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Die Erpressung

LR Massimo Bessone

Wie ein SVP-Mitglied der Landesregierung vor einem Jahr den damaligen Landesrat Massimo Bessone gezwungen hat, seinen Antrag zum Hissen der ladinischen Fahne zurückzuziehen.

von Artur Oberhofer

Am Ende standen (fast) alle als Sieger da.

Paul Köllensperger vom Team K, der den Beschlussantrag im Regionalrat eingebracht hatte. Die SVP, deren Fraktionschef Harald Stauder nach der Abstimmung am Mittwoch erklärte: Die SVP habe „immer verlangt“, dass „die ladinische Flagge gleichberechtigt neben den anderen Flaggen auf öffentlichen Gebäuden auszuhängen“ sei. Und die SVP-Ladiner, die ihrem Wählervolk nun stolz verkünden können, dass ie blau-weiß-grüne ladinische Fahne künftig bei gegebenen Anlässen neben der Flagge Südtirols, Italiens und Europas ausgehängt werden kann.

Der Regionalrat hat nämlich am Mittwoch den Beschlussantrag des Team K („Einführung von Verordnungsbestimmungen über die Benutzung und das Anbringen der ladinischen Flagge in den Gemeinden der Region Trentino-Südtirol nach über 100 Jahr seit ihrem Entstehen“) genehmigt. Mit 58-Ja-Stimmen bei sechs Enthaltungen.

Auch die SVP-Fraktion stimmte für den Köllensperger-Antrag.

Brisant: Vor einem Jahr hat die Südtiroler Volkspartei genau denselben Antrag, eingebracht vom damaligen Lega-Landesrat Massimo Bessone, versenkt, beziehungsweise den Einbringer mit brachialen Methoden dazu genötigt, den Beschlussantrag zurückzuziehen.

Die Fakten: Es war der Lega-Assessor von St. Ulrich in Gröden, Stefan Kasslatter, der Landesrat Massimo Bessone im vergangenen Jahr auf das „aus Fascio-Zeiten stammende Unrecht“ in Zusammenhang mit der ladinischen Flagge hinwies.

Massimo Bessone nahm sich der ladinischen Sache an, ließ sich einen entsprechenden Beschlussantrag schreiben und diesen von seiner persönlichen Referentin, der Juristin Anna Pittarelli, prüfen. Und reichte ihn ein.

Was in der Folge geschah, ist ein handfester Polit-Skandal, über den Bessone bislang geschwiegen hat. Aus Rücksicht auf die SVP, mit der er bis zu seiner Abwahl bei den letzten Landtagswahlen im Regierungsboot gesessen hat.

Doch jetzt erzählt Massimo Bessone, was damals hinter den Kulissen geschehen ist:

„Ich habe also diesen Beschlussantrag eingereicht. Aus mir anfangs nicht bekannten Gründen wurde dieser Antrag aber nie auf die Tagesordnung genommen. Deswegen habe den Antrag irgendwann als Tagesordnungspunkt, also als ,ordine del giorno‘ eingereicht. Zuvor habe ich eine E-Mail an die SVP-Ladiner und an den Ladiner der Trentiner Civica, Luca Guglielmi, geschickt und sie eingeladen, den Antrag mitzuunterzeichnen. Die SVP-Ladiner (auch wenn Bessone keine Namen sind, jede/r in Südtirol weiß, wer gemeint ist, Anm. d. R.) sind dann zu mir gekommen und haben gesagt, dass sie es nicht gut finden, wenn ich den Antrag einreiche.

Ich habe entgegnet, dass sie den Antrag ja mitunterschreiben können. Kurzum: Die SVP-Ladiner gaben mir zu verstehen, dass es die SVP sein sollte, die diesen Antrag stellt. Außerdem sei er juristisch nicht ausgefeilt, sagten sie. Ich habe dann vorgeschlagen, dass Regionalratspräsident Sepp Noggler den Antrag vom Rechtsamt prüfen lassen soll. Die Advokaten der Region sagten, dass man den Antrag so einreichen könne. Vonseiten der SVP hieß es dann aber erneut, dass, wennschon, die Volkspartei diesen Antrag einbringen müsse, denn, so sagte man mir: ,Die Ladiner gehören politisch uns‘. Und: Ich solle nicht wenige Monate vor den Landtagswahlen ,einen casino‘ machen.

Ich habe mich dann aufgeregt und zu den SVP-Unterhändlern gesagt: ,Me ne frega un c…, ich reiche diesen Antrag ein. Aus. Amen. Das Unrecht besteht sei 100 Jahren, ihr hattet genügend Zeit, einen solchen Antrag einzubringen.‘ “

Als die SVP-Ladiner merkten, dass sie den Lega-Landesrat nicht umstimmen können, holten sie Hilfe.

Paul Köllensperger

Massimo Bessone nennt offiziell keinen Namen, aber es war ein hochrangiges Mitglied der Landesregierung, der den Landesrat in der Folge eiskalt erpresste.

Der hohe SVP-Politiker sagte zu Bessone wörtlich:

„Du willst am Dienstag in der Landesregierung deine Beschlüsse durchbringen, oder? Du willst mehr Geld für Menschen mit Behinderung, für Bauten im italienischen Bereich? Dann wäre es für dich besser, mit uns zusammenzuarbeiten und den Antrag zurückzuziehen.“

Die Volkspartei habe ihn geblockt, weil man der Lega diesen politischen Erfolg nicht gönnen wollte, sagt Bessone im Rückblick. „Die SVP hat gemerkt, dass sie in diesem Punkt geschlafen hat und wollte nicht, dass dies so kurz vor den Wahlen an die Öffentlichkeit kommt.“

Massimo Bessone beugte sich schlussendlich dem Druck, den ein mächtiges SVP-Mitglied der Landesregierung auf ihn ausgeübt hat.

Wie (un-)wichtig der SVP die Anliegen der Ladiner sind, zeigt sich auch daran, dass es nicht die Volkspartei war, die den Antrag in Bezug auf die ladinische Flagge in der neuen Legislaturperiode erneut aufs Tapet brachte, sondern Paul Köllensperger.

Der Team K-Chef fragte vor Wochen bei Massimo Bessone nach, ob es ihn denn störe, wenn er seinen Antrag übernehme und neu einreiche. Bessone antwortete, er habe nicht nur nichts dagegen, sondern er sei glücklich, wenn Köllensperger seinen Antrag erneut vorlege.

Gesagt, getan. Der Köllensperger-Antrag wurde genehmigt, mit den Stimmen der zähneknirschenden SVP-Mandatare.

Der ehemalige Lega-Landesrat Bessone kann eine gewisse Schadenfreude nicht verbergen:

„Für die SVP wäre es besser gewesen, wenn sie meinen Antrag mitunterzeichnet hätte, denn jetzt hat sie den politischen Erfolg ihrem stärksten Konkurrenten, dem Team K, überlassen müssen.“

 

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