Weltfrieden im Landtag
Posse im Hohen Haus: Wie die JWA-Liste die Regierung in Rom und die EU verpflichten will, eine „diplomatische Lösung“ für den Ukraine-Krieg zu finden.
von Matthias Kofler
Es ist der zweite Beschlussantrag der jungen JWA-Fraktion, der es auf die Tagesordnung des Südtiroler Landtags geschafft hat. Wollte Jürgen Wirth Anderlan vor einem Monat ein Genderverbot in allen öffentlichen Einrichtungen des Landes durchsetzen, geht er diesmal mit seinen hehren Zielen noch einen Schritt weiter. Mit dem Antrag „Diplomatie statt Kriegstreiberei“ fordert der Kalterer nicht weniger als den Weltfrieden.
Der Hintergrund: Im Februar 2022 hat der russische Präsident Wladimir Putin den Angriff auf die Ukraine befohlen. Seitdem tobt ein blutiger Krieg im Osten Europas. Der Kremlchef rechnete mit einem schnellen Sieg, nicht aber mit dem großen Widerstand der Ukrainer. Täglich gibt es Raketen- und Drohnenattacken – und Diskussionen über neue Waffenlieferungen. Zuletzt hat der Druck an der Front mächtig zugenommen. Doch immer öfter werden auch Ziele in Russland getroffen. „Die Opferzahlen übersteigen längst das Maß des Vorstellbaren“, schreiben Jürgen Wirth Anderlan und Andreas Colli in ihrem Beschlussantrag. Ihr Credo: Wer das menschliche Leid mit aufrichtiger Empathie zur Kenntnis nehme, für den könne die Frage nach der Kriegsschuld nur vollkommen in den Hintergrund treten. Sie sei „irrelevant“, so die JWA-Abgeordneten. Im Vordergrund dürfe nur noch die Frage stehen, wie man das menschliche Leid im Osten Europas beenden könne. Und dafür gebe es nur einen einzigen Weg: die Diplomatie und die sofortige Aufnahme von Friedensverhandlungen.
Europäische Waffenlieferungen lehnen Wirth Anderlan und Co. entschieden ab. Diese würden lediglich zu einer „Verlängerung des menschlichen Leids betragen, keinesfalls aber zu einem Sieg oder auch nur zu einer besseren Verhandlungsposition der Ukraine führen können“. Die einzige Gewinnerin wäre die Waffenindustrie, ist man im Hause JWA überzeugt.
Die Südtiroler Oppositionspartei folgt mit dieser Positionierung ihren deutschen und österreichischen Brüdern im Geiste: Sowohl die AfD als auch die FPÖ haben bereits ein Verbot von Waffenexporten in Konflikt- und Kriegsgebiete beantragt. Die Regierungsparteien in Deutschland und Österreich sehen in der Haltung der Rechtspopulisten den Versuch einer Täter-Opfer-Umkehr: Ziel von AfD, FPÖ und Co. ist es demnach, die Ukraine durch das Einstellen der Waffenlieferungen zur Verhandlungsbereitschaft zu „erpressen“. Ein solcher Frieden würde aber zulasten Ukraine ausfallen. Die Rechtspopulisten bedienen sich dabei der Desinformationskampagnen des russischen Präsidenten Wladimir Putin, der die diplomatischen Initiativen der EU und der Vereinten Nationen leugnet und der Ukraine ihr Existenzrecht abspricht. In dieser Optik ist auch der folgende Absatz des Beschlussantrags der JWA-Fraktion zu lesen, der ein „Stopp der Eskalationsspirale“ fordert: „Die westlichen Waffenlieferungen erhöhen (…) zunehmend die Gefahr, dass europäische Staaten als aktive Teilnehmer in diesen Krieg hineingezogen werden: Der nächste Schritt in der derzeitigen Politik des Westens wäre ein aktives Engagement westlicher Staaten bzw. Soldaten auf dem Boden der Ukraine. Der darauf folgende Schritt ist der dritte Weltkrieg.“
Jürgen Wirth Anderlan, der sich erst kürzlich in Wien mit dem Kopf der Identitären Bewegung, Martin Sellner, getroffen hat, will mit seinem Antrag erreichen, dass sich der Südtiroler Landtag für die dringende Notwendigkeit einer diplomatischen Lösung des Ukraine-Kriegs und gegen die Unterstützung weiterer Kriegshandlungen durch europäische Waffenlieferungen auszusprechen. Weiters soll die Landesregierung aufgefordert werden, dahingehend Druck auf die italienische Regierung und die Europäische Union auszuüben. Fraglich ist, ob der Antrag überhaupt zulässig ist, da der Landtag in dieser Frage keinerlei Zuständigkeiten hat.
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