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„Jeder Mensch ist einzigartig“

Die Kursteilnehmerinnen mit Nina Hartmann (hockend 2. v. r.)

Wie interkulturelle Beratung gelingt und was unsere Gesellschaft braucht: Die Psychologin Nina Hartmann im Interview.

Kulturelle Hintergründe sind spannend, doch die Herausforderungen für Mitarbeitende in der interkulturellen Beratung vielfältig:

Es geht darum, mit verschiedenen Sprachen und kulturellen Prägungen umzugehen, sich mit belastenden Lebensumständen, sozialen Ungerechtigkeiten und strukturellen Problemen auseinanderzusetzen.

Fachkräfte brauchen interkulturelle Fachlichkeit, strategische, personale und soziale Kompetenz.

Für eine gute Kommunikation ist Reflexion über Vorannahmen über andere Menschen wichtig. Nina Hartmann arbeitet als Supervisorin im Landkreis München und leitet dort die Flüchtlingsberatung einer großen Wohlfahrtsorganisation.

Vor wenigen Tagen hat Nina Hartman im Haus der Familie am Ritten mit Fachkräften zu gelingender interkultureller Beratung gearbeitet. Ein Gespräch.

Wie gelingt lösungsorientierte Beratung?

Nina Hartmann: Die Fokussierung auf Fähigkeiten und Möglichkeiten sowie das Aufzeigen von Handlungsoptionen sind bedeutend: „Problem talk creates problems and solution talk creates solutions.“ (Steve de Shazer). Es geht darum, bei Klient:innen das Gefühl der Selbstwirksamkeit zu stärken und Ressourcen aufzuzeigen. Empathie, eine wohlwollende und wertschätzende Haltung sind grundlegend für die Beziehungsgestaltung. Jeder Mensch ist einzigartig und diese Komplexität gilt es zu erforschen – mit anteilnehmender Neugier und aus einer Haltung des Nicht-Wissens heraus.

Welche Rolle spielt dabei Partizipation? 

Wesentlich ist es, Menschen miteinander in Verbindung zu bringen – und das ist tatsächlich eine der schwierigsten Aufgaben. Kontakt zwischen den Kulturen und Informationsaustausch könnte sehr vielen Missverständnissen vorbeugen. Hilfreich sind gezielte konkrete Projekte vor Ort mit verlässlichen Ansprechpartner:innen. Es gilt, niederschwelliges Kennenlernen zu initiieren und Begegnung zu fördern, am besten thematisch organisiert, zum Beispiel durch Musik, Sport oder Kunst. Auch das Suchen von Verbündeten und die Arbeit in Netzwerken ist hier wichtig. 

An welchem Punkt ist die Stadt München fast zehn Jahre nach der großen Fluchtbewegung?

2015 war die Grundversorgung der neu Ankommenden ein wesentliches Thema. Es ging um den Aufbau von Strukturen, um Schulungen von Personal in kultursensibler psychosozialer Beratung und auch um die Begleitung von Ehrenamtlichen. Damals haben sich neben den Fachkräften hunderte und tausende Menschen engagiert und wertvolle Arbeit geleistet. Als 2022 sehr viele Frauen und Kinder aus der Ukraine kamen, konnten wir ähnliches Engagement beobachten. Hier ging und geht es um die psychische Stabilisierung und die Unterstützung der Kinder in Kindergärten und Schulen. Belastungen durch Kriegserfahrungen und den Verlust von Heimat und Familie wollen verarbeitet werden. Die meisten Menschen, die 2015 kamen, arbeiten heute, machen Ausbildungen, engagieren sich selbst als Kulturdolmetscher:innen, im Integrationsbeirat oder gründen Vereine. 

Welche Konzepte haben Sie den haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter:innen im Sozial- und Gesundheitswesen in Südtirol vermittelt?

Es ging um die Phasen der Migration, ihre psychologischen Auswirkungen sowie entsprechende Interventionen, um kultursensible Beratung und Gesprächsführung sowie die systemische und lösungsorientierte Haltung. Kinder und Familien mit Migrations- oder Fluchterfahrung sowie kultursensible Beratung im Erziehungs- und Schulkontext waren ein Schwerpunkt. Kinder machen sehr viele Defizit-Erfahrungen. Sie werden in Zukunft unsere Welt gestalten, sie sollen Stärkung erfahren, das ist für unsere Gesellschaft und den sozialen Zusammenhalt sehr wichtig.

Welche Werkzeuge haben Sie den der Teilnehmenden mitgegeben?

Es ging um konkrete Gesprächsführungstechniken, um die Auseinandersetzung mit herausfordernden Beratungsthemen, Hilfreiches für die Familienberatung im Kontext Migration, um Handlungsempfehlungen für eine kultursensible Pädagogik, um Erfolgsfaktoren für Inklusionsprojekte und vieles mehr. Übungen und Reflexionsfragen haben es möglich gemacht, Gelerntes anzuwenden. Außerdem ging es um Migration und psychische Gesundheit – sowohl für Beratende als auch Klient:innen. Die Stärkung und Ausbildung von Care-Arbeitenden ist mir ein besonderes Anliegen. Sie leisten einen fundamentalen und wichtigen Beitrag für unsere Gesellschaft, der mehr gesehen, gehört und wertgeschätzt werden sollte.

Kurzbiografie

Nina Hartmann studierte Psychologie und Kommunikationswissenschaft und absolvierte Ausbildungen zur systemischen Beraterin, Supervisorin und Traumafachberaterin. Ihre Abschlussarbeit in Psychologie schrieb sie über die psychische Gesundheit von Geflüchteten. Ihre Themenschwerpunkte sind kultursensible Beratung, die Stärkung von Kindern und psychische Gesundheit im Kontext Migration und Care-Arbeit.

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Kursstimmen

Diese Sätze kamen von den 11 Teilnehmenden aus unterschiedlichen Einrichtungen wie Südtiroler Kinderdorf, Sozialsprengel, Forum Prävention, Jugend Cultura Unterland, Sanitätsbetrieb, Haus der geschützten Wohnungen: 

·       „Wir brauchen eine gute Zusammenarbeit und regelmäßigen Austausch zwischen Politik und Fachkräften.“

·       „Eine Weiterbildung zu kultursensibler Arbeit ist wertvoll, hilfreich und entlastend für alle Sozial- und Bildungseinrichtungen.“

·       „Unser Ziel als Fachkräfte ist es, ein aktives Netzwerk zu schaffen und uns gegenseitig zu unterstützen.“

·       „Alle Kinder haben das Recht auf Wertschätzung, Stabilität und eine positive Zukunft.“

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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