„Ich bin so“
Jürgen Wirth Anderlan wird langsam aber sicher zur wandelnden Zeitbombe. Er selbst gefällt sich in der Rolle des rechten Phrasendreschers.
TAGESZEITUNG: Herr Wirth-Anderlan, sind Sie mit Ihrer Wiener Rede nicht zu weit gegangen?
Jürgen Wirth Anderlan: Zu weit gegangen? Wenn die „Dolomiten“, die seit drei Jahren nichts über uns schreiben, darüber berichten, dann ist das schon einmal sehr positiv. Wenn so ein linkes Blattl wie die „Dolomiten“ positiv über uns schreiben würde, dann hätten wir etwas falsch gemacht.
Sie tragen so dick auf, damit die Zeitungen über Sie schreiben?
Nein, ich haben die gleiche Ausdrucksweise wie seit Beginn.
In Wien haben Sie tief in die Mottenkiste gegriffen: „Korrupte Banditen“, die Sie in „einen Steinbruch schicken“ möchten, die EU eine „Sekte“ und ein „kriegsgeiler Sauhaufen“, Ursula von der Leyen ein „gewählter Dämon an der Spitze“ der EU …
Ich habe immer schon so geredet, seit ich in der Öffentlichkeit stehe. Das ist meine Art. Ich schreibe meine Reden selbst, ich verwende auch ganz bewusst keine Fremdwörter, wie Kollegen das machen, um ein bisschen intellektuell zu wirken. Was nützt es, wenn ich gescheit daherrede und dann selbst nicht verstehe, was ich sage?
Anfangs mag Ihre Art, als bunter Vogel Politik zu machen, vielleicht einigen SüdtirolerInnen gefallen haben. Glauben Sie nicht, dass Sie langsam übertreiben? Glauben Sie nicht, dass das, was vielleicht einmal lustig war, jetzt nur mehr peinlich ist?
Warum? Wenn ich so eine Rede, wie ich sie jetzt in Wien gehalten habe, vor dem Südtiroler Volk halte, dann stehen 70 Prozent auf und klatschen, weil auch sie der Meinung sind, dass derzeit viel falsch läuft.
Eines ist, auf Missstände hinzuweisen, etwas anderes ist, Politiker generell als „korrupte Banditen“ zu brandmarken …
Entschuldigung, das sagen ausgerechnet Sie zu mir? Das sagen Sie, der Sie mit dem (Christoph) Franceschini acht Bücher über die Moral in der Politik geschrieben haben?
Es ist Ihre Art und Ihre Wortwahl, die – um es ganz nobel auszudrücken – viele Menschen irritiert …
Ich sage es noch einmal: Meine Ausdrucksweise ist immer dieselbe. Ich bin so!
Es fällt auf, dass Sie sich im Südtiroler Landtag ganz anders geben als auf den Plätzen oder bei ihren furiosen Auslandsauftritten. Im Landtag poltern Sie nicht, sondern Sie sitzen still und unaufgeregt und lassen den Kelch an sich vorübergehen …
Wir haben im Landtag Stimmrecht. Wir treffen Entscheidungen. Ich habe den Antrag zugunsten eines Frauenhauses unterstützt, ich habe für die Erhöhungen die Niedrigrenten gestimmt. Außerdem glaube ich, dass man nicht zu jedem Beschlussantrag Stellung nehmen muss. Wir selbst haben zwei Anträge eingebracht, einen zum Gender-Wahnsinn und einen zweiten zum Weltfrieden …
Über den Antrag zum Weltfrieden haben alle gelacht …
Eben, selbst wenn ich sage, dass ich für den Frieden bin, dann bricht auch ein Theater los. Wir machen jedenfalls unsere Arbeit.
Im Rahmen der Haushaltsdebatte haben Sie gesagt, Sie nehmen dazu nicht Stellung, weil Sie nichts davon verstehen. Ist das nicht ein Armutszeugnis für einen Politiker? Wollen Sie gar nicht Politik machen, sondern nur Schaum schlagen?
Schauen Sie, wenn man kurz vor Beginn der Landtagssitzung einen Aktenberg von gefühlt 250 Blättern vor die Nase geknallt bekommt, dann ist das für mich wie Sudoku. Selbst ein Andreas Colli, der zwölf Jahre lang Bürgermeister war, tut sich extrem schwer, etwas zu verstehen. Außerdem ging es nur um den Nachtragshaushalt. Wenn es um den nächsten Haushalt geht, werden wir uns einbringen, sofern ich noch im Landtag bin.
Sie zweifeln daran?
Man weiß ja nie, was die Frau Brigitte Foppa so alles aufführt. Apropos Foppa: Sie ist unsere Frau für Europa, schreiben Sie „Unsere Frau“ bitte groß …
Sie sind als bunter Vogel in den Landtag gezogen. Glauben Sie wirklich, dass Ihre WählerInnen sich amüsieren, wenn Sie immer mehr Clown und rechter Phrasendrescher und immer weniger Politiker werden?
Ich bin es gewohnt, dass bei mir immer versucht wird, das Negative herauszustreichen. Wir sind viel bei den Leuten draußen. Wir helfen vielen Menschen, die in schwierigen Situationen sind, weiter. Die Menschen, die mich unterstützen, wollen nur eines nicht: dass ich ein Politiker werde. Ich werde nie Politiker sein! Wir – Renate (Holzeisen), Andreas (Colli) und ich – sind drei Kräfte im Südtiroler Landtag, die nicht kontrollierbar und nicht manipulierbar sind.
Interview: Artur Oberhofer
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