„Sind der Prügelknabe“
Obdachlosigkeit hat viele Gründe: Vielfach sind auch ausländische Gastronomieangestellte mit saisonaler Anstellung betroffen. In der Übergangszeit finden sie kein Dach über dem Kopf. Welche Mitschuld trägt die Hotellerie? HGV-Präsident Manfred Pinzger im Interview.
Der klassische Obdachlose ist nicht mehr der Sandler auf der Straße. Mittlerweile haben auch viele Menschen, die arbeiten, in Südtirol kein Dach über dem Kopf.
Über solche Fälle kann auch Thomas Hellrigl, Direktor der Sozialdienste in der Bezirksgemeinschaft Eisacktal, berichten (Tageszeitung berichtete): In den Sozialdiensten wurde beispielsweise ein Koch mit Jahresstelle in Gröden vorstellig, der nur in der Dienstwohnung übernachten darf, wenn er arbeitet, an seinem freien Tag muss er auswärts schlafen. Klassisch sind – immer laut Hellrigl – mittlerweile die Fälle der ausländischen Gastronomieangestellten: Sie haben eine Saisonanstellung. Wenn die Hotels – oft nur mehr für einen Monat – schließen, fahren diese Mitarbeiter nicht mehr nach Hause, müssen aber die Dienstwohnung räumen. Für die Übergangszeit findet sich jedoch keine andere Unterkunft.
Hier stellt sich die Frage: Wie hartherzig sind Hoteliers und inwieweit trägt die Tourismusbranche zu den prekären Situationen bei?
HGV-Präsident Manfred Pinzger im Interview.
Tageszeitung: Herr Pinzger, ein Koch aus Gröden, der an seinem freien Tag nicht in der Dienstwohnung schlafen darf. Wie kann das sein?
Manfred Pinzger: So etwas habe ich noch nie gehört. Wenn, dann handelt es sich um einen Einzelfall. Wir alle müssen um unsere Mitarbeiter kämpfen, daher kann ich mir dies auch nicht vorstellen. Als Verband kann man aber nie für alle garantieren. Wenn es sich um einen Fall in Gröden handelt, gehört dieser untersucht, wir werden dies aber nicht tun. In Gröden gibt es vielfach auch Restaurant- und Barbetriebe, die von ausländischen Betreibern geführt werden. Für diese legen wir nicht die Hand ins Feuer. Generell hält unser Sektor die Auflagen ein und erfüllt diese zu 99,9 Prozent. Und wenn nun ein Einzelfall hochgespielt wird, finde ich das nicht fair.
Welche wären die Auflagen?
Unser Sektor gibt, gemäß den Auflagen und Verpflichtungen, für sieben Tage die Woche Unterkunft und Verpflegung, wenngleich die Angestellten oft auch nur mehr fünf oder vier Tage die Woche arbeiten. Aber mittlerweile sind wir es ja gewohnt: Unsere Branche ist für alle Notsituationen der Prügelknabe der Nation. Mir kommt es oft so vor, als möchte man sich in Südtirol mittlerweile am liebsten abschotten, keine Touristen mehr hereinlassen und die Mitarbeiter alle heimschicken.
Zurück zur Obdachlosigkeit: Ein großes Problem bilden die ausländischen Gastronomiemitarbeiter mit Saisonvertrag. Mittlerweile schließen sehr viele Hotels nur mehr für einen Monat, weswegen diese Angestellten nicht mehr nach Hause fahren, sondern hierbleiben. Während die Hotels geschlossen sind, müssen sie aber ihre Unterkünfte räumen und finden in diesem Monat kein Dach über dem Kopf.
Im Raum Meran und Vinschgau arbeiten wir saisonal mit langen Pausen. Ich habe einen Inder beschäftigt, der froh ist, wenn er von November bis März nach Hause fahren kann. Und die Slowaken machen eine Wintersaison.
Solange der Arbeitsvertrag läuft, sind wir verpflichtet, Unterkunft und Verpflegung zu gewährleisten. Viele Hotelbetriebe haben aber die Zimmer der Mitarbeiter in den Hotels drein, die Struktur wird aber außer Saison zugesperrt. Wenn das Hotel zu ist, ist es schwierig, dieses für die Mitarbeiter offenzuhalten. Das ist für mich nachvollziehbar.
Unser Wunsch wäre daher, dass die Möglichkeit geschaffen wird, dass wir adäquate und zeitgerechte Unterkünfte bauen dürfen – unter anderem auch Mitarbeiterhäuser, nach dem Beispiel von Österreich, der Schweiz und Deutschland. Dafür kämpfen wir auch. Vielleicht verbessert sich die Situation auch dadurch.
Woran ist dieses Unterfangen bisher gescheitert?
Aus urbanistischen Gründen und fiskalisch war dies bisher nicht möglich. Und wenn wir Mitarbeiterzimmer anmieten, müssen wir auch noch Ortstaxe zahlen. Diese Spesen können wir nicht mal absetzen. Seitens unseres Sektors ist der Wille da, die Mitarbeiter zeitgerecht und adäquat unterzubringen, nur muss man die gesetzlichen Voraussetzungen schaffen. Hierbei haben wir bereits auf staatlicher und lokaler Ebene versucht, Einfluss zu nehmen. Nun werden wir die Thematik mit dem neuen Landesrat für Urbanistik nochmals angehen.
Haben Sie Hoffnung, dass in dieser Hinsicht mit dem neuen Landesrat etwas weitergeht?
Wir gehen davon aus. Wir haben Signale, die in diese Richtung gehen. Es ist absolut notwendig, dass wir adäquate Mitarbeiterhäuser bauen können, auch aufgrund der allgemeinen Entwicklung und weil unser Sektor verpflichtet ist, Unterkunft und Verpflegung zu garantieren.
Interview: Erna Egger
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