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„Beratung wird zur Tortur“

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Die Regierung Meloni will künftig Mitglieder der Bewegung für das Leben zu den obligatorischen Beratungen für Frauen vor einer Abtreibung zulassen. Für SVP-Senatorin Julia Unterberger ist das ein Angriff auf die Rechte der Frauen.

von Lisi Lang

Ministerpräsidentin Giorgia Meloni hat es bei ihrem Regierungsantritt immer wieder betont: Die „Legge 194“, also das Abtreibungsgesetz in Italien, wird nicht angerührt. Allerdings war es offensichtlich nur eine Frage der Zeit, bis das Gesetz zur Abtreibung, das seit seiner Einführung immer wieder für politische Diskussionen sorgt, von der neuen Regierung in die Zange genommen wird.

Wobei, direkt fasst die Regierung Meloni die „Legge 194“ nicht an, es wird in Rom nämlich nicht über eine Änderung oder eine Abschaffung dieses Gesetzes diskutiert, die letzten Initiativen könnten aber schlussendlich dazu führen, dass das Gesetz weiter ausgehöhlt wird.

In der Abgeordnetenkammer wurde ein Abänderungsantrag von Fratelli d’Italia zum 4. Dekret zur Umsetzung des PNRR genehmigt. Dieser Antrag sieht vor, dass die Bewegung für das Leben Zutritt zu den Beratungseinrichtungen bei Schwangerschaftsabbrüchen bekommt. „Meloni hat wirklich hoch und heilig versprochen, dass sie das Abtreibungsgesetz nicht antasten wird, weil von den Frauenrechtlerinnen natürlich sofort diese Bedenken im Raum standen“, sagt SVP-Senatorin Julia Unterberger. Und dieses Versprechen halte sie zwar formal, „man kann dieses Gesetz aber auch auf andere Art und Weise sabotieren, indem man wie in diesem Fall zur obligatorischen Beratung, zu der die Frauen verpflichtet sind, bevor sie einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen, Leute von der Bewegung für das Leben zulässt“, kritisiert Unterberger, „und man kann sich vorstellen, wie diese Beratung erfolgt, wenn sie von Leuten durchgeführt wird, die überzeugt davon sind, dass Abtreibung Mord ist.“

In Italien wird der freiwillige Schwangerschaftsabbruch durch das Gesetz Nr. 194 vom 22.Mai 1978 „Bestimmungen über den Schutz der Mutterschaft und über den freiwilligen Abbruch der Schwangerschaft“ geregelt. Vorgesehen ist zunächst ein Gespräch mit der Frau. Im diesem werden die Umstände erörtert, weswegen eine Frau eine Abtreibung vornehmen möchte und man spricht mit der Frau über die ihr zustehenden Rechte und die sozialen Leistungen, informiert sie über Alternativen wie eine Adoption und andere Hilfestellungen. Das Gesetz schreibt diesbezüglich allerdings ausdrücklich vor, dass es sich um eine „wertfreie Aufklärung“ handeln soll, welche die Frauen nicht unter Druck setzen darf.

Für die SVP-Senatorin ist der Vorstoß von Fratelli d’Italia deswegen ein „schlechter Witz“. „Die Beratungsstellen werden zu ideologischen Schlachtfeldern. Um die Frauen gewissenhaft zu beraten, müssen ihnen natürlich alle möglichen Alternativen und Unterstützungsmaßnahmen vor Augen geführt werden, aber es kann nicht sein, dass jemand, der komplett gegen dieses Gesetz ist, für die Beratung eingesetzt wird“, kritisiert Julia Unterberger. Das sei ein Widerspruch in sich und man führe damit das gesamte Gesetz ad absurdum. „Die Frauen machen es sich so schon nicht leicht, wenn sie sich zu diesem Schritt entscheiden. Wenn sie jetzt auch noch mit den radikalen VertreterInnen der Anti–Abtreibungsbewegung konfrontiert werden, dann wird die Beratung zur Tortur“, so Unterberger.

Dazu kommt, dass Schwangerschaftsabbrüche in Italien in der Praxis auch jetzt schon nicht ganz einfach sind, denn vielfach verweigern Ärzte aus Gewissensgründen eine Durchführung. „Dieses Recht ist in Italien in vielen Gebieten bereits erschwert, durch die Beratung, die von AbtreibungsgegnerInnen durgeführt wird, werden die Frauen noch stärker unter Druck gesetzt“, kritisiert Senatorin Unterberger.

Derweil ist der Trend auf europäischer Ebene ein ganz anderer: In Frankreich wurde das Recht auf Abtreibung kürzlich als Grundrecht in die Verfassung aufgenommen und das EU-Parlament hat sich erst letzte Woche für die Aufnahme eines Rechts auf Abtreibung in die Europäische Grundrechte-Charta ausgesprochen. In Italien ticken die Uhren aber offensichtlich anders. „In Italien ist eine rechtsradikale Regierung an der Macht, die immer wieder betont hat, dass mit der linken kulturellen Hegemonie aufgeräumt werden soll“, erklärt Unterberger. Und das würden die Fratelli d’Italia auf den verschiedenen Ebenen versuchen – vor allem weil sich die neue Regierung außenpolitisch sehr angepasst gibt. „Meloni ist mit einem bestimmten Wahlprogramm angetreten, musste einen Teil ihrer Versprechungen aber komplett ad acta legen – sie hat im Wahlkampf mehrfach gegen die EU oder das atlantische Bündnis gewettert. Außenpolitisch hat sie sich aber völlig gewandelt und deswegen versucht sie innenpolitisch umso mehr die Bedürfnisse ihrer extrem rechten Wähler und Wählerinnen zu befriedigen – und dazu gehört die Abtreibung, die „richtige“ Familie, die Bekämpfung des Genderns usw.“, beobachtet Julia Unterberger.

Der Abänderungsantrag, der von der Abgeordnetenkammer genehmigt wurde, muss nun noch in den Senat. Da die Regierung aber eine satte Mehrheit hat, geht die SVP-Senatorin davon aus, dass dieser Antrag angenommen wird – und alle von den Rechten regierten Regionen die neuen Normen für die Beratungsgespräche künftig anwenden werden – mit VertreterInnen der Bewegung für das Leben.

Allerdings sei dieses Thema auch für Giorgia Meloni eine Gratwanderung, weiß Unterberger. Denn seit ihrer „außenpolitischen Kehrtwende“ erhalte die Regierungschefin auch von Personen, die eher der gemäßigten Mitte angehören, Zuspruch. „Und sogar Trump hat man im Wahlkampf geraten, von der radikalen Abtreibungsgegnerschaft Abstand zu nehmen, weil das bei den Leuten nicht gut ankommt“, betont Julia Unterberger.

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