„Es ist zu viel geworden“

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Der Tourismus ist für die einen ein wichtiger Wirtschaftsmotor, andere klagen über die Konsequenzen für die Lebensqualität. Über die Geschichte des Eisacktaler Tourismus – aus unterschiedlichen Blickwinkeln.
von Erna Egger
Der Tourismus: ein Thema, das polarisiert. Während die einen im Wirtschaftszweig den Wohlstandstreiber sehen, fühlen sich andere vom Übertourismus mit seinen vielen negativen Konsequenzen, vor allem die Teuerungen, in ihrer Lebensqualität beeinträchtigt.
Auch der Verein heimat Brixen Bressanone Persenon hat sich am Freitag in der Stadtbibliothek Brixen mit der „Geschichte des Eisacktaler Tourismus“ auseinandergesetzt. Dies im Rahmen eines Forschungsprojekts, das der Journalist Patrick Rina mit dem Ethnologen und früheren Meraner Bürgermeister Paul Rösch sowie dem Touriseum/Meran vorantreibt. Zur Diskussionsrunde geladen waren Gäste, die den Wirtschaftszweig aus unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchteten.
Einer, der sich im Verlauf seines bisherigen Lebens mit dem Fremdenverkehr beschäftigen wollte und musste, ist Hans Heiss. Der 71-jährige Historiker entstammt einer bekannten Hoteliersfamilie: Seit 1773 ist das Hotel Elephant in Brixen im Familienbesitz. Eigentlich hätte der ehemalige Landtagsabgeordnete der Grünen das Erbe übernehmen sollen, arbeitete im Betrieb auch regelmäßig mit, entschied sich schließlich aber anders. Seit 1989 wurde das Hotel von seiner Schwester Elisabeth Heiss, seit einigen Jahren von deren Sohn Michael Falk und seiner Partnerin geführt.
Seine Dissertation nach dem Studium der Geschichte und Germanistik an der Universität Innsbruck widmete er dem Thema „Das Gastgewerbe der Stadt Brixen 1770-1815.“
Bei seinen Lehraufträgen an den Universitäten Hildesheim, Innsbruck und Trient liegt sein Schwerpunkt in den Bereichen regionale Zeitgeschichte, Stadtgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, Bürgertums- und Tourismusgeschichte.
Der ehemalige Landtagsabgeordnete der Grünen hat eine kritische Haltung zu den Entwicklungen (siehe Interview).
Franz Tauber aus Feldthurns hat einen anderen Zugang. Der Seniorchef vom Hotel Taubers Unterwirt war 1961 Gründer des Tourismusvereins Feldthurns, dem er bis 2002 als Präsident vorstand, er war HGV-Bezirksobmann, Präsident des Tourismusverbandes Eisacktal, Initiator zahlreicher Aktivitäten zur Tourismusförderung wie die Eisacktaler Kost, Präsident des Skilifts Maders, Obmann des Südtiroler Wirtschaftsringes und in vielzähligen Vereinen tätig.
Als Wanderführer des Hotels ist er, der im Mai 89 Jahre alt wird, immer noch dreimal die Woche mit den Gästen unterwegs.
Dritter im Bunde der Tourismus-Zeitzeugen war Helmuth Fink, Seniorchef des bekannten Restaurants im Herzen von Brixen und im Rahmen der „Eisacktaler Kost“ einer der Gründerväter der regionalen Küche in Südtirol.
Franz Tauber blickt zurück – in die 60er Jahre: „In Feldthurns“, sagt er, seiner Heimatgemeinde, „haben bis 1960 alle von der Landwirtschaft gelebt.“ Dann habe man sich darauf geneigt, eine Straße zu bauen, in der Hoffnung, dass ein paar Gäste kommen. „Die Straße wurde gebaut, die Gäste kamen – aus Italien, aber hauptsächlich aus Deutschland.“ Man habe dann die Häuser für die Urlauber etwas herrichten und das Gasthaus neu bauen müssen. Es wurde der Verschönerungsverein gegründet und die Wanderwege instandgesetzt. Dann habe man sich auf die Werbung konzentriert: Ein Touristikkomitee wurde gegründet und im gesamten Bezirk habe man zusammengehalten und an einem Strang gezogen.
Man habe in Städten Deutschlands Werbeveranstaltungen organisiert, Journalisten nach Südtirol eingeladen. „Wir haben uns bemüht, dass es den Gästen hier gefällt und dass sie etwas Gutes zum Essen bekommen. Es wurden Seminare, Koch- und Servierkurse organisiert“, schildert Tauber.
Damals – im Jahr 1963 – startete auch der Bau der A22. Im Juli 1972 erfolgte die Freigabe des Abschnittes Grasstein-Vahrn und von Bozen bis Modena. Ab April 1974 war dann auch der letzte Abschnitt Klausen-Bozen-Süd befahrbar. Postkarten und Prospekte warben damals mit dieser Schneestraße. Die Botschaft: Auch das Eisacktal ist nun schnell erreichbar. Für heutige Zeiten nicht mehr vorstellbar.
Wobei: „Wir sagen heute noch zu unseren Gästen, dass sie bei der Autobahnausfahrt in Klausen ausfahren müssen und dann sind es noch vier Kilometer bis zum Unterwirt. Und so müssen sie nicht lange suchen“, lacht Tauber.
Die Entwicklung: 1962 verzeichnete man in der Gemeinde Feldthurns 600 Nächtigungen, 1970 schon 8.000. Im Jahr 1980 waren diese auf 50.000 gestiegen, im Jahr 2000 auf 82.000. Im Jahr 2023 erreichte Feldthurns 105.000 Übernachtungen. „Wir waren wirklich erstaunt, dass wir kommerziell eine kometenhafte Entwicklung hingelegt haben“, sagt Tauber. „Ähnlich verlief die Entwicklung in anderen Dörfern und daher ergeht es uns mit dem Tourismus recht gut.“
In der Debatte am Freitag in Brixen wurden einige kritische Stimmen laut, die auf die Konsequenzen des Übertourismus in Brixen und im Eisacktal hinwiesen. Hierzu Tauber: „Natürlich: In einigen Gegenden ist es zu viel geworden. Und dass es den Einheimischen in Brixen nicht passt, wenn sie beispielsweise während des Weihnachtsmarktes nicht mehr weiterkommen, ist nachvollziehbar.“
In Feldthurns herrsche eine andere Situation vor: „Wir haben keine Probleme und wir verzeichnen auch nicht zu viele Gäste. Overtourism haben wir nicht“, sagt er und gibt zu bedenken: „In den 60er Jahren mussten noch viele nach Deutschland, um eine Arbeit zu haben. Heute finden alle hier Arbeit: Die Geschäfte arbeiten gut, das Handwerk hat sich gut entwickelt und auch die Bauern verdienen mit Urlaub auf dem Bauernhof dazu. Wir sind froh und zufrieden, dass es Tourismus gibt.“
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