„Katastrophaler Alleingang“
Als unzumutbaren Nonsens bezeichnet der Fercam-Chef Thomas Baumgartner die österreichischen Transitmaßnahmen. Er stellt sich hinter Salvinis Klage und betont die Wichtigkeit der Brennerstrecke.
TAGESZEITUNG Online: Herr Baumgartner, die EU-Kommission macht Salvini den Weg frei gegen die Transitmaßnahmen Österreichs Rekurs einzureichen. Sie teilen diese Einstellung?
Thomas Baumgartner: Definitiv. Seit jeher habe ich behauptet, dass sämtliche Restriktionen des Transitverkehrs die Österreich verhängt hat nicht EU-konform sind. Die rechtliche Basis diese Verbote zu verhängen ist nicht gegeben.
Sie kritisierten bereits häufiger, dass Südtirol beziehungsweise Italien kein Mitspracherecht hatte…
Tirol hat einen Alleingang gemacht. Ohne jegliche Absprache sind sie mit dem Kopf durch die Wand. Wie Tiroler halt nun mal oft sind, halten sie sich für etwas Besseres. Die Brennerstrecke ist ein vitaler Verkehrsweg zwischen Italien und Nordeuropa. 60 Prozent des italienischen Handelsaustausches wird mit Europa betrieben und das meiste davon geht über den Brenner. Der Brenner ist das für Italien, was der Suezkanal für den Handel zwischen dem fernen Osten und Europa ist. Wir haben dort gesehen was passiert, wenn so eine lebenswichtige Verkehrsader abgeschnitten wird. Das sind Schäden für Italien und Schäden für Europa. Das kann man nicht einseitig bestimmen. Stellen Sie sich vor, solche Maßnahmen würden auf einmal im deutschen Eck oder in der Emilia Romagna vorherrschen. Das ist ein katastrophaler unzumutbarer Zustand.
Als Motivation hinter diesen Restriktionen wurden Bedenken um die Gesundheit und den Umweltschutz insbesondere durch Luftverschmutzung angeführt. Teilen sie diese Bedenken also nicht?
Diese Bedenken sind belanglos. Seit Jahren konnte durch die Prüfmessstellen an der Autobahn bewiesen werden, dass die Luftreinheit eingehalten wird. Es gibt überhaupt keinen Grund sich darauf noch zu berufen. Wenn überhaupt müsste Österreich sich um seine Werte in den Innenstädten wie Wien, Salzburg oder Innsbruck kümmern.
Also keine Gesundheitsrisiken?
Nein, überhaupt nicht. Welche Risiken soll es geben? Die Gesundheit ist gewährleistet, die LWKs sind inzwischen so sauber, dass es keine Gefährdung für die Gesundheit darstellt. Mit der bevorstehenden Elektro- und Wasserstoffmobilität kann von überhaupt keinen Abgasen mehr sprechen. Die Grenzwerte werden bereits heute nicht mehr überschritten.
Wie steht es um die Belange der Sicherheit?
Sicherheitsgefahren hat der PKW-Verkehr genauso wie der LKW-Verkehr zu verantworten. Zudem ist das Nachtfahrverbot das Schlimmste für die Belastung der Autobahn. Der Verkehr wird von diesem Verbot dermaßen eingeschränkt, dass er sich natürlicherweise auf die restliche Zeit fokussieren muss. Würde dieses Verbot aufgehoben werden würde sich der Verkehr auf mehrere Stunden verteilen können.
Wie steht es um die Lärmbelästigung?
Lärm entsteht natürlich. Durch Investitionen in Lärmschutzwände und Einhausung der Autobahn kann man dem entgegentreten. Die ASFINAG erzielt hohe Gewinne, die sie dafür nutzen könnten.
Südtirol findet sich zwischen zwei Stühlen wieder. Eine lokale Politik, welche gute Beziehungen zu Tirol pflegt doch auch mit Salvinis Lega in der Koalition sitzt. Wie nehmen sie als Südtiroler aber Befürworter von Salvinis Vorhaben diese Situation wahr?
Jeder Bürger ist grundsätzlich gegen den Verkehr, den sein Nachbar verursacht, egal ob durch das Dorf oder über die Autobahn. Aber jedem muss bewusst sein, dass der hausgemachte Verkehr notwendig für die Wirtschaft ist. Unser Lebensstandard kann ohne den für die Wirtschaft essenziellen Verkehr nicht aufrechterhalten werden.
Ein Dilemma also?
Südtirol ist sicherlich in einem Dilemma. Einerseits produzieren wird haufenweise Wein, Äpfel und weitere Exportgüter. Diese müssen wir auf die europäischen Märkte absetzen.
Andererseits hat Südtirol auch, wie im oberen Wipptal, die Bevölkerung, die sich gegen die Transporte ausspricht. Es ist politisch gesehen sicher ein Spagat.
Was denken Sie darüber, dass Österreich den eigenen Verkehr oft von den Restriktionen befreit?
Das ist eine Diskriminierung und ein No-Go. Der österreichische hausgemachte Ziel- und Quellverkehr wird ausgenommen aber der Transitverkehr so stark eingeschränkt. Die EU hat das zurecht kritisiert.
Erwarten Sie sich eine radikale Abschaffung aller Restriktionen?
Wir sind durchaus gewillt Kompromisse einzugehen. Der Schienenverkehr im Rahmen der sektoralen Fahrerverbote, kann beispielsweise weiterhin für Langstreckentransporte genutzt werden. Die Wochenend- und Feiertagsverbote müssen reduziert werden und zumindest so gut wie möglich vorab abgesprochen werden. Es muss für beide Seiten verträglich sein.
Das Nachtfahrverbot hingegen?
Das muss absolut abgeschafft werden. Die Infrastruktur muss entlastet durch mehrere mögliche Fahrtstunden werden und nicht durch ein Verbot. Das ist Nonsens.
Interview: Christian Frank
Kommentare (51)
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