„Der Papst leidet darunter“

Bischof Ivo Muser mit Papst Franziskus
Bischof Ivo Muser stärkt dem Papst nach dessen viel kritisierten Aussagen zum Ukraine-Krieg den Rücken. Auch er fordert die Ukraine zu Friedensverhandlungen auf.
Tageszeitung: Herr Bischof, Papst Franziskus hat in einem Interview gesagt, die Ukraine solle „Mut zur weißen Fahne“ zeigen. Wie bewerten Sie diese Aussage?
Bischof Ivo Muser: Schon die Formulierung zeigt, wie der Papst denkt: Es ist für ihn ein Zeichen von Mut und Stärke, von Verantwortung und Menschlichkeit, nicht von Schwäche und Kapitulation, den Frieden zu wollen und nichts unversucht zu lassen, um aus dieser Hölle von Gewalt, Zerstörung, Hass und Tod herauszukommen. Die Spirale und die Logik des Krieges müssen unterbrochen werden – durch den Mut zum Frieden. Und diesen Mut traut er offenbar der Ukraine zu.
Ein Vatikansprecher hat die Aussage zwar jetzt entschärft, dennoch gab es bis zu dieser Klarstellung Kritik von Bischöfen. Würden Sie die Aussage mit dieser Klarstellung unterschreiben?
In einem so polarisierten, verfahrenen und grausamen Kontext reicht eine Klarstellung in die eine oder in die andere Richtung schon lange nicht mehr aus. Es braucht klare Signale für Friedensverhandlungen. Um das geht es dem Papst – selbst um den Preis, dass er dafür Kritik und Prügel bekommt.
Hätten auch Sie dem Papst widersprochen, wenn es nicht zu dieser Klarstellung gekommen wäre?
Keine Frage: Durch diese pointierte Formulierung hat sich der Papst angreifbar gemacht. Es wäre besser gewesen, beide Seiten direkt anzusprechen. Er will sich nicht darauf beschränken, politisch korrekt zu sein. Für ihn ist es ein Zeichen von menschlicher und christlicher Größe, nicht vom Sieg her zu denken, sondern vom Frieden. Es braucht diesen Perspektivenwechsel – selbstverständlich auf allen Seiten.
Können Sie die Kritik, die das Interview hervorgerufen hat und zum Teil nach wie vor besteht, nachvollziehen?
Ja, ich kann die Kritik verstehen. Ich kann mich auch hineindenken in das Leid des ukrainischen Volkes, das von einem Aggressor überfallen wurde. Aber: der Krieg geht weiter und will nicht enden! Der Papst will ganz bestimmt nicht die russische Aggression legitimieren, er will, dass dieser Krieg aufhört, sich nicht ausweitet und dass er nicht um jeden Preis weitergeführt wird.
Der Papst wurde vor allem zu Beginn des Krieges als möglicher Vermittler ins Spiel gebracht. Bisher ist das ihm scheinbar aber nicht gelungen. Woran liegt das?
In einem nationalistischen Kontext ist es offenbar besonders schwierig, zu vermitteln. Bei meinem Ad-limina-Besuch im Februar habe ich bemerkt, wie sehr Papst Franziskus darunter leidet, dass alle Kriegsparteien vom Sieg reden und nicht vom Frieden. Und die einzigen, die siegen und gewinnen, sind die Hersteller und die Lieferanten von Waffen.
Interview: Markus Rufin
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