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Der Auszug

Foto: lpa/Pixabay

Seit September okkupierte eine fünfköpfige Familie in Sinich rechtswidrig eine Sozialwohnung des Wohnbauinstituts. Nach monatelangem Tauziehen sind die Hausbesetzer jetzt ausgezogen.

von Karin Gamper

Es ist ein Fall, den Südtirol in dieser Form bislang nicht kannte.

Im September 2023 drang eine mehrköpfige Familie – Vater, schwangere Mutter, zwei Kleinkinder plus Großvater – illegal in eine WoBi-Wohnung in Sinich ein. Diese stand zu jener Zeit wegen laufender Sanierungsarbeiten leer. Die Familie tauschte kurzerhand das Türschloss aus und weigerte sich wieder auszuziehen.

Die illegalen Hausbesetzer richteten ihre neue Unterkunft mit Möbeln ein und bekamen offenbar trotz fehlender Papiere einen Stromvertrag. Miete wurde keine bezahlt. Mehrere Räumungsversuche seitens des WoBi scheiterten daran, dass für die mittlerweile drei Kleinkinder keine geeignete Unterkunft gefunden werden konnte. Auch beim letzten Versuch Mitte Mai mussten Schlüsseldienst, WoBi-Funktionäre und ein Dutzend vorsorglich erschienener Polizisten wieder unverrichteter Dinge abziehen.

Die Forderung des WoBi, der Familie eine Sozialwohnung der Gemeinde als Alternative zur Verfügung zu stellen, lehnte Bürgermeister Dario Dal Medico dezidiert ab. Dies sei das falsche Signal gegenüber den Hausbesetzern. Die Sozialdienste würden sich um eine Bleibe für die Kinder und die Mutter kümmern, der Vater sei für sich selbst verantwortlich.

Eine verworrene Situation, in der sich immer mehr der Eindruck breit machte, dass den Behörden die Hände gebunden sind.

Doch vor wenigen Tagen hat sich das Blatt überraschend gewendet.

Die Familie hat die Sozialwohnung in Sinich aus freien Stücken verlassen. Die Möbelstücke wurden aufgeladen und abtransportiert. Wie es heißt, hat die Familie offenbar eine andere Unterkunft auf dem privaten Mietmarkt gefunden.

„Die Wohnung ist leergeräumt und das WoBi hat das Türschloss bereits ausgetauscht“, bestätigte Wohnbaulandesrätin Ulli Mair gestern. Das WoBi besitze somit wieder die Verfügungsgewalt über die Sozialwohnung. Sie wird nun fertig saniert und anschließend einem Mieter übergeben, der laut WoBi-Rangordnung Anspruch darauf hat.

Ulli Mair widerspricht dem Eindruck, dass den Behörden in solchen krassen Fällen die Hände gebunden sind. „Die Familie hätte die Wohnung in jedem Fall verlassen müssen, das nächste Räumungsdatum in wenigen Wochen stand bereits fest“, unterstreicht die Landesrätin. Es sei nämlich eine Unterkunft für die Kinder gefunden worden.

Dass es diese nun nicht mehr braucht, weil die Familie eigenständig eine Bleibe gefunden hat, sei positiv.

Fürchtet die Landesrätin Nachahmer? Ulli Mair: „Das kann ich nicht ausschließen, aber auch in Zukunft gilt für solche Fälle Null Toleranz“.

Ulli Mair bedankt sich bei den Mitarbeitern des WoBi: „Sie haben äußerst ungute Situationen erlebt und ich freue mich mit ihnen, dass dieses Problem obsolet wurde“.

Sinich war die erste rechtswidrige Besetzung einer Sozialwohnung in Südtirol. „Ich weiß allerdings, dass es mehrere illegale Besetzungen von Privatwohnungen gibt“, betont Mair.

Ein Phänomen, das staatsweit gehäuft vorkommt. „Deshalb ist auch die Regierung Meloni aktiv geworden“, weiß die Landesrätin. Ein neues Gesetz, das schnellere und unbürokratische Räumungen ermöglicht, sei auf dem Weg. „Hier liegen die Zuständigkeiten nämlich beim Staat“, so Mair.

Auf Landesebene hingegen sollen Maßnahmen zum Vermieterschutz ergriffen werden. „Darauf haben wir Freiheitliche im Koalitionsabkommen Wert gelegt“, so Mair. Wohnungen würden häufig aus Furcht vor Schäden und Mietausfällen nicht vermietet. „Wir dürfen die Eigentümer leerer Wohnungen deshalb nicht nur mit der GIS bestrafen, sondern wir müssen auch Anreize schaffen, damit diese Wohnungen auf den Mietmarkt kommen, beispielsweise indem gemeinnützige Organisationen mit Unterstützung des Landes als Garanten auftreten“, so die Landesrätin.

Zurück zum Fall Sinich, der für die Hausbesetzer – allesamt italienische Staatsbürger – abseits der bereits laufenden Anzeige nicht ohne Folgen bleibt. Das WoBi wird die ausstehende Miete in Höhe von ca. 12.000 Euro einfordern bzw. einklagen. Zudem hat die Familie laut neuem Landesgesetz für die nächsten fünf Jahre keinen Anspruch auf eine Sozialwohnung.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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