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„Bräuchte sofortigen Rausschmiss“

Foto: lpa/Pixabay

Seit Monaten besetzt eine Familie in Sinich unbefugt eine Wohnung des WoBi. Ohne alternative Unterkunft sind der Polizei jedoch die Hände gebunden. WoBi-Anwalt Stefano Paparella über die Rechtslage und die nächsten Schritte.

von Christian Frank

„Solch ein Verhalten müsste eigentlich im Gefängnis enden“, konstatiert Stefano Paparella. Er ist für die rechtlichen Belange des Wohnbauinstituts Südtirol zuständig und hat seit den letzten Monaten einiges zu tun. In Sinich ereignete sich nämlich ein Vorfall, mit dem Südtirol bis dato noch nicht konfrontiert wurde. Eine fünfköpfige Familie dringt in eine leerstehende Wohnung des WoBi ein und weigert sich, diese wieder zu verlassen. Eine Situation, der auch die Interventionen der Ordnungshüter nicht Herr werden, und bei welcher sich immer mehr herauskristallisiert, dass sowohl WoBi als auch Ordnungskräften die Hände gebunden sind.

Paparella zeigt sich erzürnt über die italienische Gesetzgebung, die die Situation dermaßen verzwickt gestaltet: „In einem Staat, der sich ernsthaft mit solchen Verbrechen befasst, sollten solche Leute sofort rausgeschmissen werden.“

Diese vermeintlich einfache Lösung für ein so delinquentes Verhalten ist in Italien jedoch nicht durchführbar.

„Die Gesetzeslage stellt sich sehr schützend vor Bürger, die ihr Obdach verlieren und verkompliziert eine Räumung“, weiß Paparella. Besonders erschwerend fällt der Faktor Kind ins Gewicht. Im Falle dieser Familie sind es gleich drei Kinder im jungen Alter. Laut dem WoBi-Anwalt wurde die Familie bereits aus ihrer vorherigen Wohnung geschmissen. Zu diesem Zeitpunkt war die Mutter der Familie mit ihrem dritten Kind schwanger.

„Die Familie wurde nicht aufgrund etwaigen Eigenbedarfs des Eigentümers verjagt, sondern weil sie den Vermieter zehntausende an Euro kosteten“, verrät Paparella. Nach dem Rausschmiss besetzte die Familie jene WoBi-Wohnung in Meran, die zu dem damaligen Zeitpunkt gerade renoviert wurde. Das unverzügliche Einschalten der Polizeikräfte von Seiten des Wohnbauinstituts mündete jedoch in der ernüchternden Erkenntnis relativer Ohnmacht. Auch die zweite polizeiliche Intervention, welche sich vergangene Donnerstag zutrug, scheiterte.

„Es waren zwölf Polizisten involviert, doch schlussendlich wurde das Unterfangen vom stellvertretenden Kommissar abgeblasen“, rekapituliert Paparella und erläutert das derzeitige Hauptproblem, um eine Räumung zu ermöglichen, „Eine Räumung ist nur möglich, wenn eine Alternative für die Mutter und deren Kinder gefunden werden kann.“

Daran hängt sich die momentane Lage auf. Solange keine alternative Unterkunft garantiert werden kann, besteht „wenig Hoffnung“, dass es zu einer Räumung kommen wird, so der Rechtsanwalt. Solange dies nicht der Fall ist, gilt die Familie als Bedarfsfall und wird von der italienischen Justiz geschützt.

„Ein solch illegales Verhalten wird als Bedarfsfall gerechtfertigt. Für so etwas müsste man eigentlich ins Gefängnis gesteckt werden“, postuliert der Jurist. Er sieht nicht das WoBi in der Verantwortung, diese Alternative zu finden: „Wir sind keine Wohltätigkeitsvereinigung, wir bieten Unterkünfte gegen eine Gebühr an. Hier müssen sich die Sozialdienste oder die Caritas um Alternativen bemühen.“

Obwohl in diesem Fall gegeben der Umstände kein Mietvertrag besteht, ist das Prozedere bei Räumungen bei ausbleibenden Mietzahlungen ähnlich, weiß Paparella: „In einem solchen Fall kommt es zu einer Mindestfrist von sechs Monaten, in welcher die Familie Zeit hat, eine andere Bleibe zu finden. Sollten jedoch Kinder involviert sein und keine anderweitige Unterkunft gefunden werden, ist auch in solchen Fällen keine Räumung möglich.“

Der Jurist sieht jedoch im Angebot einer alternativen Unterkunft die Gefahr, falsche Signale zu vermitteln und das Problem lediglich zu verschieben, anstatt zu lösen: „Selbst im Falle der Vermittlung einer Wohnung von Seiten der Gemeinde Meran, wird damit lediglich gezeigt, dass man sich durch illegale Praktiken einen Vorteil gegenüber ehrlichen Leuten verschafft, welche sich an das vorgesehene Prozedere zur Wohnungsfindung halten.“

Durch den Sozialdienst hat man, so Paparella, überprüft, ob man der Mutter ihre Kinder abzunehmen kann, doch es konnten keine Zeichen von Gewalt oder anderweitigen Misshandlungen festgestellt werden.

Letzten Montag kam es zu einem weiteren Treffen mehrerer WoBi-Funktionäre, dem Sozialdienst, dem Bürgermeister und weiteren Beteiligten. Nun gilt es, eine Lösung zu finden, die im gesetzlichen Rahmen ist.

„Unter anderem wurden Container als Unterkunft genannt, doch wir müssen die Machbarkeit überprüfen“, so der Anwalt.

Die Recherchen des WoBi ergaben zudem, dass sowohl Urgroßvater als auch Urgroßmutter rechtmäßige Bewohner von WoBi-Wohnungen sind, die fünfköpfige Familie jedoch laut Paparella anscheinend nicht aufnehmen wollen. Dieser hinzukommende Sachverhalt gibt dem Rechtsanwalt Anlass, eine regionale Gesetzesänderung der Provinz zu beanstanden. „Hier handelt es sich um Blutsverwandte. Wenn Verwandte solcher Personen Wohnungen aus öffentlicher Hand beziehen, sollten sie verpflichtet werden, sie aufzunehmen“, so Paparella.

Gesetzesänderungen müsste es, so der WoBi-Jurist, genauso auf staatlicher Ebene geben, denn wenngleich dieser Fall ein Novum in Südtirol ist, macht diese Praxis in Italien bereits Schule.

„In Italien gibt es tausende solcher Fälle“, weiß Paparella, die Komplexität der Situation ist ihm jedoch durchaus bewusst, „In diesen Wohnungen hausen oft 45 Personen pro Unterkunft. Würde man diese alle rausschmeißen, wäre die Summe dieser Personen größer als die Einwohnerzahl Bozens. Wer soll diese aufnehmen? Das sind Verzweifelte, welche keine Wohnung im freien Markt finden konnten.“

Wie lange es sich bei dieser Polemik in Südtirol noch um einen Einzelfall handeln wird, ist sich Paparella nicht sicher. Das Signal der Ohnmacht, welche man hiermit sendet, so der Anwalt, könnten Nachahmer anregen selbes oder ähnliches zu unternehmen.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (24)

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  • opa1950

    Das beweist wieder einmal die Schwäche der zuständigen Landesrätin Mair und der Präsidentin des WOBI Tossolini.

  • svea

    Vor 40-50 Jahren gab es in fast jeder Gemeinde ein sog. Versorgungshaus, in dem Menschen untergebracht wurden, die kein eigenes Dach über dem Kopf hatten. Die Gründe, warum Menschen in diese Lage geraten sind, waren unterschiedlich, trotzdem wäre niemand auf die Idee gekommen in dieser Situation, auch noch Forderungen zu stellen.

    Das Verhalten der Familie in Sinich ist nicht nur illegal, sondern auch unverfroren. Mit welchem Recht erlauben sie sich Angebote einer anderen Unterbringung auszuschlagen und warum können sich Verwandte in der direkten Linie weigern sie vorübergehend aufzunehmen?

    Da sich die Gesetze nicht so schnell ändern lassen, wird man also nicht umhinkommen eine andere Lösung zu suchen. Die Unterbringung in einem Container wäre eine Möglichkeit, denn sie wäre auch verbunden mit einer wichtigen Botschaft: “ Wer sich nicht an die Regeln hält, hat kein Recht auf dieselbe Wohnqualität, wie Menschen die sich korrekt verhalten.“

    Es gibt in Südtirol nicht wenige Menschen, die in Häusern wohnen, die nicht die Wohnqualität einer Wobi Wohnung haben und die geduldig darauf warten bis sie an der Reihe sind, oder Rentner*innen, die sich mit ihrer Mindestrente keine bessere Wohnung leisten können und die deshalb trotzdem nicht aufbegehren.

    Wenn das Verhalten der Familie in Sinich Schule macht, dann wird es immer schwieriger werden dem Faustrecht Einhalt zu gebieten.
    Dieser Fall zeigt außerdem deutlich, dass sich der Gesetzgeber dringend mit dieser Materie befassen muss. Solange nicht das Mietrecht dahingehend reformiert wird, dass der Eigentümer wieder mehr Rechte bekommt, werden potenzielle Mietwohnungen zurückgehalten, egal wie die Gemeindeimmobiliensteuer geregelt ist.
    Außerdem sollten die Wohnbauprogramme so gestaltet sein, dass Menschen, die fleißig arbeiten und sparen auch in die Lage versetzt werden sich eine eigene Wohnung kaufen zu können.
    Jeder Mensch, der versucht seine Existenz durch Eigenleistung zu sichern entlastet den Sozialstaat und ist froh wenn er nicht Bittsteller sein muss.

  • autonomerbuerger

    Ich hoffe, dass dieser Vorfall uns Südtirolern einen Spielgel vorhällt. Sind wir doch als stimkreiches Land nichteinmal im Stande der normal arbeitenden Bevölkerung genug bezahlbahren Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Poltisch kratzt das niemanden. Siehe Lösung der zuständigen Landesrätin für das Problem. Ein so grosses Ungleichgewicht bei der Verteilung wird immer zu einem Pulverfass. Wie sehr jeder seine Pfründe verteitigt zeigt aktuell zum x mal der HGV. Aber auch Team K hat keine Vorschläge die radikal genug wären, das Problem zu lösen.

    • hallihallo

      südtirol 1990 . 442.000 Personen.
      südtirol 2023 538.000 Personen.
      Ein plus von 96.000 Personen oder 21.7 %.
      und alle wohnen in wohnungen. also ist wohnraum für fast 100.00 personen geschafffen worden. also kann man nicht behaupten , es ist nicht gemacht worden.

    • semperoper

      Offensichtlich haben wir in Südtirol auch nicht die Mittel, den Bürgern eine halbwegs akzeptable Rechtschreibung beizubringen…

  • hallihallo

    hier wird viel aufstand gemacht, aber in italien und auch deutschland gibt es genügend solcher fälle. wieviele private brauchen jahre, um nichtzahlende untermieter aus der wohnung zu bekommen? und genau deshalb will niemand an junge familien vermieten. weil mit kindern ist eine rausschmiß unmöglich.
    aber wenn das wobi nicht für solche zuständig ist, dann wer??

    • opa1950

      Natürlich wäre das WOBI für diese Missstände zuständig.Aber den Damen und Herren ist es mehr oder weniger egal was beim WOBI schief läuft.Wichtig ist das man jedes Jahr auf Kosten der Mieter mehrere Millionen an Reingewinn erwirtschaftet. Denn das WOBi ist sicher kein Wohltätigkeitsverein. Das Geld sollte in Sanierungen investiert werden,aber da tut sich leider dank SVP nichts.

  • brutus

    Vertrauen in Politik und Justiz nähert sich hier dem Nullpunkt!

  • olle3xgscheid

    Der Familie mit Kindern dürfte es für Wobi ein leichtes die Wohnung zu vermieten, wo liegt das Problem, drinn sind sie eh schon.?
    Noch dazu bemüht sich Wobi nicht mit 12 Polizisten und Anwalt, damit junge Südtiroler Familien zeitnah eine Wohnung erhalten. Ganz im Gegenteil, durch endlose Wartezeiten sind sie gezwungen auf dem überteuerteten Wohnmarkt zu mieten.
    Dazu kommt das Reparatursarbeiten vin den Mietern selbst beglichen werden müssen, das zieht sonst wie im Heustadel, und nein, bin kein Wobimieter

  • tirolersepp

    Gebt der Familie eine Unterkunft und macht nicht ein soooo großes Theater daraus !!

    Wieder mal aus einer Mücke ein Dinosaurier gemacht und die Presse hängt es an die große Glocke !!!

    • vinschgermarille

      Ja ,natürlich ,es ist nur eine Lappalie,dass man sich illegal eine Unterkunft unter denNagel reißt und Tausende Euro schuldig bleibt.Zudem ist die betroffene Familie italienisch dann ist das alles halb so wild,weil keine Ausländer. Also, wer sich korrekt verhält ist der Depp.

  • gewaltig

    wenn es ein öffentliches Institut betrifft, dann gibts so viel Aufregung…. wenns private vermieter betrifft,, redet niemand von den herrschaften über gegängnis ecc…

  • asd

    Als Vermieter bist du dem Mieter gegenüber ein armes Schwein.

    1 x gemacht.
    Nie wieder!!

  • andreas1234567

    Hallo zum Mittag,

    schwappt wohl jetzt aus Spanien über wo die sogenannten „Okupas“ sich ganz gern leerstehende Ferienwohnungen aneignen und rausbekommen ist dann schwer.
    In Italien scheint die Gesetzeslage ähnlich und jetzt kommt die entsprechende Klientel darauf.

    Um was für Mieter es sich handelt ist verklausuliert in Zehntausende Euro Schaden beim Vorvermieter..

    Welches Gesetz verlangt eigentlich die besetzte Wohnung mit Strom und Wasser zu versorgen?

    Auf Wiedersehen in einer leeren WoBiwohnung, ich bring Bohrmaschine und Ersatzschloss mit

  • dn

    Und dann sich wundern, dass bestimmte Leute keine Mietwohnung finden? Die Gesetze sind falsch und beschützen die Furbi. Die Ehrlichen sind die Deppen.

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