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Fassungslos

„20 Tage in Mariupol“. Angriff auf die Geburtsklinik. Diese Frau starb dann, ihr Kind auch

Heute erlaube ich mir, mit einem Film zu beginnen, der mich tief berührt hat und fassungslos zurückließ. Im Kino ist er derzeit nicht.

von Renate Mumelter

Natürlich wäre es gemütlicher, mit Juliette Binoche in die Küche zu gehen und sich eine Geschichte vom Kochen und von der Liebe erzählen zu lassen oder den Gefühlen von Marie Theres und Fa in „What a Feeling“ nachzuspüren. Aber immer ins Gemütliche wegschauen geht nicht. In Zeiten, wo Menschen reihenweise krepieren müssen, weil einige mächtig sein wollen und es nicht lassen können, ist es nötig dort hinzuschauen, wo es weh tut.

20 Tage in Mariupol

Genau vor einer Woche zeigte der Innsbrucker Cinematograph im Rahmen des Journalismusfestes diesen Dokumentarfilm, der nachgeht. Gedreht wurde er während der russischen Belagerung von Mariupol zwischen Februar und März 2022 von einem Team der AP (Associated Press) mit Reporter Mystyslav Chernov. Das Team war als einziges geblieben um zu dokumentieren. Alle anderen Medienleute waren abgereist. Fakes sind da definitiv keine dabei, tote Menschen gibt es aber viele zu sehen, verzweifelte auch, und es gibt die, die versuchen, mit dem, was sie noch haben, zu helfen.

Es ist verstörend in einem sicheren Kinosaal zuzusehen, wie der alte Mann mit dem kleinen Rollwagen erzählt, dass das alles ist, was ihm blieb und dass er nicht weiß wohin jetzt. Noch verstörender ist es, zu wissen, dass sich Kriegsherr Putin gerade auf seinen nächsten Eid vorbereitet. Und der Gedankensprung in den Nahen Osten legt sich wie von selbst nahe. Auch dort werden Befehle ausgegeben und unbeteiligte Menschen verlieren dafür ihr Leben. Nur die Befehlsausgeber bleiben sicher daheim. „Wütende Fassungslosigkeit“ hab ich mir nach dem Film aufnotiert.

In Südtirol war dieser Oscargewinner aus dem Jahr 23 noch nicht zu sehen. Ich hoffe, er findet den Weg ins Kino, und ich hoffe, es gibt Menschen, die genügend Realitätssinn aufbringen, sich den Film anzuschauen.

Green Border

Mit diesem ebenfalls preisgekrönten Film von Agnieszka Holland wird’s auch nicht heiterer, aber anders geht’s grad nicht. Der Film spielt an der Grenze zwischen Belarus und Polen und begibt sich mitten unter Flüchtende, ihre Hoffnungen, die Tragödien, die Glücksmomente, die Push Backs, alles Geschichten, die sich an dieser grünen Grenze im Osten genau so ereignen wie an der blauen Grenze im Mittelmeer.

Von den damals noch Regierenden in Polen wurde der Film übel beschimpft. Ex-Oppositionsführer Donald Tusk warf den PiS-Leuten vor, eine „widerliche Kampagne“ zu führen, obwohl keiner von ihnen den Film gesehen habe. Ich habe den Film auch noch nicht gesehen, empfehle ihn aber trotzdem. Er ist nur am Mittwoch im Filmclub.

7 Winter in Teheran

Um Grenzüberschreitungen in einem anderen Sinn geht es im Dokumentarfilm „7 Winter in Teheran“, in dem Steffi Niederzoll die Geschichte der 19jährigen Studentin Reyhaneh Jabbari erzählt, die 2007 wegen Mordes zum Tode verurteilt worden war. Sie hatte sich gegen eine Vergewaltigung gewehrt. Nach sieben Wintern im Gefängnis wurde sie im Oktober 2014 gehängt. Der Film arbeitet mit dokumentarischen Materialien, Videoaufnahmen, Bildern, Briefen. Im Anschluss an die Vorführung laden Vertreterinnen der iranischen Gemeinschaft in Südtirol zum Gespräch über die aktuelle Menschenrechtssituation und die Situation der Frauen im Iran. Montag 13.5. Filmclub

Bêka&Lemoine 2

Nach dem erfolgreichen Start mit „Moryiama-San“ geht die Filmreihe „A on Stage“ mit „Tokyo Ride“ und „Butohouse“ am Dienstag in die zweite Runde. Diesmal bleibt das Künstlerpaar in Tokio um das Verhältnis zwischen Menschen und Räumen zu erforschen, das in Japan so anders ist.

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