Bachmanns später Sieg
Infolge von Baggerarbeiten auf der Raut-Piste verschüttete im Jahre 2003 eine Mure ein Gebäude des früheren Rodel-Champions Otto Bachmann in Vierschach. Die Helmbahnen AG wollte nichts zahlen, nach unglaublichen 21 Jahren gewinnt Bachmann nun den Rechtsstreit.
von Thomas Vikoler
Es waren Zeiten, zu denen ein Mitglied der Landesregierung niemals erklärt hätte (wie es Landeshauptmann Arno Kompatscher nach seinem Amtsantritt vor zehn Jahren getan hat), Amtsgutachten würden bei Beschlüssen grundsätzlich nicht übergangen. Der damalige UVP-Beirat erteilte im November 2000 zum Projekt für den Bau der Verbindungspiste Raut aus landschaftlichen, naturkundlichen und hydrologischen Gründen jedenfalls ein negatives Gutachten. Ähnlich sah es die Landschaftsschutzkommission. Trotz zweier Rekurse des WWF (der erste wurde vom Verwaltungsgericht angenommen), genehmigte die Landesregierung im August 2002 den Eingriff mit Auflagen: Die Erdbewegungen seien auf ein Minimum zu beschränken, Bäume dürften allein mit einer Genehmigung der Förster geschlägert werden.
Am 28. März 2003 passiert es: Nach Regenfällen ergießt sich von der Baustelle eine riesige Mure rund einen Kilometer über den Tischlerbach und beschädigt zwei darunterliegende Gebäude im Talboden in der Innichner Fraktion Vierschach. Betroffen auch das Haus, das Otto Bachmann, der frühere Europameister im Naturbahnrodeln und Rodel-Hersteller, gehört.
Dass es die Bauherren mit den Auflagen der Landesregierung nicht so genau genommen hatten, zeigt sich bei der juristischen Aufarbeitung des Falles: Anstatt der erlaubten 17.000 Kubikmeter Erde wurden über 100.000 Kubikmeter bewegt. Und anstatt der ursprünglich vorgesehenen fünf Hektar Wald wurden für die Piste, die stellenweise um 40 Meter breiter ausfiel als erlaubt, acht Hektar Wald gerodet.
Nun steht auch fest: Die Liftgesellschaft Drei Zinnen AG (damals Helmbahnen AG) wird vom Bozner Oberlandesgericht für den Schaden an Bachmanns Haus zivilrechtlich verantwortlich gemacht und muss Bachmann, gemeinsam mit dem Brunecker Ingenieur, der die Arbeiten an der Raut-Piste geplant hat, sowie der ausführenden Baggerfirma eine stattliche Summe zahlen.
Dabei hatte Bachmann zunächst nicht beabsichtigt, vor Gericht ziehen. „Ich wollte nicht streiten“, sagt er heute, 21 Jahre nach dem Murenabgang. Er bekam aber mit, dass die Liftgesellschaft sich außergerichtlich mit dem Nachbarn, einem Grundbesitzer entlang der Piste, auf eine Schadensersatzzahlung geeinigt hatte. In einem Brief vom 14. Oktober 2003 teilt der damalige Präsident der Helmbahnen AG mit, dass man bereit sei, ihm, Bachmann, einen Solidaritätsbeitrag von 1.100 Euro zu bezahlen. Mehr nicht.
Im Jahre 2005 sieht sich der Rodel-Bauer gezwungen, beim Landesgericht eine Klage einzubringen. Für das Zivilverfahren musste er in den folgenden 18 Jahren viel Geduld und vor allem viel Geld aufbringen. Allein für die erste Instanz vor dem Landesgericht musste er 110.000 Euro für den Anwalt und den Sachverständigen vorstrecken, im Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht 96.600 Euro.
„Ich bin mit meiner Klage ein hohes finanzielles Risiko eingegangen, war aber immer überzeugt, dass ich gewinnen würde. Sonst hätte ich das Ganze nicht durchgestanden“, betont Bachmann heute. Unterstützt wurde er in seinem Kampf um Gerechtigkeit vom inzwischen verstorbenen Ingenieur Ernst Watschinger, dem in Sexten wohnhaften früheren Chef der Landes-Wildbachverbauung, der ursprünglich das Projekt für die Helmbahnen AG erstellt hatte.
Im Jahre 2015 ergeht am Landesgericht das erstinstanzliche Urteil zu Bachmanns Klage, ihm wird ein Schadensersatz von 194.543 Euro zugesprochen. Über eine neue Anwältin von auswärts – Liliana Bianchi aus Belluno – legt er dagegen beim Oberlandesgericht Berufung ein. Dessen Urteil ist kürzlich in Rechtskraft erwachsen: Die Liftgesellschaft bzw. der Ingenieur und die Baggerfirma werden zu Zahlung von 47.887 Euro für den direkten Schaden an Bachmanns Gebäude verurteilt, dazu zu 625.700 Euro wegen des von der Mure verursachen Wertverlusts der Immobilie bzw. des gestiegenen hydrologischen Risikos. Dazu müssen die Beklagten bzw. deren Versicherungen Generali, Uniqua und Lloyd’s Bachmanns Anwaltsspesen und die Kosten für die Gerichtsgutachten übernehmen.
Von diesen gab es nämlich zwei. Anwältin Bianchi gelang es, das OLG von der Notwendigkeit zu überzeugen, das Gerichtsgutachten aus der ersten Instanz zu erneuern. Es beauftragte den Trentiner Ingenieur Michele Martinelli mit einem neuen Gutachten. Der stufte den durch die Mure verursachten Wertverlust als wesentlich höher ein.
„Der ursprünglich angebotene Solidaritätsbeitrag hat sich um 80.000 Prozent erhöht“, rechnet Otto Bachmann nicht ohne Genugtuung vor.
Sein Fall ist ein Paradebeispiel dafür, wie lange Zivilverfahren auch hierzulande dauern können und dass Geschädigte diese nur durchstehen können, wenn sie genügend finanzielle Mittel zur Finanzierung der Prozesse aufbringen können.
Otto Bachmann hat die Herstellung von Rodeln inzwischen aufgegeben und die von ihm aufgebaute Marke 2021 an ein Unternehmen vom Ritten verkauft.
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Kommentare (4)
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criticus
Hat da nicht schon einmal eine UNO-Studie ergeben, dass die italienische Justiz bezüglich der Verhandlungsdauer im Rang hinter der afrikanischen Justiz steht?
pingoballino1955
SCHLARAFFENLAND DER JUSTIZ????
hallihallo
daß die uvp- gutachter und landschaftsschutzpfleger schon prinzipiell zu allem nein sagen , ist klar. ist ja ihr job.
beschämend ist aber, daß sich die liftgesellschaft davor gesträubt hat, den entstandenen schaden sofort ganzheitlich zu übernehmen. das wäre wohl das mindeste gewesen, in anbetracht, daß sie viel mehr gebaut als genehmigt haben. vor allem auch im hinblick , daß der geschädigte eigentlich nur den schaden bezahlt haben wollte.
sabine
Hallihallo…sehe dass genauso. Die auflagen nicht einhalten, sprich nicht in ordnung sein, und dann dem bürger nicht mal den daraus entstandenen schaden entschädigen. Ich freue mich für den herrn, dass hier endlich Recht gesprochen wurde, nach so langer zeit