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Gratis im Bus

Foto: STA

Der gesamte ÖPNV in Südtirol finanziert durch eine touristische Mobilitätsabgabe von zwei Euro pro Übernachtung – und das Ende von Fahrscheinen und Entwertern: Zwei Mitarbeiter der Landesabteilung Mobilität lancieren diesen zukunftsweisenden Vorschlag in einem Brief an den Landeshauptmann.

von Thomas Vikoler

Der im Landtag knapp abgelehnte Beschlussantrag des Team-K-Abgeordneten Paul Köllensperger sorgt derzeit für heftige Abwehrreaktionen der Tourismuswirtschaft. Köllenspeger schlägt eine Zehn-Euro-Abgabe für Touristen pro Übernachtung vor – eine Art Eintrittsgeld für die schöne Landschaft, mit dem verschiedene Dienste, darunter der ÖPNV, mitfinanziert werden sollten.

Es ist nicht der einzige Vorschlag, wie Touristen zum allgemeinen Wohlergehen beitragen könnten. Zwei Mitarbeiter der Landesabteilung Mobilität, die täglich mit der Organisation der öffentlichen Bus-, Bahn- und Seilbahn-Dienste beschäftigt sind, haben einen zukunftsweisende Idee lanciert. Und zwar in einem Brief an Landeshauptmann Arno Kompatscher, der bisher unbeantwortet geblieben ist.

Ihr Vorschlag: Der gesamte ÖPNV könnte über eine touristische Mobilitätsabgabe von zwei Euro finanziert werden – und alle könnten die öffentlichen Verkehrsmittel in Südtirol kostenlos nutzen. Keine Fahrscheine mehr, keine Entwerter, kein Südtirol-Pass, keine Kontrollen.

„Mit dieser starken sozialen und ökologischen Maßnahme könnte für alle ein einfacher und niederschwelliger Zugang zum öffentlichen Nahverkehr in Südtirol bereitgestellt und eine Vielzahl von Zugangshürden abgebaut werden. Durch Verkürzung der Fahrgastwechselzeiten, der Standzeiten an den Haltestellen und Reduzierung einer Reihe von Störfaktoren würde die Pünktlichkeit der Verkehrsmittel angehoben und der Dienst insgesamt effizienter und konkurrenzfähiger“, heißt ist in dem Brief LH.

Ermöglichen soll dies alles eine „klassische Umlagefinanzierung“ in Gestalt einer Mobilitätsabgabe pro Übernachtung, welche über die Ortstaxe einzuheben wäre. Bereits jetzt wird der ÖPNV teilweise über die Ortstaxe finanziert. Derzeit fließen 0,55 Cent pro Gast und Übernachtung in diesen Bereich, in Zukunft sollen es 70 Cent sein.

Angesichts steigender Nächtigungszahlen (im vergangenen Jahr gab es in Südtirol nicht weniger als 35 Millionen registrierter Übernachtungen) brächten zwei Euro pro Gast – Kinder, für die keine Ortstaxe zu entrichten ist, abgezogen – eine stattliche Summe von mehr als 60 Millionen Euro. Das Land nahm 2019, dem letzten Jahr vor Corona, rund 45 Millionen aus den Fahrscheinerlösen ein. Der Rest der Ausgaben für des Nahverkehrsangebots wird ohnehin aus dem Landeshaushalt subventioniert.

Es blieben also, jedenfalls nach dieser Berechnung, mindestens 20 Millionen für Investitionen etwa in neue umweltfreundliche Busse und einem Ausbau des Linienangebots. Denn allein das an eine deutsche Firma vergebene Ticketingsystem kostet dem Land bzw. der landeseigenen STA derzeit jährlich sechs Millionen Euro – es funktioniert bekanntlich zeitweise nicht. Auch die Verwaltung des Südtirol-Pass kostet sehr viel Geld. „Das gesamte Ticketingsystem bindet große finanzielle und personelle Ressourcen, die in anderen Bereichen besser investiert wären, etwa in der Qualitätssicherung und Fahrgastinformation“, schreiben die beiden Mitarbeiter der Abteilung Mobilität.

Und für die Gäste wäre laut dem Brief eine erhöhte Ortstaxe zur Finanzierung der gesamten öffentlichen Mobilität in Südtirol verschmerzbar – bei einer durchschnittlichen Aufenthaltsdauer von 4,3 Tagen wären es zehn Euro pro Gast. Die Touristen selbst können dann ebenfalls fahrscheinfrei durchs Land fahren, also ohne die umstrittene Gästekarte, die bei der einheimischen Bevölkerung für Ärger sorgt. Nicht nur wegen der zeitweise von Gästen überfüllten Busse.

Die Autoren des Briefes an den LH können sich auch eine soziale Staffelung der Mobilitätsabgabe nach Beherbergungskategorie vorstellen. Und: „Laut unserer Einschätzung würde es kurzfristig kaum zu übermäßigen Überfüllungen kommen, da die Bevölkerung nur schrittweise auf den öffentlichen Nahverkehr wechseln würde“, betonen sie. „Es bracht aber Anreize bei der öffentlichen Mobilität und im Gegenzug Einschränkungen für den motorisierten Individualverkehr. Nur mit einer konsequenten Push- und Pull-Strategie lässt sich eine Mobilitätswende schaffen“.

Beispielgebend für den Vorschlag sind etwa der Gratis-ÖPNV in mehreren europäischen Städten wie Montpellier, Genua und Tallin. Auf Malta sind seit Oktober 2022 öffentliche Busse für alle – Einheimische wie Touristen – kostenlos. Im Tourismusort Livigno (7.000 Einwohner) verkehren drei Buslinien, für die kein Fahrschein benötigt wird.

Angesichts von Köllenspergers Zehn-Euro-Vorschlags, laut dem auch der Nahverkehr mitfinanziert werden sollte, erscheint die Zwei-Euro-Lösung aus dem Mobilitätsassessorat leichter umsetzbar und auch für die Touristiker verdaubar. Tatsächlich hat sich eine Mehrheit der vom IDM im Rahmen einer Umfrage befragten Gäste bereit erklärt, einen finanziellen Beitrag zu leisten.

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