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Der Leifers-Effekt

Giovanni Seppi und Herbert Dorfmann

Nach der historischen Bürgermeister-Wahl in Leifers sieht die SVP die Chance, sich aus der rechten Umklammerung zu lösen und wieder die opportunistische Strategie der Blockfreiheit zu fahren.

von Matthias Kofler

Rosmarie Pamer kann sich ein Lachen nicht verkneifen: „Ich freue mich wirklich sehr über den Sieg in Leifers“, verrät die Vize-Landeshauptfrau nach der Sitzung der Landesregierung und verweist auf das Erfolgsmodell des Neo-Bürgermeisters Giovanni Seppi: In den Gemeinden werde immer personenbezogen und nach Leistung gewählt – und Seppi habe das sehr gut gemacht. Daniel Alfreider, der ebenfalls vor Freude strahlt, pflichtet seiner Kollegin vollinhaltlich bei: „Eine demokratische und sprachgruppenübergreifende Wahl ist das Normalste der Welt“, findet der LH-Stellvertreter.

Nach unzähligen Skandalen, Eifersüchteleien und Querelen und den damit verbundenen Wahlniederlagen kann die SVP endlich wieder ein wenig feiern: Neben dem historischen Erfolg des „deutschen“ Bürgermeisters in Leifers hat auch Herbert Dorfmann den Wiedereinzug ins Europäische Parlament geschafft. Keine Selbstverständlichkeit in Zeiten wie diesen, in denen die Regierungsparteien europaweit abgestraft werden.

Obmann Dieter Steger erhofft sich vom Wahlsonntag eine „Trendumkehr“ für seine Partei. Die SVP ist entschlossen, ihren Erfolg bei den Gemeindewahlen im Mai nächsten Jahres und dann bei den Landtags- (und Landeshauptmann-)Wahlen im Jahr 2028 zu wiederholen. Der „Leifers-Effekt“ soll den Rechten zeigen, dass es fürs Edelweiß auch noch andere Macht-Optionen gibt und man sich – trotz der Koalition auf Landesebene – nicht Fratelli d’Italia, Lega und Co. auf Gedeih und Verderb ausgeliefert hat.

In der Brennerstraße spricht man von einer „ganz bedeutenden Niederlage für die Lega und Christian Bianchi“. Der „Carroccio“ sei nicht nur bei den Europawahlen abgestraft worden, weil er staatsweit nicht mehr en vogue sei, sondern er habe von den WählerInnen in Leifers auch einen Denkzettel für sein „katastrophales Verhalten vor Ort“ erhalten. Man erinnert in dem Zusammenhang an den Rauswurf des Ex-Landesrats Massimo Bessone, die unverhohlenen Drohungen des damaligen Kommissars Maurizio Bosatra während der Koalitionsverhandlungen in Richtung des Landeshauptmanns („Entweder zwei Landesräte oder wir lassen die Mehrheit platzen“) und die minderheitenfeindliche Entgleisung des Neo-Landesrats Christian Bianchi nach dem ersten Wahlgang in Leifers. Bianchis „Warnung“ vor einem deutschen Bürgermeister wird in der SVP als Bumerang gewertet, der einen „Jetzt-erst-recht“-Effekt bei den Leiferern auslöste und die Seppi-Anhänger an die Urne rief. Die Aussage, dass gewisse Gemeinden den Italienern gehören sollten, sei „sehr arrogant“ gewesen. „Bianchi, der Claudia Furlani vorgeschoben hat, um Schattenbürgermeister zu bleiben, hat sich wirklich in die Nesseln gesetzt, hat ordentlich auf den Deckel bekommen“, sagt ein schadenfroher SVP-Landtagsabgeordneter.

Doch nicht nur der Koalitionspartner Lega hat sich in den letzten Wochen zusehends vom Edelweiß entfremdet. Auch die Fratelli d’Italia haben einen Auftritt hingelegt, der jenen in der SVP Recht gibt, die von Anfang an ihre Schwierigkeiten mit dem Rechtsruck auf Landesebene zum Ausdruck gebracht haben. Alessandro Urzì, immerhin Präsident der Sechser-Kommission, ließ sich sogar dazu hinreißen, den Wahlausgang in Leifers zum „schlimmsten Kapitel der Lokalpolitik“ zu erklären. Das war selbst für Vize-LH Marco Galateo zu viel: Nachdem er Urzì gestern hinter den Kulissen zurechtgewiesen hatte, zeigte sich dieser wieder freundlicher und gratulierte Seppi artig zu seinem Erfolg. „Urzìs Aussagen gegen den SVP-Bürgermeister sind bedenklich und traurig, gerade weil sie von einem Koalitionspartner kommen“, kommentiert Philipp Achammer. Das zeige, dass es manchen nur um Ideologie und Parteipolitik gehe – und nicht darum, tatsächlich für die Menschen zu arbeiten. „Dabei ist es etwas Positives, wenn ein Deutschsprachiger, der aus einer zweisprachigen Familie kommt, in einer Stadt, wo die Deutschsprachigen in der Minderheit sind, die Sprachgruppen zusammenführt“, urteilt der Landesrat und Ex-Obmann.

Viele in der Brennerstraße sehen das Wahlergebnis in Leifers als Beweis dafür, dass es den italienischen Parteien in Südtirol einfach an kompetentem Personal fehlt, das pragmatisch und konkret für die Menschen arbeitet. Viele SüdtirolerInnen italienischer Zunge würden sich daher angewidert von der Politik der nationalen Parteien abwenden und bei den Wahlen entweder zu Hause bleiben oder ihr Kreuzchen bei der SVP machen.

Sollte Seppi mit seinem Plan, weder eine linke noch rechte, sondern eine parteiübergreifende Mehrheit zu schaffen, Erfolg haben, wäre dies ganz im Sinne der Parteiführung und des Landeshauptmanns. Denn es würde der Bevölkerung zeigen, dass die SVP tatsächlich eine blockfreie Partei der Mitte ist, die je nach Situation ihre Partner auswählt. Es gab nicht nur Straßenproteste gegen die Regierungsbildung, sondern auch viel innerparteiliche Kritik am Kurs der SVP, die sich zu sehr von der Rechten vereinnahmen ließ. Das Wahlabkommen mit Forza Italia auf EU-Ebene, für das sich Dorfmann explizit bei Ex-Obmann Achammer bedankte, stieß ebenfalls in der Partei nicht nur auf Zustimmung. Nach außen hin demonstriert die SVP Geschlossenheit. Doch hinter vorgehaltener Hand sagen manche, es gefalle ihnen nicht, dass die SVP zum zweiten Mal mit einer Mitte-Rechts-Kraft ein einigermaßen positives Ergebnis erzielt hat. Der rechte Flügel unterm Edelweiß nimmt den Wahlausgang hingegen als Beweis, dass es in Südtirol so gut wie niemanden mehr stört, wenn die SVP mit Mitte-Rechts regiert.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (6)

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  • andreas

    Jetzt war ich ganz überrascht, als ich nach dem Lesen den Verfasser des Artikels gelesen habe, der Artikel ist ja mal einigermaßen chronologisch angeordnet und man muss nicht 5x nachlesen, was er eigentlich aussagen möchte.

    Steger ist eine komplette Fehlbesetzung, die Ergebnisse wurden nicht wegen, sondern trotz Steger erzielt.
    Die italienischen Parteien sind seit Jahrzehnten untereinander zerstritten, was man an der Anzahl im Gemeinderat Bozen sieht und eigentlich gewinnt bei den Wahlen immer die Partei, welche gerade national vorne ist, unabhängig des Südtiroler Personals.

    Bianchi kann man nicht ernst nehmen, tut offensichtlich auch fast keiner und Urzi ist wie er ist, redet halt viel, wenn der Tag lang ist.

    • leser

      anderle
      danke danke
      ohne dich wüsste weder
      parteien zeitungen politiker und letztendlich die schafe was los ist
      ich will ein kind von dir

      • besserwisser

        ja ab und zu hat der @alleswisser nicht ganz unrecht. dass leifers eine eigene konstellation ist und der neue bm für leifers glücksfall aber zugleich auch einzelfall ist, das ist ein fakt. dass er obmann auf den siegerzug aufspringt ist auch normal und sei ihm gegönnt.
        angesichts der alternativen für moderat denkende menschen war die auswahl auch überschaubar, muss man auch sagen …

  • brutus

    …“rechte Umklammerung“?????
    …wohl eher eine“rechte Umarmung“!!! von Seiten der SVP

  • opa1950

    Alle strahlen vor Freude,fragt sich nur wie lange?

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