„Starke Bünde“
Am 5. Juni 1904 wurde in Sterzing der Tiroler Bauernbund gegründet. Die Landesobmänner Daniel Gasser und Josef Geisler sowie ehemalige und derzeitige Funktionärinnen und Funktionäre ließen die wichtigsten Meilensteine der ruhmreichen 120-jährigen Geschichte des Südtiroler und des Tiroler Bauernbundes Revue passieren. Gleichzeitig wurde auf die Herausforderungen aufmerksam gemacht. Fazit: Starke Bauernbünde brauche es auch in Zukunft.
Vor genau 120 Jahren kamen über 7.000 Bäuerinnen und Bauern in Sterzing zusammen, um den Tiroler Bauernbund zu gründen. „Die Gründe dafür waren die unzureichende politische Vertretung und die schlechte wirtschaftliche Lage vieler Betriebe aufgrund des zunehmenden Wettbewerbs und von schlechten Ernten“, erinnerte Daniel Gasser, der Landesobmann des Südtiroler Bauernbundes.
Josef Geisler, der Obmann des Tiroler Bauernbundes, zog Parallelen zur heutigen Zeit: „Die Gründungsidee ist aktueller denn je, denn die Landwirtschaft steht vor großen Herausforderungen, wie u. a. die Höfe und damit die flächendeckende Landwirtschaft zu erhalten.“ Dass in den letzten Jahren Vieles richtig gemacht wurde, könne jeder an der einmaligen Kulturlandschaft und den hochwertigen Produkten sehen. In den letzten 120 Jahren hätten die Bauernbünde zudem den ländlichen Raum mitgestaltet.
15 Jahre nach der Gründung folgte mit der Trennung Tirols ein tiefer Einschnitt in die Geschichte des Tiroler Bauernbundes. Auf Südtiroler Seite gründeten Bauern als Nachfolgeorganisation den „Südtiroler Landwirteverband“, der aber bereits sieben Jahre später aufgelöst und durch die „Unione agricoltori“ ersetzt wurde. 1929 wurde zudem das Tiroler Höferecht abgeschafft.
1945 wurde der „Provinzialverband der Landwirte der Provinz Bozen“ gegründet und in „Südtiroler Bauernbund“ umbenannt. Als eines der wichtigsten Gesetze trat 1952 das „Berggesetz“ in Kraft, zwei Jahre später wurde zudem das Höfegesetz wieder eingeführt.
Es ist eine der bedeutendsten agrarpolitischen Errungenschaften des Südtiroler Bauernbundes.
1962 war die Geburtsstunde der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP). Sie hat das Ziel, die Bürgerinnen und Bürger Europas mit sicheren und erschwinglichen Lebensmitteln in ausreichendem Maß zu versorgen. Die GAP wurde in der Folge immer wieder reformiert. Der Fokus liegt nunmehr auf der Bewirtschaftung der Flächen und der Nachhaltigkeit.
Auf heftigen Widerstand des SBB stieß der Mansholt-Plan Ende der 1960er Jahre. Der damalige Vizepräsident der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, Sicco Mansholt, wollte die Zahl der Beschäftigten in der Landwirtschaft halbieren und weniger, dafür aber größere Betriebe. „Das hätte das Aus für Tausende Bauernhöfe in Südtirol bedeutet“, unterstrich Gasser. Der Plan wurde aufgrund der Proteste in der ursprünglichen Form nicht umgesetzt.
Ein Meilenstein war das neue Autonomiestatut im Jahr 1972. Die Land- und Forstwirtschaft sowie die Jagd wurden Zuständigkeit des Landes.
„Die GAP führte Ende der 1970er Jahre bzw. Anfang der 1980er Jahre zu Butterbergen und Milchseen. Die EU führte daraufhin Maßnahmen ein, um die Produktion besser an die Marktbedürfnisse anzupassen“, so Gasser. 2015 wurden die „Milchquoten“, eine Beschränkung der Milchproduktion, wieder abgeschafft – gegen den Willen vieler Bauernverbände.
Aufgrund der Kleinstrukturiertheit der Betriebe gewann der Zu- und Nebenerwerb immer mehr an Bedeutung. Einen Aufschwung erlebte er mit der Einführung des Qualitätssiegels „Roter Hahn“ im Jahr 1998, das einheitliche Kriterien für mehr Qualität und eine bessere Vermarktung vorsieht – vorerst nur für den Urlaub auf dem Bauernhof. Ab 2003 gibt es den „Roter Hahn“ auch für die Bäuerlichen Schankbetriebe und die Qualitätsprodukte. Seit 2013 tragen auch bäuerliche Handwerksprodukte das Qualitätssiegel.
Ein wichtiges Gesetz für die Landwirtschaft trat 2001 in Kraft: das neue Höfegesetz.
Da erneuerbare Energien immer wichtiger wurden und Innovation zunehmend gefragt war, wurde die Abteilung „Innovation & Energie“ im Südtiroler Bauernbund gegründet. Zwei Jahre später startete die Kampagne „Dein Südtiroler Bauer“, „Deine Südtiroler Bäuerin“, die bis heute andauert. Ziel ist, der Gesellschaft die vielfältigen Leistungen der Landwirtschaft näherzubringen. Um die Nachhaltigkeit zu forcieren, wurde 2021 die Stabsstelle Nachhaltigkeit eingerichtet. Sie forciert und begleitet u. a. acht Leuchtturmprojekte.
Aus einer anfänglich ausschließlichen Interessensvertretung ist der SBB zu einem modernen Dienstleister und wichtigen Ideengeber sowie Arbeitgeber im ländlichen Raum geworden.
Während einige Themen, wie der Erhalt der Höfe, eine bessere Einkommenssituation, die soziale Absicherung der bäuerlichen Familien, der Erhalt der Attraktivität des ländlichen Raumes oder die GAP, seit Jahrzehnten aktuell sind, kamen im Laufe der Jahrzehnte immer wieder neue Herausforderungen auf die Landwirtschaft und den Südtiroler Bauernbund zu. Aktuell sind es neben allen Aspekten der Nachhaltigkeit das Großraubwild, die Raumordnung, eine Entschädigung für gesellschaftliche Leistungen der Landwirtschaft oder der Ausbau des Zu- und Nebenerwerbs, um nur einige zu nennen.
„Die Hauptaufgabe ist und bleibt aber die Herstellung von hochwertigen Lebensmitteln. Hier brauchen wir keine Vergleiche zu fürchten“, unterstrich SBB-Landesobmann Daniel Gasser.
Einer, der den Südtiroler Bauernbund kennt wie kaum ein anderer, ist Viktor Peintner.
Er war in der Südtiroler Bauernjugend, drei Amtsperioden Ortsobmann von Taisten, Bezirksobmann des Pustertals und Landesobmann-Stellvertreter. Mit der Einführung der Mehrwertsteuer-Registerführung Ende der 1970er Jahre stieg der SBB in den Dienstleistungsbereich ein. Bis dahin war der Südtiroler Bauernbund in erster Linie ein Interessensvertreter. „Das Anbieten von Dienstleistungen hatte intern für große Diskussionen gesorgt. Der damalige SBB-Direktor Berthold Pohl war dagegen, musste sich aber letztlich dem Druck der Ortsobmänner beugen. Damit begann für den Südtiroler Bauernbund die Ära als Dienstleistungsbetrieb“, erzählte Peintner.
Spuren in der Landwirtschaft hat der ehemalige SBB-Direktor Luis Durnwalder hinterlassen. Er hat sich nicht nur um Südtirol gekümmert, sondern ganz besonders auch um die Landwirtschaft. „Dank der guten Zusammenarbeit zwischen Durnwalder und dem Südtiroler Bauernbund konnten viele Höfe erschlossen werden.“ Ein großer Verdienst Durnwalders war das von ihm ausverhandelte Milchkontingent für Südtirol, das deutlich besser war als in anderen Regionen und über 30 Jahre gehalten hat. Auch für die Funktionäre habe Durnwalder immer ein offenes Ohr gehabt. „Er hat die richtigen Entscheidungen zur richtigen Zeit getroffen“, lobte Peintner.
Ein Unterschied zu früher ist für Peintner das Standesbewusstsein. Das Amt des Ortsobmannes war sehr begehrt und hatte hohes Ansehen. Heutzutage ist es schwieriger, Bäuerinnen und Bauern für solche Ämter zu gewinnen; dennoch gelingt es immer wieder, junge Motivierte für dieses Ehrenamt zu begeistern.
Im Laufe der Jahrzehnte sah sich der SBB mit vielen Herausforderungen konfrontiert. „Ein großes Thema waren viele Jahre lang die Enteignungen für Bauzonen und Gewerbezonen. Heute ist die Wertschöpfung eine große Herausforderung. „Der Erlös für die Produkte ist einfach zu gering“, bedauerte Peintner.
Einen Blick in die Zukunft warf Jolanda Hinteregger, die Ortsobfrau von Lüsen. „Aufgrund der zahlreichen Herausforderungen, die aktuell und zukünftig auf die Bäuerinnen und Bauern warten, brauchen wir einen aktiven und starken Südtiroler Bauernbund.“ Zudem brauche es gute politische Rahmenbedingungen. Als moderner Dienstleister müsse der SBB auch zukünftig den sich ändernden Bedürfnissen der Bäuerinnen und Bauern Rechnung tragen und jene Dienste anbieten, die benötigt werden. Wichtig ist weiters die Kommunikation mit der Gesellschaft. Der Bürokratie müsse entschieden der Kampf angesagt werden. „Ziel muss der Erhalt der Bauernhöfe, ein angemessenes Einkommen, eine flächendeckende Landwirtschaft und ein attraktiver ländlicher Raum sein“, appellierte Hinteregger. Das sei zu schaffen, wenn die Bäuerinnen und Bauern weiter zusammenhalten.
Für Landesrat Luis Walcher müsse die Politik die Rahmenbedingungen so gestalten, dass die Bäuerinnen und Bauern auch in Zukunft Lebensmittel produzieren und auf das Land schauen können. Das sei die ehrlichste Antwort auf die Nachhaltigkeit und einen aktiven Landschaftsschutz.
Die Entwicklung des Tiroler Bauernbundes haben der Landesobmann Josef Geisler, die ehemalige Landesbäuerin Kathi Horngacher und der Obmann der Tiroler Bauernjugend/Landjugend, Christoph Pirnbaumer, vorgestellt.
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Kommentare (1)
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tirolersepp
Kleinstrukturiertheit wird unser Vorteil sein – nicht immer größer – immer kleiner ist die Lösung !
Nebenerwerb, Urlaub auf dem Bauernhof und blos den Bergbauernhof nicht zu groß !
Je größer der Bergbauernhof umso mehr Arbeit und umso mehr Schulden !!!
Es gibt viele Schaf und Ziegenzüchter die gerne ein paar Hektar pachten würden !