„Habe mich nie geschont“
Was würde er heute anders machen? Wie gut ist er mit dem LH zurechtgekommen? Kann Dieter Steger SVP-Obmann? Und: Wie mächtig ist die Athesia?Philipp Achammer im großen „Abschieds“-Interview.
Tageszeitung: Herr Achammer, am Samstag treten Sie nach insgesamt zehn Jahren als Obmann der Südtiroler Volkspartei ab. Was überwiegt: die Wehmut oder die Vorfreude, diesen undankbaren Knochenjob endlich loszusein?
Philipp Achammer: Ich war immer gerne SVP-Obmann, es war eine Ehre für mich, auch in schwierigen Situationen. Aber ich habe jetzt einfach das Gefühl, dass ein Wechsel gut tut. Nach einer gewissen Zeit in ein und derselben Funktion hat man auch Abnutzungserscheinungen. Jedenfalls werde ich weiterhin meinen Beitrag für die Partei leisten, aber eben an anderer Stelle.
Sie haben 2014 die Nachfolge von Richard Theiner angetreten, der in der Politiker-Rentenaffäre gestolpert war. Damals war in der SVP eine große Aufbruchstimmung spürbar – Stichwort: Erneuerung. Ist es Ihnen rückblickend gelungen, die in Sie gesetzten Erwartungen zu erfüllen?
Darüber lasse ich andere urteilen. Es war eine völlig andere Zeit. Jedenfalls habe ich immer mein Bestes versucht. Fehler macht jeder, und im Nachhinein weiß man es natürlich immer besser… Wenn einige parteiintern nach meinem Rückzug „Schade“ gesagt haben, wird wohl nicht alles falsch gewesen sein.

Philipp Achammer
Wie kann man sich die Arbeit des SVP-Chefs vorstellen: Hängt man da ständig an der Strippe, um die Leute an der Basis zu besänftigen?
Die Arbeit mit der Parteibasis hat mir am meisten Freude bereitet, ich war gerade in den ersten Jahren so viel unterwegs wie nie, von Matsch bis Altrei. Viel schwieriger ist es in der Führungsebene, unter den Abgeordneten Ausgleich herzustellen. Das kostet viel Zeit und Kraft und ist mit den Jahren schwieriger geworden.
Was war Ihr größter Erfolg als SVP-Obmann? Und was würden Sie heute anders machen?
Die Partei vor einer Spaltung zu bewahren. Es hat mehr als einen Moment gegeben, wo dies die Gefahr gewesen wäre. Was ich anders machen würde? Mich nicht immer für alles sofort in die erste Reihe zu stellen…
Sie haben sich immer um den Ausgleich innerhalb der Partei bemüht. Glauben Sie, dass dies der Grund für Ihre erheblichen Stimmenverluste bei den letzten Landtagswahlen war?
Ich habe Verantwortung für Dinge übernommen, die mit mir wenig zu tun hatten. Ich habe mich für die Partei entschuldigt, auch wenn ich nichts dafür konnte. Das hat mir natürlich einiges gekostet. Viele haben in mir den Verantwortlichen für Dinge gesehen, die ich nicht verschuldet hatte. Eben weil ich mich nie geschont habe.
In der „Freunde-im-Edelweiß“-Affäre haben Sie sich auf die Seite derer gestellt, die die Vorfälle verharmlosen und vertuschen wollten, anstatt sich den Tatsachen zu stellen und die Schuldigen zur Rechenschaft zu ziehen. Bereuen Sie das im Nachhinein?
Das stimmt so nicht. Ich habe unmoralisches Verhalten immer klar verurteilt. Aber ich habe mich eben auch getraut, die Frage zu stellen, ob es anständig ist, eigene Parteikollegen mit unlauteren Mitteln vorzuführen. Ich war immer der Meinung, dass in einer Partei zuerst hinter verschlossenen Türen aufzuräumen ist. Das hat einigen nicht gepasst.
In Ihren zehn Jahren als SVP-Obmann haben Sie immer als Pendant zum Landeshauptmann agiert, auch wenn das Verhältnis zwischen Ihnen beiden nicht unbedingt als freundschaftlich gilt und stets in Wellen verlaufen ist. Wie schwer ist es Ihnen gefallen, eine gemeinsame Basis mit dem Alphatier Arno Kompatscher aufzubauen?
Unser Verhältnis war viel besser als viele dauernd herbeigeschrieben haben. Unsere Rollen sind unterschiedlich. Im Zweifelsfalle zieht aber immer der Parteiobmann den Kürzeren. Zeigt man Kante, streitet man scheinbar sofort. Vertritt die Partei dieselbe Meinung, ist man zu wenig sichtbar. Das ist dein Dauerdilemma.
Auch zum Medienkoloss des Landes hatten Sie eine sehr spezielle Beziehung: Als einstiger Liebling der „Dolomiten“ wurden Sie in letzter Zeit etwas ins Abseits gedrängt, weil Sie sich eindeutig auf die Seite des LH geschlagen hatten. Jetzt, wo sie abtreten, können Sie es ja sagen: Wie mächtig ist die Athesia wirklich?
Ich habe in den vergangenen Jahren erlebt, dass die allermeisten Medien in diesem Land eine eigene politische Linie verfolgen und damit auch die öffentliche Meinung beeinflussen wollen. Ob es einem gefällt, man muss es zur Kenntnis nehmen, die Athesia macht dies natürlich mit einer größeren Reichweite als andere. Wichtig ist, dass die Politik eigene Entscheidungen nicht von Medien abhängig macht, weder von der Athesia noch von anderen.
Nach Ansicht des Ex-Senators Oskar Peterlini hat die SVP in den letzten Jahren vor allem im sozialen und ökologischen Bereich „abgewirtschaftet“. Hat er Recht, wenn er sagt, dass kritische Geister in der Volkspartei keinen Platz mehr haben?
Nein, dem widerspreche ich ganz klar. Kritische Geister haben ihren Platz. Nur hat die Kompromissbereitschaft dieser kritischen Geister massiv abgenommen. Eines ist, dass man kritisch ist und um eigene Mehrheiten kämpft – etwas anderes aber, dass man auch akzeptieren können muss, wenn man Minderheit ist. Das ist kaum mehr der Fall.
Blicken wir in die Zukunft: Was müssen Ihr Nachfolger Dieter Steger und sein Team tun, damit die SVP zu alter Stärke zurückfindet?
Das gemeinsame Ganze neu entdecken. Früher war die Autonomie noch viel stärker der Kitt in der SVP, jetzt sollte es die Notwendigkeit zu einem gesellschaftlichen Ausgleich sein. Nur wenn alle diesen Kitt spüren, werden nicht mehr ideologische Grabenkämpfe in der Partei im Mittelpunkt stehen. Die bringen niemanden was.

Sebastian Kurz und Philipp Achammer (Foto: Lpa)
Am Ende dieser Legislatur greift für Sie die Mandatsbeschränkung. Einen Vorteil hätte Ihr Abschied aus dem Landtag in jedem Fall: Sie brauchen sich die philosophischen Ergüsse eines Jürgen Wirth Anderlan nicht mehr anhören …
Ich höre mir jede kritische Diskussion gerne an und bin auch gegenüber der Opposition immer konstruktiv, das wird diese bestätigen können. Jürgen Wirth Anderlan hat aber die Grenze des demokratischen Diskurses überschritten – es geht nur mehr um Provokation, man darf scheinbar alles sagen. Das kann es nicht sein! Und was wir niemals akzeptieren sollten: Dass wir so tun, als ob wir aus der Geschichte nichts gelernt hätten – unser Land hat zuviel gelitten…
Können Sie sich ein Leben ohne Politik überhaupt vorstellen? Oder werden Sie der Politik treu bleiben, zum Beispiel als Abgeordneter in Brüssel oder Rom?
Ich kann mir ein Leben mit und ohne Politik vorstellen. Politik ist ein reizvolles Geschäft, aber es gibt im Leben weit Wichtigeres. Mal schauen, wohin mich die kommenden Jahre führen. Jedenfalls bin ich jetzt ganz sicher nicht weg vom Fenster – abschreiben sollte man mich nicht …
Interview: Matthias Kofler
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