Prügelnde Onorevoli
In der Abgeordnetenkammer wurde ein Grillino von einem Lega-Vertreter krankenhausreif geschlagen. Wie Renate Gebhard die Wildwest-Szenen erlebt hat – und warum sie auch den Linken eine Mitschuld gibt.
von Matthias Kofler
Wildwestszenen im Palazzo Montecitorio: Die Debatte über die sogenannte differenzierte Autonomie, die von der Mitte-Rechts-Regierung unter Giorgia Meloni vorgelegt wurde, eskalierte am Mittwoch völlig. Leonardo Donno, ein Abgeordneter der Fünf-Sterne-Bewegung, wurde von anderen Parlamentariern bedrängt und zu Boden gestoßen. Nach Angaben von Augenzeugen erhielt Donno von einem Leghista zwei Schläge auf den Kopf. Der Grillino musste daraufhin von Ärzten behandelt und in einem Rollstuhl aus dem Plenarsaal geführt werden.
Das Autonomiegesetz zielt darauf ab, den Regionen mehr autonome Befugnisse einzuräumen. Die Opposition kritisiert dieses Vorhaben jedoch scharf. Vor allem im Süden wird befürchtet, dass sich der Staat aus wichtigen Bereichen wie Gesundheit und Bildung zurückziehen könnte.
Während der zweiten Lesung in der Kammer hielten Oppositionsvertreter als Zeichen des Protests die Tricolore hoch und sangen lautstark die Mameli-Hyme. In einem Video ist zu sehen, wie Donno versucht, die Flagge dem Regionenminister Roberto Calderoli über die Schulter zu legen. Für dieses Vergehen wird er von Präsident Lorenzo Fontana von der Sitzung ausgeschlossen. Im Anschluss stürmen mehrere Onorevoli auf Donno zu und umzingeln ihn. Neben zahlreichen Anhängern der Lega
und der Meloni-Partei Fratelli d‘Italia sind auch mehrere Polizisten in dem Tumult zugegen. Neben Donno wird auch ein parlamentarischer Mitarbeiter verletzt.
Manfred Schullian, Sprecher der Gemischten Fraktion, spricht von einem „obszönen Schauspiel“. Einige Mitglieder der Mehrheit hätten erst das X-Mas-Zeichen in Anspielung an die faschistische „Republik von Salò“ gemacht und dann einen Oppositionellen tätlich angegriffen. Das sei inakzeptabel und eine „sehr schlechte Visitenkarte“ für Italien am Vorabend des G7-Gipfels. Auch Autonomiegruppen-Chefin Julia Unterberger verurteilt die Gewaltepisode aufs Schärfste: „Das Absurde ist, dass das immer die Typen von der Mehrheit sind. Das sind richtige Schlägertruppen.“
Im Gegensatz zu Schullian und Unterberger hat Renate Gebhard die Schlägerei als Augenzeugin miterlebt. Die SVP-Fraktionschefin schildert der Tageszeitung ihre Eindrücke und ihre Meinung zu dem Vorfall:
„Ich schicke voraus, dass die Stimmung schon den ganzen Nachmittag über sehr aufgeheizt war. Teile der Mehrheit und der Opposition blieben sich in den verschiedenen Wortmeldungen nichts schuldig. Ab einem bestimmten Zeitpunkt hatte man den Eindruck, in einem Fußballstadion und nicht im Plenum des Parlaments zu sein: Die gesamte Opposition hat italienische Fahnen in die Höhe gehalten, in die sich dann alle Abgeordneten gehüllt haben, damit die Ordnungshüter diese nicht entfernen konnten. Begleitet wurde das Ganze durch das lautstarke Singen der italienischen Hymne. Wenig später wurde das Lied ,Bella ciao’ angestimmt. Bereits zu diesem Zeitpunkt hätte ich mir eigentlich ein Eingreifen des Kammerpräsidenten erwartet.”
Als wäre das nicht genug, wurde das Ganze laut Renate Gebhard noch durch das X-MAS-Zeichen des Lega-Abgeordneten Domenico Furgiuele getoppt, der von Kammerpräsident Fontana sofort „rausgeschmissen“ wurde. Nachdem der 5-Sterne-Mandatar Donno Minister Calderoli provoziert hatte, sei es zu Handgreiflichkeiten gekommen, bei der Teile der Mehrheit und der Opposition – wie wild geworden – vor der Regierungsbank aufeinander losgegangen seien.
Der SVP-Politikerin mahnt aber zur Differenzierung: Die körperlichen Attacken des Leghista Lezzi seien „durch nichts zu rechtfertigen“, aber um der Wahrheit willen müsse man sagen, dass auch PD-Abgeordneter Toni Ricciardi mit seiner Krücke um sich geschlagen und PD-Kollege Nicola Stumpo einen Stuhl in Richtung Regierungsbank geworfen habe. „Die einen die Guten, die anderen die Bösen“ kann man aus Gebhard Sichts nicht sagen, wenn man das Geschehen den ganzen Nachmittag über persönlich verfolgt habe, wie Dieter Steger und sie. Exponenten beider Seiten hätten dem Ansehen der Institutionen und der Politik im Allgemeinen geschadet. Die SVP-Abgeordnete weist auch darauf hin, dass nur auf den Bänken der politischen Mitte, wo auch wir sitzen, Ruhe herrschte und sich niemand an den Aggressionen beteiligt hat. Und sie nennt ein weiteres, nicht unwichtiges Detail: Keine einzige Frau war an den Tumulten beteiligt.
Der Kammerpräsident unterbrach nach dem Vorfall die Sitzung und kündigte an, die Videoaufnahmen genau zu prüfen und entsprechende Strafen zu ergreifen. Die Quästoren sind derzeit noch dabei, das Material auszuwerten. Renate Gebhard geht davon aus, dass es zu mehreren zeitweiligen Ausschlüssen kommen wird.
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