„Die Risse haben sich halbiert“
In Tirol werden regelmäßig Problem- und Schadwölfe entnommen. Landesjägermeister Anton Larcher erklärt, wie die Jäger dabei vorgehen und warum die Verordnungen so schnell umgesetzt werden.
Tageszeitung: Herr Larcher, bereits seit längerem sind in Tirol Wolfsabschüsse möglich. Wie man kürzlich bei einem Abschuss in Osttirol gesehen hat, dauert die Umsetzung einer entsprechenden Verordnung nur wenige Stunden. Wie genau wird ein Wolf in Tirol entnommen?
Anton Larcher: Bis vor einigen Jahren wurde die Entnahme eines Problemwolfes oder Schadwolfes mittels eines Bescheides angeordnet. Das Problem war, dass Tierschützer und NGOs sofort Berufung gegen diesen Bescheid eingelegt haben und aufgrund der geltenden EU-Rechte und Richtlinien Recht bekommen. Der Bescheid wurde also immer schnell aufgehoben. Jetzt erfolgt die Entnahme nicht durch einen Bescheid, sondern durch eine Verordnung der Landesregierung. Diese kann nicht mehr angefochten werden, weil die NGOs kein Einspruchsrecht haben.
In der Praxis wird schnell gehandelt. Wie läuft die Wolfsjagd ab?
Das ist ein Ausdruck, den ich nicht verwende. Es handelt sich um den Vollzug der Entnahme, wo wir bereits Erfahrung gesammelt haben. Wir machen Unterscheidungen zwischen Problemwölfen und Schadwölfen. Ein Problemwolf hat die Scheu vor dem Menschen nahezu verloren und ist am helllichten Tag in der Nähe der Siedelungen unterwegs. Er versucht dort Nutztiere zu reißen. Wenn so schnell wie möglich eine Verordnung eingeleitet wird, bestehen gute Chancen ihn auch schnell zu entnehmen. Bei Schadwölfen handelt es sich hingegen nach wie vor scheue Tiere. Eine Verordnung muss hier noch schneller her, weil die Chance, dem Wolf dort zu begegnen, wo er das Schaf gerissen hat, nur wenige Tage besteht. Da die Tiroler Landesregierung schnell reagiert, ist es uns beim letzten Abschuss in Osttirol vor rund zwei Wochen auch gelungen den Wolf bereits am nächsten Tag zu entnehmen.
In Tirol sind die Jäger für die Entnahme verantwortlich. Verfügen diese über die nötigen Kenntnisse?
Wir haben auch versucht, die Entnahme durch Exekutionskommandos vorzunehmen, das ist aber kläglich gescheitert, weil diesem Kommando die Revierkenntnis fehlt. Außerdem ist die Entnahme nicht einfach. Es hat keinen Sinn, wenn eine Hundertschaft von Jägern sitzt. Es braucht eine genaue Abklärung und einen strategischen Plan. Gerade in Osttirol beherrschen wir das hervorragend. Wir veranstalten laufend Informationsveranstaltungen, wie wir vorschlagen die Verordnungen am besten umzusetzen. Wir tauschen uns dazu auch mit Experten aus. Das funktioniert hervorragen.
Wir eine Verordnung also direkt nach dem Riss ausgestellt?
Die Risse werden zunächst vom Amtstierarzt begutachtet. Dieser kann relativ einfach aufgrund des Rissbildes relativ einfach feststellen, ob es wahrscheinlich ein Wolf war. Wenn das der Fall ist, informiert er sofort die zuständigen Behörden und Mitglieder der Landesregierung, diese erlassen dann die nötigen Verordnungen.
Wölfe sind bekanntlich Rudeltiere. Wie kann man sicherstellen, dass es sich genau um jenen Wolf handelt, der Tags zuvor die Tiere gerissen hat?
Wenn man einen Wolf innerhalb weniger Tage erneut in dem Gebiet antrifft, in dem zuvor Tiere gerissen wurden, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass es sich um dasselbe Exemplar handelt. 2022 gab es 19 Nachweise, 2023 waren es sogar 26 Nachweise. Das entspricht einer Steigerung von über 30 Prozent, also genau der Reproduktionsweise des Wolfes. Nachdem in Europa zwischen 17.000 bis 19.000 Individuen leben, kann man sich ausrechnen, wie schnell sich eine Population verdoppelt. Es geht progressiv nach oben, daher gibt es auch immer mehr Nachweise. Es ist daher aus meiner Sicht unbedingt notwendig, den Wolf zu regulieren, zu managen und streng zu monitorieren. Eine Entnahme auf europäischer Ebene sehe ich als große Notwendigkeit.
In Tirol sind bereits einige Wölfe entnommen worden. Hat sich die Situation durch die Abschüsse verbessert?
2022 wurden etwa 1.000 Tiere vermisst oder gerissen. 2023 ging die Zahl auf etwa 500 zurück. Das hat aber mehrere Ursachen. Zum einen glaube ich schon, dass der Wolf mitbekommen hat, dass vom Menschen eine Gefahr ausgeht. Der Druck bejagt zu werden hat zugenommen. In erster Linie sehe ich den starken Rückgang der Nutztierrisse aber durch das Verhalten der Bauern: Sie treiben später auf, sie versuchen die Schafe besser zu schützen, da und dort greift sogar der Herdenschutz. Dabei darf man nicht vergessen, dass 500 vermisste Tiere immer noch viele sind.
Der Wolf, der vor rund zwei Wochen in Osttirol entnommen wurde, hielt sich in unmittelbarer Nähe zur Südtiroler Grenze auf. Nur einen Tag zuvor gab es auch einen Riss in Prettau. Glauben Sie, dass der entnommene Wolf auch in Südtirol zugeschlagen hat?
Zwar kann man das mit Sicherheit nur mit den DNA-Analysen feststellen. Ich sehe das aber mit einer 90-prozentigen Sicherheit, da die Risse innerhalb von kurzer Zeit passiert sind. Ob der Wolf aus einer dynamischen Population entstammt oder irgendwo anders herkommt, kann ich dagegen nicht beurteilen. Fakt ist, dass wir von Wolfspopulationen in Österreich umzingelt sind und mit stärkerer Präsenz rechnen müssen. Das erste Rudel gab es zwischen Tirol und Kärnten, dieses kann für die dortige Landwirtschaft zu großen Schäden führen. Einen 100-prozentigen Herdenschutz gibt es nämlich nicht, bei kleinstrukturierten Almen ist es auch ein Ding der Unmöglichkeit, diese mit Zäunen auszustatten. Man bräuchte Kilometer lange Zäune und eine Hundertschaft von Hirtenhunden, die nicht zur Verfügung stehen. Hinzu kommen die hohen Kosten.
Interview: Markus Rufin
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Kommentare (7)
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rumer
Und in der Zwischenzeit macht die EsseVuPi……gar nichts. In Südtirol wird gewartet, bis ein Wolf einen Menschen angreift.
Hier müssen sich die Bauern selbst helfen, die Politik ist mit Selbstbeweihräuchern und Geldverdienen beschäftig. Wo kämen wir den hin, wenn sie sich auch noch um die restlichen Menschen kümmern müssten.
sellwoll
@rumer: die Partei heißt SVP.
brutus
…verständlich, sobald man grünes Licht von der ISPRA bekommt flattern den Politikern Morddrohungen von militanten Tierschützern ins Haus!
sigmundkripp
Zitat Larcher: „In erster Linie sehe ich den starken Rückgang der Nutztierrisse aber durch das Verhalten der Bauern: Sie treiben später auf, sie versuchen die Schafe besser zu schützen, da und dort greift sogar der Herdenschutz.“
rumer
@sigmund
Die Weidetiere später auftreiben ist wiederum schlecht für die Artenvielfalt. Lies mal:
https://www.agrarheute.com/tier/wisent-rind-schaf-retten-weidetiere-wirklichkeit-klima-620761
heracleummantegazziani
rumer, Sie werden laufend entkräftet und versuchen es mit billigen Ausreden. Mit dieser Strategie landen Sie höchstens bei ihren 10 Wählern.
Es geht darum, dass Ihre Theorie einfach schon wieder widerlegt wird.
rumer
@hera
lies den oben verlinkten Artikel und schäme dich drei Jahre lang in Grund und Boden!
P.S. die Stimmen von dummen Wählern interessieren mich nicht.