Zwischen Krieg und Frieden
Der Erste Weltkrieg und seine Auswirkungen für den Tiroler Raum in der Zwischenkriegszeit stehen im Mittelpunkt einer Tagung, die das Zentrum für Regionalgeschichte gemeinsam mit dem Museo Storico Italiano della Guerra (Rovereto) und dem Landesmuseum Festung Franzensfeste am 7. und 8. Juni organisiert.
Der Erste Weltkrieg ist eines der zentralen Ereignisse des 20. Jahrhunderts. Mit Blick auf seine enormen Folgen für Politik und Gesellschaft hat ihn der Historiker und Politiker George Kennan treffend als „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“ bezeichnet. Nicht zuletzt auch für Tirol hatte der Erste Weltkrieg große Auswirkungen. Zahlreiche Tiroler wurden schon zu Kriegsbeginn, der sich in wenigen Wochen zum 110. Mal jährt, eingezogen und erlebten die verlustreichen Feldzüge der österreichisch-ungarischen Armee gegen Russland im Osten oder am Balkan. Seit dem Kriegseintritt Italiens im Mai 1915 war Tirol schließlich Frontgebiet und hatte mit allen Einschnitten und Entbehrungen zu kämpfen, die Kriege mit sich bringen. Zu Kriegsende im November 1918 brach die Habsburgermonarchie zusammen und im Frieden von St. Germain wurde die Teilung Tirols besiegelt. Es entstand die Brennergrenze.
„Die Südtirolfrage und die neueste Geschichte Tirols beginnen gewissermaßen dort“, so der Direktor des Zentrums für Regionalgeschichte und Weltkriegsexperte Oswald Überegger, „wo der Erste Weltkrieg endet. Ohne das Wissen über diesen Krieg ist auch die Zeitgeschichte Tirols nicht zu verstehen.“
Im Rahmen der Tagung werden in insgesamt 14 Referaten die unterschiedlichsten Aspekte der Geschichte des Ersten Weltkrieges beleuchtet. Dabei stehen militärische Aspekte der Kriegsgeschichte genauso im Mittelpunkt wie die Geschichte der „Heimatfront“. Die einzelnen Vorträge spannen einen weiten Bogen von der Geschichte der Tiroler Kriegsgefangenen über den Umgang mit Minderheiten im Krieg hin zu neueren Perspektiven auf den Gebirgskrieg, auf gesundheits- und sanitätsgeschichtliche Aspekte und auf die Kriegserfahrungen in Tagebüchern und Korrespondenzen. Neben den eigentlichen Kriegsjahren legt der zweite Teil der Tagung den Fokus auf die Nachkriegsjahre und die Zwischenkriegszeit. Er beschäftigt sich mit der Frage der politischen Radikalisierung in der Nachkriegszeit und den 1920er-Jahren, dem Verhältnis zwischen Religion und Politik sowie dem Übergang der regionalen Gesellschaft vom Krieg in den – vielerorts instabilen und als hoffnungslos empfundenen – Frieden.
All diese Themen stehen im Mittelpunkt der Vorträge, die spannende Einblicke in die laufenden Forschungen jüngerer Nachwuchshistorikerinnen und -historiker bieten. Ziel der Tagung ist es, dieser ‚jungen‘ Forschung ein Forum zu bieten und die neueste deutsch- und italienischsprachige Forschung zum Thema zusammenzuführen und besser zu vernetzen.
Im Rahmen der Tagung findet am Freitag, den 7. Juni, mit Beginn um 17.30 Uhr, ferner die Präsentation des neu erschienenen Buches „Ganze Männer? Gesellschaft, Geschlecht und Allgemeine Wehrpflicht in Österreich-Ungarn (1868–1914) von Christa Hämmerle statt. Die bekannte Wiener Historikerin und Universitätsprofessorin eröffnet in diesem Buch facettenreich neue Perspektiven auf die Geschichte der Habsburgerarmee vor dem Ersten Weltkrieg. Sie zeigt, wie damals das militärische Rekrutierungssystem ausgebaut wurde. Besonderes Augenmerk richtet sie auf geschlechtergeschichtliche Dimensionen, etwa den Anspruch der Wehrpflichtarmee, eine „Schule der Männlichkeit“ zu sein. Zudem bietet sie eine innovative „Geschichte von unten“, indem Wehrpflichtbriefe, Militärgerichtsakten und verschiedenste Erinnerungszeugnisse ausgewertet werden.
Die Tagung ist für alle Interessierten frei und kostenlos zugänglich. Die Vorträge werden simultan in die jeweils andere Sprache übersetzt (Deutsch bzw. Italienisch).
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