70 km/h und Alk im Blut
Das Ergebnis des Beweissicherungsverfahrens zum Tod von Alex Masera, der mit einem Lieferwagen über die Loretobrücke in Bozen gestürzt war, ist eindeutig: Hohe Geschwindigkeit, hoher Alkoholspiegel und ein gesetzeskonformes Brückengeländer.
von Thomas Vikoler
Derartige Details sollten in Bezug auf eine verstorbene Person eigentlich nicht erwähnt werden, doch sie sind in diesem Fall von starker Relevanz für die Klärung einer strafrechtlichen Verantwortung: Alex Masera, 22, war am Morgen des 2. Mai 2023 vergangenen Jahres ziemlich betrunken.
Der Alkoholspiegel lag bei 1,32 Promille. Masera war mit einem Lieferwagen der Fliesenlegerfirma seines Vaters auf der Loretobrücke in Bozen unterwegs, auf der er eigentlich nicht hätte fahren dürfen. Und er stürzte mit seinem Fahrzeug, das das Brückengeländer durchbrach, in die Fluten des Eisacks und ertrank, wie die Autopsie später ergab.
Laut einem Gutachten des Trentiner Ingenieurs und Universitätsprofessors Marco Guerriero im Auftrag von Voruntersuchungsrichter Emilio Schönsberg spielte bei dem Unfall ein weiterer (entscheidender) Faktor eine Rolle: Der von Masera gelenkte Lieferwagen war beim Aufprall auf das Brückengeländer 70 Stundenkilometer schnell unterwegs – es galt ein Tempolimit von 40 Stundenkilometern.
Die genaue Ursache für das plötzliche Ausscheren des stadteinwärts fahrenden Lieferwagens konnte der Gerichtsgutachter im Rahmen des gestern am Landesgericht abgeschlossenen Beweissicherungsverfahrens nicht nennen. Vielleicht eine Ablenkung durch ein Handy, vielleicht eine anderweitige Unachtsamkeit, vielleicht die durch den Alkohol verlängerte Reaktionszeit.
Zwei Videos aus dem Prozessakt bestätigen jedenfalls, dass das Fahrzeug ungebremst ausscherte und das Geländer sofort nachgab.
Das Gerichtsgutachten Guerrieros entlastet damit den derzeit einzigen Tatverdächtigen im Strafverfahren der Staatsanwaltschaft Bozen zum Tatverdacht der fahrlässigen Tötung. Es handelt sich um den Chef-Ingenieur der Stadtverwaltung, der für die Instandhaltung der Brücken der Stadt zuständig ist.
Der Gerichtsgutachter wies gestern darauf hin, dass das Brückengeländer der Loretobrücke baulich in Ordnung und korrekt gewartet worden war und nach den aktuellen gesetzlichen Bestimmungen dem Aufprall eines Lieferwagens nicht habe standhalten müssen. Auf einer Brücke, auf der ein Tempolimit von 40 Stundenkilometern gilt, reiche es aus, wenn sie mindestens ein Meter hoch ist und Fußgänger vom Sturz ins Wasser bewahrt.
Hansjörg Letzner, der Sachverständige der Verteidigung des Chef-Ingenieurs der Gemeinde Bozen, pflichtet dem Ergebnis des Gutachtens Guerrieros über weite Strecken bei. „Erst auf Brücken mit einem Tempolimit von 70 Kilometern müssen die Geländer so gebaut sein, um einen Aufprall eines Fahrzeuges standzuhalten“, sagt Letzner zur TAGESZEITUNG.
Der Verfahrensakt geht nun zurück an die Staatsanwaltschaft, die über eine Anklage bzw. eine Einstellung des Strafverfahrens gegen den Gemeinde-Ingenieur entscheiden muss. „Wir rechnen fest damit, dass zweiteres eintreten wird“, sagt sein Verteidiger Francesco Coran.
Der Bruder und der Vater von Alex Masera waren gestern mit Anwälten bei der Verhandlung zum Beweissicherungsverfahren vertreten.
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