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„Er schürt nur Neid“

Manfred Pinzger und Paul Köllensperger

Im Grundsatzstreit darüber, ob der Tourismus die Allgemeinheit künftig viel stärker am Ertrag teilhaben lassen sollte, wehrt sich jetzt der HGV. Und zwar heftig.

TAGESZEITUNG: Herr Pinzger, Paul Köllensperger hat eine Grundsatzdiskussion ausgelöst. Der Succus: Weil der Tourismus ein Allgemeingut vermarktet, müsse die Allgemeinheit auch am Ertrag beteiligt werden.

Manfred Pinzger: Es ist keinem geholfen, wenn an der Realität vorbeidiskutiert wird. Als HGV scheuen wir keine daten- und faktenbasierte Diskussion über die Ausrichtung und die Zukunft des Sektors, schließlich haben wir beispielsweise auch die Bettenobergrenze als Verband mitgetragen. Keine Selbstverständlichkeit, wenn man bedenkt, dass der Tourismus der damit am meisten regulierte Wirtschaftszweig unseres Landes ist.

Köllensperger anerkennt, dass der Tourismus eine der tragenden Säulen der Wirtschaft sei, das stehe sogar in seinem Beschlussantrag …

Das stimmt nicht. In einem Nebensatz heißt es zwar, dass auch die Gastronomie und das Handwerk profitieren würden. Im ersten Teil seines Beschlussantrages wirft er Südtirols kleinstrukturierte familiengeführte Beherbergungsbetriebe aber in einen Topf mit Unternehmen wie Microsoft, Apple, Alphabet (Google), Meta Platforms und Amazon.com, die in Europa kaum Steuern abführen und sich nicht an den Allgemeinkosten beteiligen. Sein Vergleich im Beschlussantrag mit den Erdöl-fördernden Betrieben in Norwegen ist ebenso weit hergeholt.

Köllensperger beanstandet, dass Touristen mit dem Guest-Pass „auf Kosten der Steuerzahler durchs Land touren“ …

Abgesehen davon, dass Konsens darüber bestehen sollte, dass in einer nachhaltigen Tourismusdestination, wie es Südtirol sein möchte, es besser ist, wenn die Gäste sich mit dem ÖPNV bewegen, anstatt mit dem Privatauto das Land zu erkunden, ist die Aussagen schlichtweg falsch und schürt nur Neid. Der Anteil der Einnahmen aus der Guest-Card beläuft sich nämlich auf 23 Prozent der Gesamteinnahmen. Der Anteil an den Entwertungen liegt hingegen lediglich bei 16 Prozent. Insofern werden die Fahrtkosten nicht nur gedeckt, sondern es wird vom Gast und Beherbergungsbetrieb mehr in die öffentliche Mobilität eingezahlt, als der ÖPNV vom Gast effektiv genutzt wird.

Köllensperger redet von einem unkontrollierten Wachstum im Tourismus.

Viel los am Pragser Wildsee (Foto: Facebook)

Das ist insofern falsch, als dass mit dem Landestourismusentwicklungskonzept die Nächtigungen auf Betriebs- Gemeinde und Landesebene gedeckelt wurden und zudem festgelegt wurde, dass kein Betrieb – auch wenn er die urbanistischen Voraussetzungen hätte – über 150 Betten hinaus erweitert werden kann. Das Gastgewerbe ist heute der am meisten reglementierte Sektor in Südtirol. Dafür, dass die private Vermietung von Wohnraum und die Zweitwohnungen in Südtirol überhandgenommen haben, kann dem Sektor nicht zur Last gelegt werden.

Köllenspergers These, dass auch die Bevölkerung dafür entschädigt werden sollte, dass der Tourismus Allgemeingüter wie Berge, Landschaft, Umwelt und Infrastrukturen vermarktet, hat schon eine Logik …

 Dies zu Ende gedacht hieße, dass alle Sektoren und alle Betriebe die Allgemeingüter, wie Boden für den Betriebssitz, Wasser oder die klimatischen Vorzüge des Landes für die landwirtschaftliche Produktion, das Straßennetz für den Transport oder auch nur ein Landschaftsfoto für das Marketing usw. nutzen, neben Abgaben und Steuern, die gesetzliche geregelt sind, eine zusätzliche Entschädigung an die Allgemeinheit zahlen müssten. Dass Köllensperger hier den Tourismus rauspickt, ist der spalterische Ansatz, den der HGV angekreidet hat.

Köllensperger meint im Beschlussantrag, dass die Beherbergungsbetriebe heute „pro Gast und Nacht als Steuersubstitut nur eine Gemeindeaufenthaltsabgabe, alias Ortstaxe, zwischen 0,5 und 5 Euro pro Kopf und Nacht“ einheben. Dazu sollte eine zusätzliche Aufenthaltsgebühr gezahlt werden.

Abgesehen davon, dass Köllensperger bewusst sein sollte, dass die Ortstaxe bei mindestens 1,5 Euro startet und bis 5 Euro pro Nächtigung reichen kann, stellt genau diese bereits eine Aufenthaltsabgabe dar. Ein Landesgesetz ermöglicht zusätzlich die Einführung einer Landestourismusabgabe, die alle jene Branche bezahlen müssten, die vom Tourismus profitieren. Möglicherweise hat Köllensperger das Konzept „Venedig“ im Kopf. Dort werden aber nur Tagesgäste zur Kasse gebeten, die Übernachtungsgäste bezahlen die übliche Ortstaxe.

 Warum kommt die Ortstaxe nur dem Tourismus und der IDM zugute?

Es stimmt, dass 30 Prozent der Ortstaxe in Richtung IDM fließen. Diese Mittel dienen aber nicht nur dem Tourismusmarketing, sondern auch dem Produkt- und Agrar-Marketing. Der Rest bleibt bei den Tourismusvereinen, die damit ihre Tätigkeit, die vielfach auch die örtliche Bevölkerung nutzt und z.B. Wanderwege, kulturelle Veranstaltungen usw., finanzieren. 

Die Ortstaxe reicht bei weitem nicht, um die Kosten für Müll, Abwasser, CO2, Verkehr usw. zu decken.

Erstens gibt es Müll-, Wasser- und Abwassergebühren, die alle Beherbergungsbetriebe regulär zahlen. Daneben fallen Kosten für die Besetzung von öffentlichem Grund an, bei baulichen Entwicklungen wird die Baukostenabgabe gezahlt und es wird die Gemeindeaufenthaltsabgabe bezahlt. Bei letzterer sind die Beherbergungsbetriebe die Hauptzahler. Nicht bekannt ist dem HGV, dass in Südtirol neuerdings eine Abgabe für das Verursachen von CO2oder Verkehr zu zahlen wäre. Der HGV stellt sich dieser Diskussion aber gerne.

Mit der zusätzlichen Abgabe möchte das Team K kostenlose Öffis für Einheimische, öffentliche Mietwohnungen und die Pflegesicherung finanzieren …

Südtirols Landeshaushalt 2024 umfasst 7,4 Milliarden Euro. Dieses Gesamtvolumen, von dem anderen Regionen nur träumen können, ist einer gut gehenden Wirtschaft geschuldet, in welcher der Tourismus ein zentrales Zahnrad darstellt und somit maßgeblich zum gut bestückten Landeshaushalt beiträgt. Gerade der Tourismus stellt sicher, dass in den ländlichen Gemeinden in Gasthäusern, Bars und Restaurants genügend Nachfrage vorhanden ist, damit diese Strukturen offenbleiben können und der lokalen Bevölkerung als Treffpunkte dienen. Dasselbe gilt auch für die Handelsgeschäfte und Dienstleister, die ohne touristische Nachfrage schließen müssten und somit auch als Nahversorger für die einheimische Bevölkerung wegfallen würden. Auch das Freizeitangebot, für welches Infrastrukturen notwendig sind, lässt sich lediglich mit Einnahmen aus dem Tourismus stemmen. Daraus lässt sich schließen, dass im ländlichen Raum kaum ein Angebot, angefangen vom Bäcker über die Bar und das Lebensmittelgeschäft oder Freizeitanlagen langfristig ausschließlich mit der lokalen Nachfrage überleben könnte.

Interview: Artur Oberhofer

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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