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Im Kreis der Verschwörer


Die Opposition hegt einen schwerwiegenden Verdacht: Haben Franz Locher und Co. die Eintreibung der Geldstrafe des LH so lange hinausgezögert, bis sie verjährt? Der Fakten-Check.

Von Matthias Kofler

Sven Knoll nimmt kein Blatt vor den Mund: „Statt die Geldstrafe einzufordern, hat das Landtagspräsidium ein Rechtsgutachten eingeholt, um den Landeshauptmann zu verschonen“, schimpft der STF-Politiker. Das Präsidium hat beschlossen, die 205.000-Euro-Strafe gegen Arno Kompatscher fallen zu lassen – wegen Verjährung. Die Opposition habe bei dieser Rettungsaktion mitgespielt, so Knoll. Maria Elisabeth Rieder vom Team K habe sich der Stimme enthalten, anstatt klare Kante gegen diese Ungerechtigkeit zu zeigen.

In die gleiche Kerbe schlägt Thomas Widmann: „Wenn das Präsidium die Verhängung der Strafe bewusst hat verstreichen lassen – und das wissen wir mittlerweile – dann ist das ein Skandal“, sagt der Chef von „Für Südtirol“. Sicher werde sich jetzt der Rechnungshof einschalten. „Selbst wenn die Übertretung der Ausgaben-Obergrenze im Wahlkampf 2018 verjährt ist, bleiben die Fakten auf dem Tisch: Weder der Wahlkampfausschuss noch die Partei wussten von der Auftragsvergabe an die Agentur ,zukunvt‘, die wahrscheinlich vom LH selbst getätigt wurde. Das ist kein Verbrechen, aber im Sinne der Korrektheit und Transparenz hätte der LH dies melden müssen“, so Widmann.

Einen besonders schwerwiegenden Verdacht erhebt die Opposition gegen SVP-Präsidialsekretär Franz Locher: Der Sarner soll eine Vertagung beantragt haben, um den erhofften Posten in der Regionalregierung zu bekommen.

Doch was ist dran an den Vorwürfen?

Er ärgere sich über solche „Verschwörungstheorien“, sagt Locher. Das Präsidium sei erst am 30. Januar über die Vorwürfe der Finanzpolizei informiert worden – als die Verjährung schon eingetreten sei. „Von der Verjährung wusste ich zu diesem Zeitpunkt nichts“, betont der Sarner. Da es sich um eine heikle Angelegenheit gehandelt habe, die Unterlagen noch nicht eingesehen worden seien und am nächsten Tag ohnehin das neue Präsidium gewählt worden sei, habe er eine Verschiebung auf die nächste Sitzung beantragt, die einstimmig beschlossen wurde. Lochers Version wird von der Oppositionsvertreterin Maria Elisabeth Rieder bestätigt, die keine weiteren Angaben machen will.

Auch der damalige Landtagspräsident Sepp Noggler weist den Verdacht der Vertuschung zurück: „Ich lasse mir weder Verzögerung noch Trickserei vorwerfen. Das ist völlig aus der Luft gegriffen.“ Nach seinen eigenen Angaben erhielt der Vinschger den Bericht der Finanzpolizei am 18. Januar. Nach einer juristischen Prüfung ersuchte er den Generalsekretär am 21. Januar per Pec-Mail, alle notwendigen Vorkehrungen zu treffen und einen Beschluss vorzubereiten, der anschließend vom Rechtsamt geprüft und ins Italienische übersetzt wurde. Am 24. Januar wurde das Präsidium zu einer Sitzung in der folgenden Woche einberufen, in der Noggler seine Kollegen unter „Allfälliges“ über die hochbrisante Angelegenheit informierte. Am 31. Januar – dem letzten Tag seiner Amtszeit – setzte er auch das Plenum in Kenntnis und übermittelte den Bericht an den Landeshauptmann. „Ich hätte nicht mehr und schneller arbeiten können – diese heiße Kartoffel lasse ich mir nicht unterjubeln“, betont Noggler.

Nach Ansicht von Rechtsexperten ist der Vorwurf der bewussten Verzögerung schon allein deshalb weit hergeholt, als das Präsidium kein Exekutivorgan der Finanzpolizei ist. Laut Wahlgesetz obliegt es allein dem Präsidium festzustellen, ob Kandidaten gegen die Obergrenze verstoßen haben. Bevor die Strafe verhängt wird, muss dem Betroffenen jedoch die Möglichkeit gegeben werden, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen. Außerdem ist der Zeitpunkt einer möglichen Verjährung umstritten: Gilt diese fünf Jahre nach Zahlung der Spesen (das wäre im Oktober 2023 gewesen) oder erst fünf Jahre nach Vorlage des Prüfberichts?

Zudem muss man wissen: Sven Knoll und die Tageszeitung „Dolomiten“, die dem STF-Mann viel Raum für seine Vorwürfe gegen den LH gegeben hat, sind in der Spesenaffäre alles andere als unbefangen. Kompatscher hat gegen beide eine Verleumdungsklage eingereicht. Nachdem die Finanzpolizei bereits festgestellt hat, dass der SVP-Politiker 2018 weder Direktspenden erhalten noch Landesbeiträge an Unternehmen als Gegenleistung für Wahlspenden verteilt hatte, fällt mit dem jüngsten Entscheid des Landtagspräsidiums der letzte Strohhalm, an den sich Knoll und Co. geklammert haben.

Die Opposition will nun prüfen lassen, ob Kompatscher auch im Wahlkampf 2023 die Obergrenze überschritten haben könnte. Juristen erklären gegenüber der TAGESZEITUNG, dass das Präsidium nach dem Gutachten der Prüfstelle und des Rechtsamtes nur zu einem Schluss kommen kann: Das Wahlgesetz ist in der derzeitigen Form unanwendbar. „Der Täter muss sich bewusst sein, dass sein Verhalten eine Straftat darstellt, was hier nicht der Fall ist“, erklärt LH-Jurist Karl Zeller. Laut Wahlgesetz wird persönliche Wahlwerbung als jene definiert, die nicht „mehrere Kandidaten betrifft“. Diese Formulierung ist offen für Interpretationen. Auf dieser wackligen Grindlage lässt sich wohl nicht beweisen, dass Kompatschers Plakate, auf denen er groß und die anderen nur klein abgebildet sind, Eigenwerbung darstellen.

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