„Nicht der Einzige“
Fünf Landtagsparteien setzten gegen Jürgen Wirth Anderlan ein Zeichen. Für David Röck von der Bewegung No Excuses ist JWA aber nicht die einzige Gefahr von rechts im Landtag.
von Christian Frank
Jürgen Wirth Anderlan ist in aller Munde. Der vom Landtag designierte politische Buhmann ist spätestens seit der gegen ihn gerichteten Protestaktion von insgesamt 20 Landtagsabgeordneten das schwarze Schaf am Silvius-Magnago-Platz. Seine polternden Steinbruchparolen bei einem FPÖ-Treffen in Österreich haben den Kalterer jenseits der vom Landtag neuerdings festgelegten „roten Linie“ manövriert und ein klares Zeichen gegen rechts motiviert.
Doch Anderlan sollte nicht der alleinige Sündenbock sein, findet David Röck. Röck ist eines der federführenden Gesichter der No-Excuses-Bewegung.
Bewaffnet mit von Filzstiften beschrifteten Plakaten und Kerzenlichtern mobilisierten sie vergangenen Januar hunderte von Demonstranten, um gegen die sich abzeichnende Rechtskoalition der zukünftigen Landesregierung zu protestieren. Auch wenn es um die Bewegung, welche im Grunde einen losen Zusammenschluss mehrerer Protestbewegungen darstellt, ruhiger geworden ist, beobachten die Akteure vigilant das Schauspiel der Südtiroler Politik. Während Röck das Auftreten und die Äußerungen Anderlans scharf verurteilt, findet er einen nur auf ihn gemünzten Protest bedenklich.
„Die Nazibegriffe und das Nazigedankengut, welche hier von Anderlan offensichtlich verwendet wurden, sind zurecht zu kritisieren. Jedoch lässt es die anderen rechten Parteien in Vergessenheit geraten.“
Röck bezieht sich auf „bedenkliche Symboliken“ rechter italienischer Parteien und den Umtrieben der Süd-Tiroler Freiheit.
„Wenn eine Partei, wie die Fratelli d’Italia bei der Gedenkfeier am 25. April abwesend ist, dann sendet das ein klares Zeichen“, beanstandet Röck und kritisiert auch die Süd-Tiroler Freiheit für ihren Auftritt in den Sozialen Medien, „Seit Monaten machen sie es sich zur Hauptaufgabe aktiv gegen Ausländer Hetze zu betreiben.“
Im Schatten des bärtigen Kalterers würden die Aktionen dieser Parteien jedoch „verharmlost“ werden beziehungsweise in Vergessenheit geraten.
„Man muss alle Rechtsparteien gleichermaßen für ihr Fehlverhalten zur Rechenschaft ziehen, nur einen bestimmten Fokus zu setzen, kommt den anderen in gewisser Weise zugute“, konkludiert Röck.
In diesem Sinne hatte auch die No-Excuses-Bewegung Proteste gegen die Front Anderlan geplant, wäre dessen verpönter Freund Martin Sellner tatsächlich nach Südtirol gekommen, so Röck.
„Wir haben uns bereits mit anderen Bewegungen intern abgesprochen, jedoch wurde das Eintreffen von Sellner kurzfristig abgesagt.“
Der Protestaktion der Landtagsabgeordneten steht Röck mit gemischten Gefühlen gegenüber.
„Man muss den Beteiligten anerkennen, dass sie ein klares Zeichen gesetzt haben, das ist ein wichtiges politisches Statement“, lobt Röck, hängt jedoch ein großes Aber an.
„Es wirkt auch ziemlich nach Wahlkampfmache, die EU-Wahlen stehen vor der Tür und ein solches Unterfangen sorgt sicherlich für ein gutes Bild“, findet der Student.
Des Weiteren sieht er auch einen Versuch darin, jene Wählerschaft zu beschwichtigen, welche durch die Rechtskoalition der Regierung womöglich abgeschreckt wurde: „Es wurden viele Wähler durch die Koalitionsbildung enttäuscht.“
Sozusagen ein Annäherungsversuch der Politik an jene, welche man vergrault hat.
Röck fiel ebenso auf, dass die rechten Regierungsparteien mit ihrer Abwesenheit abermals einer symbolischen Geste fernblieben.
„Es ist schon fragwürdig, wenn diese Parteien bei solchen Anlässen fehlen.“
In Anbetracht dieser Gesamtsituation mahnt Röck, dass man sich nicht zu viel von diesem Protestakt „schmeicheln lassen“ soll.
Beurteilen würde er die Regierung lieber an ihren Taten und Errungenschaften als an symbolischen Zugeständnissen.
„Landeshauptmann Kompatscher verhandelt gerade mit Calderoli über unser Autonomiestatut. Hier gilt es genau hinzusehen, ob die Rahmenbedingungen und der Zeitplan eingehalten werden“, erklärt Röck.
Für die Bewegung stellt das noch ausstehende Resultat dieser Verhandlungen einen wichtigen Faktor dar, da die Begünstigung beziehungsweise der Ausbau der Autonomie eines von Kompatschers grundlegenden Versprechen im Zusammenhang mit der Koalition mit den italienischen Rechten war.
Ob und wann es wieder Aktionen der No-Excuses-Bewegung geben wird, lässt Röck offen. Die Bewegung besteht, doch das Momentum ist verschwunden.
„Insgesamt ist nach den Koalitionsverhandlungen alles etwas abgeflacht. Die meisten Involvierten sind in ganz Europa verteilte Studierende. Es ist demnach schwer, die Intensität beizubehalten und zu mobilisieren.“
Dennoch, so Röck, wird es durchaus Aktionen geben, welche sich jedoch in spontaner Manier an das aktuelle politische Geschehen orientieren: „Man wird auf jeden Fall von uns hören, der genaue Zeitpunkt ist schwierig abzuschätzen.“
Demonstrationen in den Ausmaßen, wie sie aus den Zeiten der Koalitionsverhandlungen beobachtet werden durften, schließt Röck jedoch aus.
Kommentare (15)
Lesen Sie die Netiquette und die Nutzerbedingungen
Du musst dich EINLOGGEN um die Kommentare zu lesen.