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Der Kopierer des Herrn

Der umstrittene Religionsinspektor Christian Alber, der bereits vor Jahren als Plagiator überführt worden war, hat erneut zugeschlagen – mit einem krassen Plagiat.

von Artur Oberhofer

Ein hochrangiger Beamter im Landesschulamt, der seinen Namen nicht in der Zeitung stehen haben möchte, weil der Religionsinspektor „vom Bischof und von höchster Stelle im Schulamt protegiert“ werde, sagt nur: „Ein klares Plagiat, der gute Herr Alber kann es offenbar nicht lassen, als Inspektor ist er jedenfalls nicht mehr tragbar.“

Christian Alber, seit August 2007 – mit einer Unterbrechung im Jahr 2019 – Inspektor für den katholischen Religionsunterricht in Südtirol, ist eine schillernde Figur.

Dass Christian Alber nicht nur einen guten Draht zum lieben Gott, sondern auch zu den Verantwortlichen im Schul-Assessorat und im Landesschulamt haben muss, zeigt sich im April 2019, als die Freiheitlichen einen kleinen Skandal aufdecken.

Ulli Mair & Co. überführen Christian Alber als Plagiator.

Die vom Religionsinspektor „verfasste“ Broschüre „Muslimische Kinder und Jugendliche in der Schule – Informationen, Orientierungen und Empfehlungen“, so stellt sich heraus, wurde eins zu eins und ohne Quellenangabe von einem Flyer der Evangelischen Landeskirche Baden abgekupfert.

Was die Geschichte politisch brisant macht: In dieser Broschüre werden ein getrennter Schwimmunterricht und Prüfungs- und Ausflugsverbote während des Ramadan empfohlen.

Die Freiheitliche Ulli Mair ist empört. Sie stellt die Frage, „ob Landesrat Philipp Achammer das Schulamt noch unter Kontrolle“ habe und kritisiert den Umstand, „dass man sich in Südtirol bei der Vermittlung von Werten, Kultur und Religion ausgerechnet an linksgrün regierten Bundesländern und deren evangelischen Kirchen orientiert“.

Landesrat Philipp Achammer gesteht damals der TAGESZEITUNG, dass er, sobald die Alber-Affäre geplatzt ist, „gekocht habe vor Wut“.

Der Grund: Der Religionsinspektor hatte die Broschüre nicht nur ganz ungeniert abgeschrieben, sondern sie auch noch ohne Wissen seiner Vorgesetzten an die Schulen verschickt.

Achammer lässt die Broschüre einziehen.

Nur wenige Wochen später enthüllt die TAGESZEITUNG, dass Christian Alber auch die Broschüre „10 gute Gründe für den Religionsunterricht“ abgeschrieben hat, und zwar aus Broschüren der Evangelischen Kirche der Pfalz und der Evangelischen Landeskirche in Baden.

Anfangs sieht es tatsächlich so aus, als würde die Plagiat-Affäre Alber den Kopf kosten. Nach den medialen Enthüllungen drängen der Landesrat und die Landesschuldirektion den Religionsinspektor dazu, „die institutionellen Aufgaben als Inspektor bis auf Weiteres ruhen lasse“.

Alber selbst, so wird den Medien mitgeteilt, habe ersucht, vorerst von seinen Aufgaben entbunden zu werden.

Danach wird es wieder ruhig um den Religionsinspektor.

Anfang 2020 ist es der Abgeordnete der 5-Sterne-Bewegung, Diego Nicolini, der den Fall Alber auf eine neue Ebene hievt.

In zwei Anfragen macht Nicolini auf weitere Unregelmäßigkeiten im Fall Alber aufmerksam. So kann der Landtagsabgeordnete schlüssig nachweisen, dass der Religionsinspektor jahrelang eine Falscherklärung abgegeben hat.

Der Hintergrund: Alle Führungskräfte des Landes müssen jährlich einen Lebenslauf einreichen, den das Land dann im Einklang mit den Bestimmungen zur transparenten Verwaltung“ veröffentlichen muss. Im Lebenslauf müssen auch die Sprachkenntnisse angeführt werden.

Jahrelang führt Christian Alber dabei Italienischkenntnisse auf C2-Niveau, d. h. auf Muttersprachenniveau an. Dazu Englisch-Kenntnisse auf B1-Niveau.

Laut Curriculum handelt es sich dabei um eine „Selbstbeurteilung“.

Es ist dann die TAGESZEITUNG, die die „Sprachkenntnisse auf höchstem EU-Niveau“ des Inspektors in den Zweifel zieht.

Was macht Christian Alber? Er revidiert die Angaben in seinem offiziellen Lebenslauf. Plötzlich ist darin nicht mehr von C2- und B1-Niveau die Rede. Sondern es heißt: Italienisch (Zweisprachigkeitsnachweis A) und Englisch (Grundkenntnisse).

Auch stellt sich daraus, dass Christian Alber keinen anerkannten Studientitel hat. Diego Nicolini macht deshalb im Jänner 2020 eine Eingabe bei der Staatsanwaltschaft Bozen.

Spätestens zu diesem Zeitpunkt bekommen die Verantwortlichen im Südtiroler Bildungswesen kalte Füße.

Die Affäre um die Plagiate und die Falscherklärungen des Religionsinspektors führen schließen dazu, dass im März 2022 ein „Auswahlverfahren für die Ernennung zum Inspektor für den katholischen Religionsunterricht an den deutschsprachigen Grund- und Sekundarschulen“ ausgeschrieben wird.

Doch der Gewinner des Wettbewerbs heißt am Ende Christian Alber.

Seitdem sind zwei Jahre vergangen – und der Plagiator Christian Alber ist jetzt offenbar wieder rückfällig geworden.

Die Fakten: Die Landesregierung hat am 16. April dieses Jahres mit Beschluss Nr. 245 die Rahmenrichtlinien für das alternative Bildungsangebot „Ethik“ an den deutschsprachigen Schulen beschlossen.

Der Autor dieser Richtlinien: Christian Alber.

Die TAGESZEITUNG hat diese Richtlinien gemeinsam mit einem Experten in Sachen Plagiate nun analysiert. Das ernüchternde Ergebnis: Christian Alber hat einen Großteil seines Textes abgeschrieben, teilweise sogar wortwörtlich – und ohne Quellenangabe.

In den Alber-Richtlinien findet sich nur eine einzige Quellenangabe („nach A. Rösch: Kompetenzorientierung im Philosophie- und Ethik-Unterricht“), wobei dieser Hinweis irreführend ist, da Christian Alber aus dem als Quelle angegebenen Rösch-Werk fast nichts entnimmt, dafür aber komplette Textteile aus anderen Quellen, die er nicht anführt.

Tatsächlich hat Christian Alber einen Großteil seines Textes aus dem Bundesgesetzblatt für die Republik Österreich (Jahrgang 2021, herausgegeben am 7.6.2021, Teil 2) abgeschrieben. Es gibt dann noch ein älteres Dokument („Ethik Lehrplan 2020“, www.ethik.wien, Arge Wien), aus dem Christian Alber ebenfalls ganze Passagen übernommen hat (siehe die abgebildeten Faksimiles).

So hat Alber, beispielsweise, die „Kompetenzdimensionen“ aus dem österreichischen Bundesgesetzblatt und von „Ethik Wien“ übernommen, die von ihm angeführten Kompetenzbereiche hat er hingegen aus einem bayerischen Lehrplan („lehrplanplus.bayern.de/fachlehrplan/grundschule/1-4/ethik) abgekupfert. Großteils 1 zu 1.

In einigen Fällen hat Christian Alber Titel leicht verändert.

Kurzum: Die von Christian Alber verfassten Rahmenrichtlinien für den Ethik-Unterricht in Südtirol sind ein Plagiat.

Das „gestohlene“ Foto aus der SZ

Die TAGESZEITUNG hat Christian Alber via E-Mail um eine Stellungnahme gebeten.

In seiner Antwort gibt Alber plötzlich zu, dass er sich der genannten Quellen bedient hat.

Er schreibt:

„Für die Erarbeitung der Bildungsziel für das alternative Bildungsangebot Ethik sind verschiedene Lehrpläne studiert worden:

Lehrplan für das Fach Lebensgestaltung-Ethik-Religionen in Berlin-Brandenburg
Lehrplan für das Ethik in Rheinland-Pfalz
u.a.

Zudem war ich in einem engeren Kontakt mit dem Service de Coordination de la Recherche et de l’Innovation pédagogiques et technologiques  in Luxemburg, da dort im Jahre 2015 das neue Unterrichtsfach Leben und Gesellschaft eingeführt wurde.

Ein wichtiger Ansprechpartner bei der Ausarbeitung der Bildungsziele war das Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung München und die diversen Ethiklehrpläne des LehrplanPlus Bayern.

Für die Ober- und Berufsschule wurde zudem der Lehrplan Ethik aus Österreich verwendet.“

Nachfrage: Warum hat dann das Rösch-Buch als Quelle angegeben und die vielen anderen Quellen nicht?

Die Antwort Christian Albers hat es in sich:

„In einem Beschluss der Landesregierung werden niemals Quellen angegeben und zitiert. Die Erarbeitung der Bildungsziele stützt sich auf fachdidaktische Prinzipien, die sich in ähnlicher Form in vielen Lehrplänen wiederfinden. Daher ist der Verweis auf ähnlich formulierte Textteile nicht erforderlich.

Übrigens: Nicht nur die Texte hat Christian Alber abgekupfert. Sogar das Titelbild der digitalen Broschüre zu den Südtiroler Rahmenrichtlinien für den Ethik-Unterricht ist „gestohlen“.

Inspektor Alber hat das Foto nämlich aus einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ (zum Thema: „Miese Noten für den Ethikunterricht“) entnommen.

Ohne Quellenangabe.

Das Foto wurde vor wenigen Tagen entfernt. Ansonsten gab es seitens des Landesrates oder der Landesschuldirektion keine Reaktion.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (19)

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  • unglaublich

    Wie ist ein solcher Mann zum Inspektor geworden? Was muss man dafür tun? Und wie kann man einen solchen Mann, trotz der vielen „Verfehlungen“, halten? Müssen in Südtirol solche Fragen beantwortet und daraus Verantwortungen abgeleitet werden? Bisher nicht!

    • pachamama

      Parteikartl und lange Zunge…..

    • artimar

      Ein besonderes Schutzinteresse der eigenen Autorenrechte haben ein Bundesgesetzblatt und Lehrpläne ganz im Allgemeinen nicht. Sie werden das Land Südtirol, weil es sich seinen von diesen mit Beschluss der Landesregierung angeeignet hat, deshalb wohl kaum verklagen.
      Ich frage mich eher, wieso da ein Schulinspektor für röm- kath. Religionsunterricht überhaupt einen Lehrplan für Ethik an Südtirols Schulen erstellt — zudem offenbar allein, indem er aus verschiedenen anderen Lehrplänen einfach nach eigenem Gutdünken was zusammen stellt. Südtirol hat eine römisch-katholische Hochschule in Brixen, Lehrkräfte, Schüler- und Elternvertreter. Wieso wurden nicht diese prozess- und ergebnisorientiert eingebunden?

  • gulli

    Dieselben Fragen könnte man auch bei Herrn Zerzer stellen…

  • brutus

    Naja, der jüdische Ableger, namens Christen, sind das gewohnt…
    …die haben schon das Alte Testament aus der jüdischen Thora abgeschrieben!

  • svea

    Heutzutage wird bereits Mittelschülern beigebracht, dass sie bei aufwändigeren Aufgaben die Quellen anzugeben haben, damit sie sich nicht eine Untugend angewöhnen, die ihnen später sogar die Aberkennung eines Studientitels kosten könnte.
    Aus der Sicht der Kirche gehört diese Untugend vermutlich zu den lässlichen Sünden und wird, nach einer Beichte und wenn die Tat bereut wird, erlassen. Wenn es keine Einsicht gibt und jemand zum „Wiederholungstäter“ wird, dann wäre die Angelegenheit aber auch aus religiöser Sicht bedenklich, und aus rechtlicher Sicht müssten die zuständigen Ämter handeln.
    Ein Inspektor, der hierarchisch nicht nur den Lehrpersonen sondern auch den Schulführungskräften übergeordnet ist, sollte diesbezüglich über eine weiße Weste verfügen. Warum das nicht so ist und warum über diese Tatsache nonchalant hinweggesehen wird, wissen wohl nur jene, die für solche Missstände verantwortlich sind.
    Leider gibt es in der Südtiroler „Bildungswelt“ so einige Ungereimtheiten, und es schaut auch nicht danach aus, als wollte man sie aus dem Weg räumen.
    Leider zahlen am Ende die Zeche immer die, die am wenigsten daran schuld sind, die Schülerinnen und Schüler.
    Vorgesetzte, die nicht aufgrund ihrer Kompetenzen und Fähigkeiten auf ihren Sesseln sitzen, missbrauchen sehr oft ihre Macht, da sie über keine natürliche Autorität verfügen. Sie gesellen um sich Jasager und Schleimer, denn nur von denen werden sie bewundert.
    Dieses Szenario kann sich in der Hierarchie bis nach unten fortsetzen und es macht besonders jenen Personen das Leben schwer, die mit dem eigenen Kopf denken und Sachverhalte kritisch hinterfragen; Fähigkeiten über die eine gute Lehrperson verfügen sollte und auch Kinder und Jugendliche, damit sie auf die Herausforderungen, einer immer komplexer werdenden Welt, gut vorbereitet sind.

    • unglaublich

      @svea
      Auf den Punkt gebracht! Genau so!

    • placeboeffekt

      Das Schulsystem fördert zu gerne Auswendiglerner und Nachplapperer, welche sich nahtlos einfügen

      Selbständige und kritische Denker hatten es schon immer schwer

      Es genügt, sich die Biografien einiger großartiger Wissenschaftler durchzulesen , um die prinzipielle Beschränktheit von Lehrern zu erkennen

  • beigre

    Meine Damen und Herren!
    Ich bin jetzt schon sehr besorgt über all diese erschlichenen Selbstdarbietungen und vorgeschobenen Kompetenzen. Hinterfrage immer wieder die zur Zeit nahezu überall vordrängende und vielgepriesene KI, ob es damit nicht noch viel ärger mit dieser Schummelei von Plagiaten und Einschüben wird, deren Ursprung und Quellen nicht genannt werden?

  • andreas1234567

    Hallo zum Sonntag,

    Pfaffen haben grundsätzlich im
    Bildungssystem nichts, aber auch gar nichts verloren.
    Religionsinspekteur..Allein der Titel geht schon in Richtung Monty Python..

    Das kann doch wohl weg oder?

    Auf Wiedersehen bei meinem Rundgang als Freibierkulturinspektor auf Hütte und Alm

    • summer1

      Das kannst du gerne politisch empfehlen, wer da auf die Barrikaden steigt, sondern genau deine von dir so gepriesenen Rechten und auch genauso die Schützen.
      An den bei dir verhassten Linken oder Ökosozialisten würde nicht nur die Abschaffung des Amtes, sondern auch die Abschaffung des Fachs Religion scheitern und damit auch die Kreuze aus den Klassenzimmern zu entfernen.
      Da musst du dich schon entscheiden, was du nun willst!
      Schützen ohne Herz-Jesu und Schützen ohne Religion wird sich nicht spielen. Also nun: Farbe bekennen, das wäre das einzige!

  • sepp

    Du koan wunder ba so an schwachen schullandesrat

  • cosifantutte

    Warum wundert man sich denn und nimmt es hier so genau mit einer Sache, die, verglichen mit was sonst so im Lande passiert, eine Lappalie darstellt? Das Verhalten, das dieser Herr an den Tag legt, ist nicht neu, und steht genau unter dem Zeichen jener unteren Mittelmäßigkeit und Bauernschläue, die in Südtirol als „Intelligenz“ zelebriert wird.

    Das Muster ist immer das gleiche und in Verwaltungen und Politik fest zementiert. Man erinnere sich nur an den SEL Skandal bei dem Angebote der Konkurrenz geöffnet und davon abgeschrieben wurde um diese auszubooten, alles unter Anleitung eines beflissenen Dummen. Der Überchef der Affäre genießt Heiligenstatus. Das Vorgehen von Vallazza et al. idem dito. Wenn man dann auf die Unzulänglichkeiten solchen Vorgehens und die daraus entstehende Übervorteilung hinweist, wird einem verächtlich vorgeworfen, man sei ja nur „neidisch“. Beim Plagiat einer Broschüre hingegen dreht man durch. Ich sehen hier die Verhältnismäßigkeit nicht gegeben.

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