„Europa eine Seele geben“
Seit 1734 findet in Brixen zwei Sonntage nach Ostern die Kassiansprozession statt. Auch am Sonntag haben 4000 Gläubige aus dem gesamten Brixner Raum an der Prozession teilgenommen.
Beim Gottesdienst im Brixner Dom hat Bischof Ivo Muser im Hinblick auf die Europawahlen an die christlichen und humanistischen Werte erinnert, auf die unsere Gesellschaft gründet: „Die bevorstehenden Europawahlen sollten für Christinnen und Christen ein Anlass sein, gemeinsam an dem Fundament zu bauen, das Europa eine Seele gibt.“
„Die Diözesanpatrone Kassian und Vigilius stehen stellvertretend dafür, dass der christliche Glaube unser Land erreicht hat. Ihr Festtag wird seit dem vergangenen Jahr in der ganzen Diözese am 13. August gefeiert. Es ist der Tag, an dem das Kassiansfest über Jahrhunderte im Brixner Diözesankalender stand.
Die erste Kassiansprozession wurde am 13. August 1704 abgehalten – mit der Reliquie des Heiligen, die der damalige Fürstbischof Kaspar Ignaz von Künigl aus dem Grab des heiligen Kassian in Imola erhalten hat“, erklärte Bischof Ivo Muser heute beim Gottesdienst vor der Kassiansprozession im Brixner Dom.
Seit 1734 findet die Prozession zwei Sonntage nach Ostern statt. Nur dreimal ist sie seither ausgefallen: bei Kriegsende im Jahre 1945 und zweimal während der Coronapandemie in den Jahren 2020 und 2021.
Im Mittelpunkt der Kassiansprozession stehen die Heiligen, vor allem der heilige Kassian. Neben der Reliquienbüste des heiligen Kassian werden bei der Prozession auch die Büste des heiligen Ingenuin, des heiligen Albuin und des seligen Hartmann mitgetragen. Nach 1964 wurde der heilige Vigilius zweiter Diözesanpatron der Diözese Bozen-Brixen und deshalb wird seit 1992 auch die Büste des heiligen Vigilius mitgetragen.
Auch drei große Frauengestalten werden bei der Prozession als Reliquienbüsten mitgetragen: die heilige Agnes, die heilige Ottilia und heilige Christina.
„Die Kassiansprozession mit den Reliquien unserer Heiligen, in die wir uns heute wieder einreihen, ist ein Zeichen für eine lange Glaubenstradition. Heute liegt es auch an uns, ob diese Glaubensgeschichte weitergeschrieben oder unterbrochen wird“, sagte Bischof Muser in seiner Predigt. „Kirche heute“, sagte der Bischof weiter, „wird nicht überleben, das ist meine Überzeugung, wenn sie jedem Konflikt ausweicht. Eine Kirche, die in unserer komplexen, pluralistischen Gesellschaft keinen Widerspruch auslöst, eine Kirche, die nur gelobt werden möchte, weil sie das nachsagt, was alle sagen und die im Strom der Meinungen mitschwimmt, muss sich fragen, ob sie wirklich in der Spur des Evangeliums ist. Ein Glaube, der nichts anderes wäre als ein Stück verblasster und gezähmter Tradition, wird nicht mehr tragen.“
Vor diesem Hintergrund sagte der Bischof, wie wichtig es sei, dass „wir Christen in der Gesellschaft und in der öffentlichen Meinung als solche erkannt werden. Ich sage dies bewusst im Hinblick auf die bevorstehenden Europawahlen am 9. Juni“. Die Europäische Union sei als Gemeinschaft christlicher und humanistischer Werte gegründet worden.
„Die Initiatoren dieses Engagements waren vor allem überzeugte Katholiken. Doch heute verliert der europäische Geist an Kraft. Das Gefühl des Wir beginnt zu schwanken. Nationalistische, fremdenfeindliche, populistische und diskriminierende Töne werden wieder salonfähig. Als Christ bin ich bestürzt darüber, dass der Geist dieser Isolation nicht selten unter christlichen Fahnen erscheint, zum Beispiel um das sogenannte christliche Abendland zu retten. Es sind nicht die anderen, die unsere Identität gefährden. Und es sind nicht die anderen, die für unsere Identität verantwortlich sind. Es liegt an uns zu entscheiden, ob wir auch heute und in der aktuellen Realität Christen werden, sein und bleiben wollen. Die bevorstehenden Europawahlen sollten für Christinnen und Christen ein Anlass sein, gemeinsam an einem geistigen, geistlichen Fundament zu bauen, das Europa eine Seele gibt“, sagte Bischof Muser.
Sakramentsbrüder in neuen Talaren
Bei der heurigen Kassiansprozession hat die Brixner Sakramentsbruderschaft erstmals ihre erneuerten Talare getragen. Die 56 Sakramentsbrüder tragen die Reliquien und Fahnen bei den Prozessionen und übernehmen die Anbetungen vor dem Allerheiligsten. Bischof Muser hat die neuen markant violettfarbenen Gewänder am Ende des Gottesdienstes gesegnet. Dabei sagte er: „Kleider machen Leute! Auferstandener Herr, du bist mitten unter uns. Segne diese neuen Talare und vor allem die Männer, die sie tragen und hilf ihnen, zum Glauben zu stehen und den Glauben auch öffentlich zu zeigen.
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