahr Mitglied des Landtags – doch seit seinem famosen Auftritt bei der WoBi-Debatte („Ulli, wos retschen?“) kennt fast jeder in Südtirol den STF-Mann aus Villanders. Rabensteiner gehört zu jener Gilde von Neo-Mandataren, die sich nicht groß um die Spielregeln im Landesparlament scheren – sondern einfach so reden, „wia mr dr Schnobl gwochsn isch“.

Für Präsident Arnold Schuler, der für Ruhe und Ordnung im Landtag verantwortlich ist, werden ungezügelte Auftritte wie jene von Hannes Rabensteiner zunehmend zum Problem. Seit Beginn der jungen Legislaturperiode ist die Zahl der Ordnungsrufe stark angestiegen. Allein in den ersten sechs Monaten gab es mehr Ermahnungen durch den Präsidenten als in der gesamten vorangegangenen Legislaturperiode. Einige Abgeordnete hielten sich nicht an die Redezeiten, sondern plapperten dazwischen, auch wenn sie nicht das Wort hatten. Oder sie machten mit obszönen Entgleisungen („Wiener Steinbruchrede“) und Relativierungen von Diktaturen („Schlimmer als Stalin“) im und außerhalb des Landtags auf sich aufmerksam.

Wie geht der Landtag mit solchen Provokateuren am besten um? „Beim Blick ins Ausland stellt man fest, dass auch die Präsidenten anderer Parlamente alle Hände voll zu tun haben“, sagt Arnold Schuler, der bei seinem Amtsantritt wusste, was auf ihn zukommt. Der SVP-Politiker hat in den ersten Monaten dieser Legislaturperiode vermehrt das Gespräch mit den Störenfrieden gesucht und sowohl deren Fraktionen als auch den einzelnen Abgeordneten ins Gewissen geredet. Der Erfolg dieser Strategie hält sich bisher in Grenzen. Eine große Herausforderung stellt insbesondere die Nutzung sozialer Medien – vor und nach der Plenardebatte – dar. Der Landtag wird als Kulisse für parteipolitische Aktivitäten, Provokationen oder PR-Kampagnen missbraucht. Ordnungsrufe werden häufig als Trophäen inszeniert, die JWA und Co. nach der Sitzung stolz ins Netz stellen. Die unmissverständliche Botschaft an ihre Follower: Seht her, wir lassen uns von „denen da oben“ nicht den Mund verbieten!

Wie Schuler berichtet, gibt es unterschiedliche Auffassungen darüber, wie sich ein Abgeordneter entsprechend dem Bild eines Würdenträgers zu verhalten hat. Während einige Fraktionen wie die SVP, das Team K und die Grünen den Präsidenten auffordern, schneller und entschiedener einzugreifen, um Eskapaden im Keim zu ersticken, sehen es die neuen Mitglieder umgekehrt: Sie finden es ungut, vom Präsidenten ständig in ihren Reden – und damit im Redefluss – unterbrochen zu werden. Die Grenze sei hier „fließend“, stellt Schuler fest, die „Kunst“ des Sitzungsleiters bestehe darin, einen Weg zu finden, die demonstrative Missachtung der Verhaltensregeln einzudämmen und das Ansehen und die Würde des Hohen Hauses wiederherzustellen.

Der Deutsche Bundestag berät darüber, die Geschäftsordnung „nachzuschärfen“, um wirksamere Sanktionen zu bekommen. Nach dem Prinzip „gelbe Karte, rote Karte“ soll jeder, der innerhalb kurzer Zeit zwei Verwarnungen erhalten hat, beim dritten Vergehen automatisch ein Bußgeld von mindestens 2.000 Euro bezahlen.

Das Credo: Wenn es den Volksvertretern erst einmal ans Portemonnaie geht, werden sie auf Selbstdisziplin achten.

Schuler ist da skeptischer: Es sei nicht möglich, die richtige Ausdrucksweise und das richtige Verhalten im Detail zu definieren. Viel effektiver wäre es, den Abgeordneten bestimmte Grundprinzipien der Etikette, die im Landtag unverzichtbar sind, bewusst zu machen und diese dann konsequent einzufordern.

Eine Gratwanderung. Schließlich ist der Landtag jener Ort, an dem frei gewählte Abgeordnete debattieren und Beschlüsse fassen. Sie haben ein freies Mandat und sind generell nicht an Aufträge und Weisungen gebunden. Ihre Würde und ihr Ansehen werden nicht zuletzt dadurch bestimmt, wie sie von den BürgerInnen wahrgenommen werden. Die Empörung über Mandatare, die während der Sitzungen lieber in der Bar sitzen, Interviews geben oder telefonieren sowie mangelnde Debattenkultur und beleidigende Äußerungen sind mittlerweile an der Tagesordnung. „Noch nie wurde so sehr auf jedes Wort des Abgeordneten geachtet, um zu schauen, ob es irgendwelche Entgleisungen gibt“, berichtet Schuler.

Es ist die Aufgabe des Präsidiums, im Rahmen der Geschäftsordnung für Ordnung zu sorgen. Schuler will mit den Neo-Mandataren Einzelgespräche führen und bestimmte Umgangsformen und Ausdrucksweisen in Erinnerung rufen. „Wir heißen Hohen Haus – und deshalb muss von den Abgeordneten ein gewisses Niveau vorausgesetzt werden“, ist der ehemalige Landesrat überzeugt. Dazu gehöre, auf die Wortwahl zu achten, sich mit Sie und nicht mit Du anzusprechen und die Kollegen ausreden zu lassen. Eine generelle Verpflichtung, in Standarddeutsch zu sprechen, gebe es im Landtag nicht, zumal das Südtiroler Hochdeutsch „nicht so typisch“ sei. Ein Volksvertreter müsse sich aber so ausdrücken, dass alle – von den Kollegen über die Dolmetscher bis hin zu den BürgerInnen im Livestream – der Rede folgen und sie verstehen können. „Wir sind hier nämlich nicht auf einer Baustelle“, widerspricht Schuler dem Villanderer Hannes Rabensteiner.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (41)

Lesen Sie die Netiquette und die Nutzerbedingungen

  • opa1950

    Es ist nur eine Sache der Bildung.Und die heißt im Moment Null.Dazu gehört leider auch Schuler.

  • andreas

    Die „wird man wohl nach sagen dürfen“ Fraktion, ist halt so.
    Und durch Trump, wo Lügen legitim wurden bzw. sie als alternative Fakten definiert wurden und Corona, sieht sich die Fraktion in der Opferrolle.
    Sie als ungebildet und dumm abzutun, wird der Sache eigentlich nicht gerecht, würde eher sagen komplett bescheuert.

  • brutus

    …die ‚“Schläger“ in der Kammer in Rom machen’s doch vor!

  • gulli

    Nennt euren Selbstbedienungsladen bitte nicht Hohes Haus.

  • ummagumma

    Wenn es um Anstand und Würde geht, fallen mir doch gleich das Sumperle, Hermelinchen, Hera und Anderle ein.

    • morgenstern

      @ummagumma
      …, die sitzen aber nicht im „Hohen Haus“ und darum geht es hier.

      • ummagumma

        Logisch gehören sie indirekt dazu!

        • heracleummantegazziani

          Nein weder direkt noch indirekt. Abgesehen von der Tatsache, dass jeder von uns selbst im Schlaf mehr Anstand, Benehmen und Würde hat, als Sie und die anderen geistigen Nichtschwimmer.
          Bei der Sprache ist es halt so, dass man sich an das erschreckend niedrige Niveau der verschiedenen Bildungsverlierer hier anpassen muss, weil sonst die Botschaft nicht ankommt.

          • kongo

            Hera, wenn ein so hochgebildeter Mensch, wie du glaubst zu sein, sich auf einem Niveau von Bildungsverliern herunter lässt, bist du wohl eher noch eine Stufe tiefer.Ein wirklich Hochgebildeter würde nicht mal im Traum daran denken hier nur einen Buchstaben zu schreiben.Aber wie man sieht gibt es hier jede Menge hochstudierte Doppelnullen.Also von Anstand, Benehmen und Würde keine Spur, sozusagen ein geistiger Nichtschwimmer.

  • asd

    Vielleicht wäre so mancher, der momentan am Bau arbeitet geeigneter als einige von den feinen Herren, welche uns zurück in die 60er führen möchten, wo nicht wenige Südtiroler in der Schweiz ihr Geld verdienen mussten.

  • robby

    Dass sich ausgerechnet der Herr Schuler über Wortwahl und Sprache aufregt wo doch jeder der ihn kennt weiß dass er als Vinschger keinen korrekten Satz in deutscher Sprache hervorbringt ist irgendwie lustig.

  • dn

    Es bräuchte eine Prüfung der Kandidaten über grundlegende Benimmregeln, ein Grundwissen über Demokratie und Kenntnisse beider Hochsprachen in Wort und Schrift. Das lässt sich lernen.

  • gulli

    „Wir sind hier nämlich nicht auf einer Baustelle“…
    Sehr geehrter Herr Schuler, sind Arbeiter am Bau minderwertiger als die Damen und Herren Volksvertreter?

    • opa1950

      Auf die Bildung von Schuler kann man ruhig verzichten.Der Vinschger Bauer hat auch nicht zuviel davon.

    • meraner

      @gulli, ich bin mit Sicherheit kein Freund von Schuler, aber mit diesen Satz hat er recht. Und das hat gar nichts mit der Wertigkeit der Arbeiter am Bau zu tun. Im Gegenteil, denn ich traue jedem Arbeiter auf der Baustelle zu dass er sich den Umständen angemessen benehmen, kleiden und unterhalten kann. Es ist nun mal ein Unterschied ob man sich gerade auf der Baustelle, in einem Büro, in einem Restaurant oder z.B auf einer Hochzeitsfeier befindet. Wenn das aber die hochdotierten Landtagsabgeordneten nicht auf die Reihe kriegen ist das mindestens kritikwürdig.

  • azrael

    Am Bau vielleicht nicht, aber in der Früh noch im Stall, danach den Toni (gesponsort von Beikircher Grünland) mit einer Krawatte tauschen (gesponsort vom Steuerzahler) und denken man wäre nun schlauer als in der Früh als man noch die Rindviecher gemolken hat! Das funktioniert halt auch nicht.

  • sabine

    Ich frage mich, wer leute wie einen rabensteiner gewählt hat…..

    • rumer

      Ich frage mich, welche Leute die Grünen wählen können…

      • summer1

        Rumerle
        Man kann die Grünen mögen oder auch nicht, aber sprachlich und anstandsmäßig kommunizieren sie über 100mal besser als ein Rabensteiner. Das hat nichts mehr mit dem Reden, wie der Schnabel gewachsen ist, zu tun.
        Denn selbst im Dialekt kommunizieren 80% der Südtiroler auf einem weit höheren Sprachniveau als Rabensteiner.

        • rumer

          @sumperle
          die Kommunikation ist eine Sache…..die im Gegensatz zum Inhalt des Redens wenig Wert hat. Mir ist ein Rabensteiner lieber als eine gendernde Grünengöre ohne Ausbildung und Arbeitserfahrung.

          • heracleummantegazziani

            Glaubt man gerne, es ist ja auch Ihr eigenes Niveau. Bei Ihnen ist es noch schlimmer im Prinzip, Sie können nicht einmal die mangelnde schulische Ausbildung als Entschuldigung ins Feld führen.

          • summer1

            Rumerle
            Da ist es aber mit der Ausbildung bei den 4 Landtagsabgeordneten der STF aber gar nicht besser:
            Dreijährige Handelsschule
            Zimmerergeselle
            Taxifahrer
            Maturant mit abgebrochenem Studium
            Soll das also die Bewertungsgrundlage sein?
            Umd von Göre spreche ich nicht mal, den dein Sprachniveau und jenes Rabensteiners werde ich nicht unterschreiten!

      • jorge

        Sie polemischer Mensch, was hat das mit den Grünen zu tun? Wenn du mit denen ein Problem hast, dann löse es mit dir selbst und lass die anderen in Ruhe. Du kannst wohl nicht ohne Seitenhieb auf die Grünen existieren. Du produzierst dir diesen Verfolgungswahn aber bei dir selber und nicht die „Grünenwähler“.

  • sellwoll

    Wie Rabensteiner die Frau Rieder herablassend als Riederin bezeichnet hat. Sowas hab ich noch nicht erlebt. Zum schämen der Typ.

  • ich

    Einfach ein halber Neandertaler

  • opa1950

    Arme,Arme Südtiroler Volkspartei, ihr sollt euch bis in den Boden schämen.

  • bettina75

    Das stimmt, am Bau kann man nämlich die Arbeit sehr wohl sehen die tagtäglich geleistet wird.
    Im hohem Haus ist dies nicht möglich, dies sollte den Damen und Herren, die mit Steuergeldern vergoldete Diäten beziehen, zu denken geben.

Kommentar abgeben

Du musst dich EINLOGGEN um einen Kommentar abzugeben.

2024 ® © Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH/Srl Impressum | Privacy Policy | Netiquette & Nutzerbedingungen | AGB | Privacy-Einstellungen

Nach oben scrollen