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Auf gepackten Koffern

Foto: LPA/ Unsplash

Das AFI schlägt Alarm: Jeder sechste Arbeitnehmende in unserem Land kann sich vorstellen, in den nächsten zwei Jahren Südtirol zu verlassen.

von Artur Oberhofer

Andreas Dorigoni sagt es mit krassen Worten: „Der entscheidende Wettbewerb ist in Zukunft nicht mehr jener um die besten Produkte oder Produktionsprozesse, sondern um die besten Fachkräfte. Mit Lohnzurückhaltung und einer prinzipiellen Abwehrhaltung bei Verhandlungen um Konditionen riskieren Südtirols Arbeitgeber, sich selbst ins Knie zu schießen“, so der Präsident des AFI.

Dass Südtirol – wie andere entwickelte Länder auch – unter dem Fachkräftemangel leidet, ist ausreichend dokumentiert. Nun hat Arbeitsförderungsinstitut erhoben, dass sich jeder sechste Arbeitnehmende in Südtirol vorstellen kann, in den nächsten zwei Jahren Südtirol zu verlassen. 

Das AFI ist in seinem Frühjahrsbarometer folgendem Fragenkomplex auf dem Grund gegangen: Wer von Südtirols Arbeitnehmern könnte sich, mit Blick auf die nächsten zwei Jahre, vorstellen, ins Ausland zu ziehen, wer in eine andere italienische Provinz? Was sind die Hauptbeweggründe für die Abwanderung bzw. warum bleibt man, umgekehrt, Südtirol treu? Und vor allem: Wie viele Arbeitnehmer sitzen sprichwörtlich auf gepackten Koffern? 

Dass Südtirol vor allem hochqualifizierte Arbeitskräfte ans Ausland verliert und geringqualifizierte importiert, sei bereits aus anderen Studien bekannt, erklärt AFI-Direktor Stefan Perini. Auf mittlere Sicht sei es entscheidend, diese Tendenz umzukehren. „Vor allem aber muss bei den Arbeitgebern das Bewusstsein geschärft werden, dass in Zukunft der Faktor Mensch das knappe Gut sein wird und nicht Technologie oder Kapital“, so Perini.

Jeder sechste Arbeitnehmende spielt mit dem Gedanken, Südtirol zu verlassen

In einer von der Globalisierung und vom demografischen Wandel geprägten Zeit müssten sich alle Volkswirtschaften – gerade auch die entwickelten – auf verstärkten Wettbewerb am Arbeitsmarkt einstellen, so das Fazit des AFI. Davon bleibe auch Südtirol nicht verschont, wie der seit 2019 jährlich von gesamtstaatlichen Statistikinstitut ISTAT publizierte Bericht „An- und Abmeldungen der Wohnbevölkerung“ eindrücklich belege. 

Im Jahr 2021 (letzter verfügbarer Wert) lag die Abwanderungsrate von Südtirolern ins Ausland bei 3,6 pro 1.000 Einwohnern – damit liegt Südtirol einmal mehr italienweit im Spitzenfeld, was auch damit zu tun hat, dass Südtirol eine Grenzregion ist, die ein wirtschaftsstarkes und gleichsprachiges „Hinterland“ hat.

Zu den Zahlen: Laut dem neuen AFI-Barometer ziehen 15% der Arbeitnehmenden in Südtirol die Möglichkeit in Betracht, in den nächsten zwei Jahren ins Ausland abzuwandern, während 17% die Möglichkeit nicht ausschließen, in eine andere Region Italiens zu ziehen (Achtung: Doppelnennungen waren möglich). Diese Prozentsätze seien, unabhängig vom angegebenen Zielort, nicht unbedeutend, wenn man sie auf die Zahl der Arbeitnehmenden in Südtirol umlegt, insbesondere mit Blick auf die jüngeren Jahrgänge, die als langfristige Investition für die Südtiroler Wirtschaft betrachtet werden können, heißt es beim AFI. „Glücklicherweise bleibt für viele der im AFI-Barometer Befragten die Abwanderung aus Südtirol nur eine Hypothese, doch die Gründe zu hinterfragen, warum doch einige mit diesem Gedanken spielen, kann dazu beitragen, das Phänomen einzudämmen“, merkt AFI-Forscherin Maria Elena Iarossi an.

Andreas Dorigoni mit LH Kompatscher

Was Arbeitnehmende ins Ausland zieht

Zu den Gründen, warum Arbeitnehmer erwägen, binnen 48 Monaten ins Ausland oder in andere italienische Region zu ziehen, findet sich an erster Stelle der Wunsch nach einem „Wechsel des kulturellen Umfelds“ (von 29% der Befragten genannt). 25% geben an, dass sie „neue Erfahrungen sammeln“ möchten. 

Die Hauptbeweggründe betreffen also in erster Linie zwei Faktoren, die von der Wirtschaftspolitik nicht direkt steuerbar sind. Nicht so bei Faktor drei, nämlich der „Suche nach günstigeren sozioökonomischen Bedingungen, um die Kinder großzuziehen“ (von 20% der Abwanderungsbereiten genannt), gefolgt von „günstigeren Arbeitsbedingungen, die in Südtirol nur schwer verhandelbar sind“ (15%) bzw. der Aussicht nach einer „größeren und komfortableren Wohnung“ (9%). Nicht ohne Grund wird das begrenzte Wohnungsangebot und das teure Wohnen im Allgemeinen oft als Hindernis für die Attraktivität Südtirols als Arbeitsstandort und Lebensraum genannt.

Warum man in Südtirol bleibt

Die Umfrage zeigt aber auch Erfreuliches. Zunächst den Umstand, dass für knapp 5 von 6 Arbeitnehmenden die Abwanderung aus Südtirol keine Option ist. Die Beweggründe dieser Gruppe betreffen vor allem familiäre Bindungen (38%). 34% geben als Grund an, dass sie mit ihrer derzeitigen Lebensqualität ausreichend zufrieden seien. 22% geben als Grund schlichtweg „Heimatverbundenheit“ an. 

 

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (36)

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  • olle3xgscheid

    Die Auswanderer 😉

    • criticus

      Der Hauptgrund bleibt sicherlich das leistbare Wohnen. Leider wird das politisch gerne verschwiegen, die Verantwortlichen drängen dieses Problem immer wieder an den Rand. Wenn man bedenkt wie viel in Südtirol verbaut wurde, hauptsächlich für den Tourismus und dass fast ganze Tourismusdörfer im Winter monatelang wie ausgestorben sind, dann kann man nur den Kopf schütteln. Da wurden Hotels mit über 100 Quadratmeter Suiten gebaut und der Einheimische soll mit 2 Kindern in einer 70 Quadratmeter-Wohnung sehen wie er zu recht kommt. Hinzu kommt, dass immer mehr neu gebaute Wohnungen an kaufwilligen Ausländern, in erster Linie Deutsche, Schweizer und Österreicher verkauft werden. Wenn die nicht zugreifen,, dann kommt der Hotelier und der reiche Bauer, der sein Geld anlegen möchte, an die Reihe. So und jetzt fragt man sich, wann kommt der normal verdienende Bürger Südtirols an die Reihe? Durch eine Ansässigkeitsklausel, könnte man diese Auswüchse leicht bremsen. Leider hat keine/r unserer mittelmäßigen PolitikerInnen den Mut dieses Problem anzugehen. Aber vor den Wahlen gscheid die „Pappm“ aufreißen.

      • heracleummantegazziani

        Viel mehr sollte man sich hierzulande über den Abwanderungsgrund „Wechsel des kulturellen Umfelds“ Gedanken machen.

      • gulli

        @criticus
        das leistbare Wohnen ist ein Grund, es sind generell die hohen Lebenserhaltugskosten in Südtirol die in keinem Verhältnis mehr zu den Löhnen stehen. Südtirol entwickelt sich immer mehr zu einem nicht mehr leistbaren Luxus…

      • cosifantutte

        Dazu kommen noch Betagte, die alleine auf 100+qm Wohnungen in besten Wohlagen leben, deren Kinder mittlerweile im Ausland ansässig sind und aufgrund von Karrieren nicht mehr zurückkommen. Südtirol verkommt zum Open-Air Altersheim.

  • olle3xgscheid

    Also wer das Wochenende etwas unterwegs ist, und das seht ihr auch alle, sehe ich , egal ob im Cafe, Bar, Eidiele, Restaurant’s, Seen , Fahrradwege usw volles Haus.
    Das kostet auch Geld, es geht halt nicht alles und ging früher auch nicht., nur meine Meinung.
    Dazu noch Frühstück für 30€ pro Kopf, abends schnell a Pitza oder Scoglio…
    Stimme aber zu das Wohnungen effektiv zu teuer sind!!

  • 2xnachgedacht

    jeder 6. kann sich vorstellen….theoretisch…. zudem-die koffer müssten wohl erst besorgt werden-von wegen gepackt… und dann? wohin? lächerlich.

  • murega

    @olle3xgscheid
    Bin genau deiner Meinung. Natürlich sind Wohnungen teuer, vielfach auch zu teuer. Aber muss es denn eine neue Wohnung im Klimahaus in Obermais sein? Es gibt definitiv Alternativen. Und auch Beiträge von der öffentlichen Hand.
    Und dann in der Sozialwohnung einen 65″ Fernseher montieren, mehrere Mobiltelefone vorzugsweise Iphones der neuesten Generation, Markenkleidung, mehrere Urlaube im Jahr… usw.

  • foerschtna

    Bei den 17% Abwanderungswilligen dürfte es sich wohl zum Großteil um Angestellte von privaten Unternehmen handeln, und weniger um öffentlich Angestellte. D.h. dass der potenzielle Braindrain im privatwirtschaftlichen Bereich noch viel höher sein wird, als die angegebenen 17%, und das ist schon einigermaßen beunruhigend. Denn wer soll in Zukunft die für den Sozialstaat benötigten Steuereinnahmen erwirtschaften, wenn leistungsbereite und hoch qualifizierte Mitarbeiter unserem Land in steigendem Umfang den Rücken kehren, und zunehmend nur mehr öffentlich Angestellte und gering Qualifizierte hier bleiben ?

  • verwahnterbruader

    ich denke und weiss von meinem naeheren umfeld, dass 8 von 10 menschen die das land verlassen, gehalt arbeistverhaeltniss und karriere, sowie das verhaeltniss zwischen sozialen abgaben mit den damit verbundenen leistungen zu tun hat.

  • kongo

    Ich glaube dieser Statistik kein Wort.In meiner 5000 EWer Gemeinde bleibt fast jeder zweite der im Ausland studiert hat auch dort. Am meisten in Ö oder D, einige auch weiter weg.Ist ja auch kein Wunder das keiner mehr bleiben will in einem Ländchen wo nur Hinterfotzigkeit und Vetternwirtschaft regieren.

    • summer1

      Ach, bei den meisten liegt es an der mangelnden Italienischkenntnis, dass sie nicht mehr zurückkommen und dann andere Gründe vorschieben. Das nenne ich hinterfotzig.
      Was du eben auch bist, gell Kongo?

    • andreas

      @kongo
      Dann geh halt, chi se ne frega.

      • kongo

        Naja Summerle und Anderle von solchen hasserfüllten Idioten wie ihr war nichts anderes zu erwarten, inzwischen weiss doch jeder aus welchen faulen Bananenholz ihr geschnitzt seid.

        • summer1

          Der hinterfotziger Kongo hat schon wieder kein einziges Argument!

        • heracleummantegazziani

          Bananen wachsen auf Stauden, da ist weit und breit kein Holz…
          Bezüglich „ich glaube der Statistik kein Wort“ zeigt sich wieder, dass bei Bildungsverlierern das eigene Bauchgefühl wichtiger ist als Daten.
          Wenn die Statistik ergibt, dass 29% Südtirol wegen des kulturellen Umfeldes verlassen, dann sind Leute wie Sie der Grund dafür.

          • kongo

            WIeder mal auf dem Holzweg, es werden sogar Möbel aus Bananenbaumholz gemacht.Und ja viele verlassen unser Land, aber sicher nicht wegen des kulturellen Umfeld sodern wegen Leute wie sie, die glauben das man diese in einem total versagenden Umfeld umerziehen kann.Man braucht nur diese LR anschauen, Kompatscher und die Steinzeit.

        • andreas

          @kongo
          Deine Kreativität bei Beschimpfungen lässt sehr zu wünschen übrig.
          Bemühe dich bitte etwas mehr, so etwas ist nicht mal lustig.

          • kongo

            Ich beschimpfe niemanden, das machst schon du.Es gibt halt nicht nur solche Typen wie dich und Hera die glauben mit Lügen und Verdrehungen die Welt verbessern zu wollen.

      • leser

        ja anderle
        ich find es auch gut dass die töchter und söhne der dorftrottl sich entfalten können
        so gibst auch du und is stevele eine intellektuelle figur ab
        ich find es auch gut dass der grösste bauer und der grösste hotelier das sagen haben soll

  • olle3xgscheid

    Ich frag mich wer und warum so stichelt das im Ausland das Gras grüner wäre?
    In Deutschland besitzen 42% und
    in Italien 72% eine Eigentumswohnung also wo ists nun teuerer jnd unbezahlbar. La bella vita kann das italienische Volk besser denn alle ;-).
    Nitzdestotrotz finde ich Auslandserfahrungen ungemein wichtig aber Südtirol andauernd schlecht zu reden nützt auch nichts, ja und Berlin , Wien , London werden wir wohl nie

  • carlo

    Das ist wie man von Ihnen gewohnt ist, Oberhofer, ein guter Artikel!

    Avanti tutta!

  • morgenstern

    Reisende sollte man ziehen lassen! Für alle hätten wir ohnehin nicht die passende „Arbeit“.

  • vinschgermarille

    „Jeder sechste Arbeitnehmende“…Nachdem in Südtirol schon lange sowohl Frauen als auch Männer arbeiten , finde ich diesen Begriff überflüssig.

  • olle3xgscheid

    Das nenn ich mal ernste Sorgen…

    • vinschgermarille

      Das sind keine Sorgen ,sondern Tatsachen.Unter Arbeitnehmern verstehe ich immer noch beide ,Männlein und Weiblein.Ergo,überflüssig.Und zum Problem selber : ordentliche Gehälter,bezahlbare Wohnungen und eine gerechtere Steuerpolitik, dann muß niemand dem Land den Rücken kehren

      • olle3xgscheid

        Würdests nicht erwähnen wenns dich nicht triggert, Ergo , Sorge 😉
        Zum Vergleich in den 80ern , Lohn 1.5-1.8 Millionen Lire-Wohnung 500.000.000 Lire 😉 , die waren nie billiger.
        Was fehlt ist Sparsamkeit, lieber 30 Tage Halligalli jetzt ( will ja jeder jetzt leben und nix versäumen)

  • andreas

    Ja und, dann sollen sie halt gehen.
    Bei Studienbeiträgen würde sie verpflichten ein paar Jahre in Südtirol zu arbeiten und sonst müssen sie diese halt zurückzahlen.

    Jedes Land hat seine Vor- und Nachteile und jeder ist frei dorthin zu gehen wo er will.
    Es hat schon einen Grumd, warum die Deitschen den zweitgrößten Ausländeranteil in Südtirol haben.

  • nemesis

    Solange man eine Wohnung hat und bei den Eltern wohl aufgehoben ist sicher kein Problem in Südtirol zu bleiben.
    Anders sied es dann aus wenn eine klein Wohnung Neubau mit fetten Bankspesen, Steuern dann ein Preis um die 600.000 euro hat oder Mieten um die 1200euro plus Kodominiumspesen Gas, Strom alles wird teurer.
    Und das wird sich sicher auch nicht ändern in der Zukunft da immer mehr Touristen ins Land Südtirol fließen kann es nur noch teuerer werden und die meisten gut bezahlten Steuern können die Arbeitnehmer bezahlen.

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