Die weiß-roten Aktien
Beim FC Südtirol stehen tiefgreifende Veränderungen an. Der Club soll in eine AG umgewandelt werden – aber in Südtiroler Hand bleiben. Die Hintergründe.
von Artur Oberhofer
Nach der Meisterschaft ist vor der Meisterschaft. Während sich die Spieler des FC Südtirol bereits im verlängerten Sommerurlaub befinden – das Trainingslager in Ridnaun beginnt am 14. Juli –, rauchen bei den Vereinsverantwortlichen die Köpfe. Jetzt gehe es darum, so erklärt FCS-Generaldirektor Dietmar Pfeifer, eine „allumfassende Analyse zu machen, in die Tiefe zu gehen und zu bestimmen, wie wir das Projekt FC Südtirol weiterentwickeln können“.
Über die Details und Schwerpunkte dieser Innenschau mit Blick nach vorne schweigt sich der FCS-„General“ aber aus. „Wir wenden uns an die Öffentlichkeit, sobald dieser Analyse-Prozess abgeschlossen ist“, wirbt Dietmar Pfeifer um Verständnis.
Es geht um Visionen, es geht aber auch um Köpfe.
Der sportliche Teil des analytischen Tiefgangs beim FCS ist so gut wie abgeschlossen.
So hat sich der Verein darauf verständigt, die Zusammenarbeit mit Paolo Bravo, dem Sportdirektor aus Rimini, fortzusetzen. Bravo hat noch ein Jahr Vertrag beim FCS.
Der Verein möchte mindestens ein weiteres Jahr draufsetzen. Dem Sportdirektor, der lukrative Angebote des Serie-A-Clubs Empoli und von den Serie B-Clubs Pisa und Reggiana vorliegen hat, wird der FCS eine Vertragsverlängerung bis 2026 anbieten. Und Bravo wird, wenn nichts Unvorhergesehenes passiert, diesen Vertrag auch unterschreiben.
Wenn Paolo Bravo in Bozen bleibt, bedeutet dies, dass auch Federico Valente als Trainer beim FC Südtirol weiterarbeiten wird.
Federico Valente ist Bravos „Erfindung“. Oder besser gesagt, Hannes Finks Intuition, denn der Bravo-„Stellvertreter“ war es, der auf den in Freiburg tätigen Trainer aufmerksam geworden ist und nach Südtirol gelotst hat.
Die FCS-Sportdirektion, also das Duo Bravo-Fink, hatte in der abgelaufenen Saison nicht nur die Courage, den Publikumsliebling Pierpaolo Bisoli in die Wüste zu schicken, sondern er hatte auch noch den Mumm, mit dem Jugendtrainer Valente einen Trainer zu engagieren, der noch nie eine erste Mannschaft gecoacht und der die italienische Serie B nicht gekannt hat.
Es war klar, dass Paolo Bravo und Hannes Fink mit dieser gleichwohl überraschenden wie mutigen Entscheidung sein eigenes Schicksal mit dem Ausgang dieses Experiment verknüpft hat.
Bravo und Fink haben gezockt – und gewonnen.
Allen Unkenrufen und Warnungen der Fußball-Stammtischexperten zum Trotz schaffte es Federico Valente, der Mannschaft eine klare Linie zu geben und sie souverän zum Klassenerhalt zu führen. „Valente hat eine Superarbeit gemacht“, so der einhellige Tenor bei den FCS-Verantwortlichen.
Federico Valente ist ein Trainer mit europäischem Ansatz.
Sprich: Der Italo-Schweizer, der als Videoanalyst (unter Urs Meier und Sami Hyypiä) beim FC Zürich begonnen und bislang nur Jugendmannschaften trainiert hat, inspiriert sich an Trainern wie Xabi Alonso von Bayer Leverkusen, deren Philosophie lautet: Wertschätzung der Spieler, Zurücknahme der eigenen Person.
Valente setzt, wie seine Vorbilder, auf das Team als bestfunktionierendes Kollektiv.
Diese beiden wichtigen Personalfragen so gut wie geklärt, will der FC Südtirol nicht nur sportlich, sondern auch wirtschaftlich und strukturell wachsen.
Nach Informationen der TAGESZEITUNG werden gerade in diesen Tagen die Weichen für eine Umwandlung der FC Südtirol GmbH in eine Aktiengesellschaft gestellt.
So wie Juventus Turin, Bayern München oder Borussia Dortmund wird wohl auch der FC Südtirol eine AG werden.
Eine definitive Entscheidung muss die Gesellschafterversammlung treffen.
Das Kalkül dieses Schrittes?
Der FC Südtirol ist in den letzten beiden Jahren als Serie B-Club weiter stark gewachsen. Das Budget von Südtirols einzigem Profifußball-Club ist inzwischen auf stattliche 16,4 Millionen Euro angewachsen. Damit ist der FCS ein mittelgroßer Betrieb.
Internen Berechnungen und Analysen zufolge ist der FC Südtirol als Serie B-Club jetzt um die 40 Millionen Euro wert.
Haupteigentümer des FCS ist derzeit der Klausner Duschkabinen-König Hans Krapf, ein Mann der ersten Stunde, ohne den und ohne dessen Geld der FCS vermutlich noch heute zwischen Serie C und Serie D herumkrebsen würde. Krapf hält mit seiner Duka 36 Prozent der Anteile an der FC Südtirol GmbH. Die Brauerei Forst hält 30 Prozent. Alle anderen Teilhaber haben Beteiligungen von weniger als 6 Prozent.
Das heißt: Hans Krapf und die Meraner Brauerei Forst haben beim FCS das Sagen.
Laut Insidern werde sich an dieser Machtkonstellation auch im Fall einer Umwandlung der GmbH in eine AG nichts ändern. Mit anderen Worten: Der FC Südtirol steht nicht zum Verkauf. Im Gegenteil.
Während immer mehr italienische Fußball-Clubs von amerikanischen Fonds und Investoren übernommen werden – in der Serie B gehören beispielsweise Venedig, Como und Cesena amerikanischen Investoren –, will der FCS ein von lokalen Wirtschaftskräften getragenes Unternehmen bleiben. Diese heimischen Betriebe sollen die Garanten des Projektes bleiben. Freilich: Die Umwandlung des Clubs in eine AG erleichtert es, gezielt strategische Partner ins Boot zu holen, indem man entsprechende Aktienpakete schnürt. Und auch die Ausgabe von sogenannten Volksaktien (wie Borussia Dortmund dies macht) ist für den „neuen“ FCS eine Option.
Ein Insider sagt: „In einer Umwandlung der Gesellschaft in eine AG sehe ich nur Vorteile, keine Nachteile.“
Bereits jetzt als GmbH erfüllt der FCS alle Auflagen, die eine AG zu erfüllen hat – von einer Revisionsgesellschaft geprüfte Bilanz, ein Aufsichtsrat usw.
Der FC Südtirol ist bislang mit seiner nicht unumstrittenen Step-by-Step-Politik sehr erfolgreich gefahren. Die Vereinsführung hat der Versuchung widerstanden, sich schwindeligen Geldgebern um den Hals zu werfen, die den Leuten weismachen wollen, dass Geld Tore schießt. Der FCS ist gesund gewachsen – und auch deswegen in Südtiroler Hand geblieben.
Von diesem Vernunft-Ansatz will die Vereinsführung auch nicht abrücken.
Haupteigentümer Hans Krapf, Clubpräsident Gerhard Comper und Vizepräsident Carlo Costa geben nicht die Lösung aus: Wir wollen in die Serie A. Sondern sie wissen: Mit dem Aufstieg in die Serie B ist der FC Südtirol in Sphären vorgestoßen, die in puncto Kragenweite gerade noch passen. Jetzt von Serie A zu sprechen, wäre verhängnisvoll.
Daher müsse es das Ziel sein, den Verein – mit allen Mitteln – in der Serie B zu halten, ebendort sich zu stabilisieren.
Die Vereinsführung hat der Versuchung widerstanden, sich schwindeligen Geldgebern um den Hals zu werfen, die den Leuten weismachen wollen, dass Geld Tore schießt.
Der FCS ist gesund gewachsen – und auch deswegen in Südtiroler Hand geblieben.
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Kommentare (1)
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andreas
Mir wäre aber lieber, sie würden sich schwindeligen Geldgebern an den Hals werfen, als dass diese Söldnertruppe mit Steuergelder durchgefüttert wird.
Es gibt 0 Gründe, warum Profifußballer subventioniert werden sollen und ob da ein Klub aus Südtirol in der Serie A oder D spielt, ist doch komplett egal, der Dukahons soll sich sein Hobby selbst finanzieren.