Großartige Werke
Das regionale Festival Musica Sacra der beiden Provinzen Bozen und Trient erlebt heuer bis zum 30. Juni seine 53. Ausgabe. Von den vielen Konzerten wird ein Teil davon als als „regionale Konzerte“ ausgewählt, d. h. diese Konzerte werden sowohl im Trentino als auch in Südtirol aufgeführt.
Heuer sind es vier Projekte:
Das Vokalensemble „Allabreve“ hat mit Blick auf die schweren Zeiten, in denen wir leben, ein anspruchsvolles, aber stimmiges Programm zusammengestellt.
Unter der Leitung der ständigen Chorleiterin Frau Nataliya Lukina werden Schönbergs Opus 13, die expressionistisch emotionale Beschwörung des Friedens auf Erden, weiteres die doppelchörige Messe von Frank Martin, das bekannte Sakralwerk im Geiste moderner Psalmodie, und Strawinskys Psalmensymphonie in der Bearbeitung von Schostakowitsch aufgeführt. Letzteres ist ein absolutes Novum für Südtirol, das erst seit der Herausgabe dessen Gesamtwerks entdeckt wurde.
Schostakowitsch hat das Werk so sehr bewundert, dass er die Orchesterfassung in komprimierter Fassung für gemischten Chor und Klavier vierhändig gesetzt hat und nicht müde wurde, es mit seinen Schülern zu studieren. Am Klavier spielen Andreas Benedikter und Stefan Huber.
Der Komponist Claudio Monteverdi war maßgeblich am Stilwechsel am Ende des 16. Jahrhunderts beteiligt. Neben seinen Opern zeugt auch seine epochale Marienvesper von seinem Erfindungsgeist. Bis heute ist nicht klar, ob das Werk überhaupt einen Gesamtzusammenhang hat und nicht vielmehr eine Art lose Sammlung von Konzerten und Psalmen darstellt. Zumal Monteverdi in den musikalischen Stilen und dem Umfang der Besetzung sozusagen hin- und herspringt; mal gibt es expressive und virtuose Solo-Concerti, dann wieder entstehen wahre Klangkathedralen durch den Einsatz des Doppelchores, die an frühere Renaissance-Zeiten erinnern.
Dieses epochale Werk wird in Schlanders, Bozen und Trient vom Ensemble für Alte Musik La florida Capella, das 2021 gegründet wurde, aufgeführt. Ideator und künstlerischer Leiter ist der Organist, Cembalist und Spezialist für Alte Musik Marian Polin, der unter anderem das Festival „Innsbrucker Hofmusik“ leitet.
In einem weiteren regionalen Konzert wird das Oratorium Samson von Georg Friedrich Händel aufgeführt. Chor und Barockorchester Andrea Palladio kommen aus Vicenza und werden von Enrico Zanovello geleitet. Die Ausführenden haben sich auf das barocke Repertoire spezialisiert, besonders auf die großen Oratorien von Händel.
Das Oratorium Samson ist nicht nur ein packender Erzählstoff, sondern auch ein Drama von großer psychologischer Tiefe. Während der drei Akte erleben wir das langsame, aber unaufhaltsame mentale Wiedererwachen eines von Gott auserwählten Menschen, der, von Reue überwältigt, allmählich seinen Charakter wiederherstellt.
Ferruccio Busoni hat durch den Busoni Klavierwettbewerb eine besondere Beziehung zu Bozen.
Das Haydn Orchester von Bozen und Trient feiert im Rahmen des Festivals Musica Sacra den 100.Todestag des Komponisten, Pianisten und visionären Denkers. Neben der Berceuse élégiaque gibt es eine Erstaufführung der Motette “Gott erbarme sich unser“ 67. Psalm, op. 55 für Chor und Orchester aus dem Jahre 1880. Carlo Rizzari dirigiert das Orchester und den Coro Filarmonico Trentino.
Neben den „regionalen Konzerten“ gibt es noch eine größere Anzahl von Konzerten, die die die Vielfalt und Besonderheiten der beiden Provinzen, was Ausführende, Inhalte und auch Instrumente betrifft, darstellen.
Seit einigen Jahren verfolgt Musik & Kirche Brixen gemeinsam mit den Tiroler Landesmuseen und dem Festival Musica Sacra ein Projekt, bei dem wertvolle historische Orgeln in Südtirol, die zum Teil nicht öffentlich zugänglich sind oder kaum bespielt werden, aufgenommen und auf CD veröffentlicht werden. Vier CDs mit dem aus dem Vinschgau stammenden Organisten Peter Waldner sind bereits erschienen.
Heuer werden die Orgeln im Ansitz Jöchlsthurn von Sterzing, der Apostelkirche in Klausen, der Kirche St. Margareth in Obervöls und der Liebfrauenkirche in Lajen aufgenommen. Zudem ist ein Konzert im Ansitz Jöchlsthurn von Sterzing geplant.
Die Capella Lanensis mit Sitz in Lana-Südtirol, wurde 2021 von Josef Höhn gegründet und setzt sich aus Musikerinnen und Musikern aus Südtirol und dem angrenzenden deutschen und italienischen Sprachraum zusammen. Schwerpunkt des Ensembles ist die Interpretation der Musik des Früh- und Hochbarock. Beim Festival Musica Sacra erklingen Instrumentalwerke von Antonio Vivaldi und Luigi Taglietti sowie das Salve Regina und das Gloria in excelsis von Georg Friedrich Händel. Gesangssolistin ist die Sopranistin Giulia Bolcato, Siegerin des Cesti-Gesangswettbewerbs Innsbruck 2017.
1685 hatten Schwestern aus dem Stift Nonnberg bei Salzburg den Säbener Klosterberg besiedelt, sechs Jahre später holten sie sich mit Romanus Weichlein einen Klostermusiker, der beim berühmten Heinrich Ignaz Franz Biber in Salzburg studierte. Das Ensemble Alte Musik vita & anima spielt am 23. Mai in der Kirche des Priesterseminars in Brixen Sonaten von Weichlein, erlesene hochbarocke Kammermusik in Biber’scher Manier, ein eindrucksvolles Zeugnis der exzellenten Qualität der Säbener Klostermusik.
Am 25. Mai kann das Publikum im Dom ein großartiges neues Werk erleben: das Te Deum des lettischen Komponisten Rihards Dubra, für Massenchöre, Violine, Saxophon, Horn, Schlagzeug und Orgel. Ausführende sind: Südtiroler Landesjugenchor, Vinzentiner Mädchenchor, Vinzentiner Knabenchor, Männerchor Brummnet, Ladinia Women’s Chorus, Leonhard Lechner Chor , StimmMen, Jugend Domkantorei Salzburg sowie Instrumentalisten.
Rihards Dubra schreibt. „Ich bezweifle, dass die Energie, die ich in mir spüre, meine ist. Ich mache keine Musik – ich schreibe nur auf, was mir zugesandt wurde.“ Diese wenigen Worte des lettischen Komponisten verraten uns viel über seinen starken religiösen Glauben.
Der Komponist Johann David Heinichen gehörte zu Lebzeiten neben Händel und Hasse zu den drei großen Hs der Barockmusik. Dass er heute kaum aufgeführt wird, mag auch darin liegen, dass etliche seiner Werke bei der Bombardierung Dresdens im 2. Weltkrieg vernichtet wurden. Der MGV Chor Bozen und das Amarida Ensemble unter der Leitung von Michael Fink bringen das Requiem zur Aufführung, das Heinichen zum Gedächtnis Kaiser Josephs komponiert hatte. Es ist ein umfassendes Totengedenken im damals modernen italienischen Stil, mit Chören, Solo-Arien und Ensembles. Das Programm wird ergänzt mit bekannten Arien aus den Kantaten BWV 170 und 199 von J. S. Bach.
Der Männergesangverein Bozen zählt seit seiner Gründung im Jahre 1876 zu den bedeutendsten Vereinen der Stadt. Der Männerchor, der auch während der Kriege und der faschistischen Unterdrückung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nie aufgelöst wurde, gründete in den 1970er Jahren eine der ersten Musikschulen Südtirols. Daraus ging bald ein Mädchenchor hervor, der heute als Frauenchor weiter im Verein besteht. Beide Chöre sind in den vergangenen Jahren verstärkt in gemischter Besetzung aufgetreten.
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