„Regionaler Größenwahn“
Der Abgeordnete des Team K, Alex Ploner, wirft Landeshauptmann Arno Kompatscher Wortbruch vor. Von nachhaltigen Olympischen Spielen könne keine Rede sein.
TAGESZEITUNG Online: Herr Ploner, der ehemalige deutsche Skirennläufer Felix Neureuther ist losgezogen, um mit einer Doku Lust auf Olympia zu machen. Herausgekommen ist ein Filmdokument über regionalen Größenwahn und seelenlose, überdimensionierte Retortenstädte …
Alex Ploner: Der Familie Neureuther liegt die Thematik am Herzen. Felix wollte eine Doku über die Olympischen Winterspiele in den Alpen, also in der Heimat des Skisports drehen. Was er zu sehen bekommen hat, hat ihn regelrecht geschockt.
Die Bilder aus Antholz, Cortina und vor allen Dingen aus Cesana und Pragelato sind in der Tat beeindruckend …
Ja, für diese Olympia-Ruinen in Cesana usw. sind aber nicht die Sportler verantwortlich, sondern die Politik. Mich wundert, dass das IOC als Veranstalter der Olympischen Spiele und als Besitzer der Marke Olympia so etwas zulässt. Die Marke Olympia wird ja massiv beschädigt. Wenn das IOC das alles zulässt, dann heißt das für mich, dass das IOC keine Macht hat.
Für viel Unverständnis sorgt nach dieser Neureuther-Doku der Umstand, dass das Biathlon-Stadion von Antholz für 50 Millionen Euro umgebaut wird, obwohl dort erst 2020 eine WM stattgefunden hat. LH Arno Kompatscher sagt im Film selbst, es hätte keinen Umbau der Arena gebraucht …
Es wird gesagt, man wolle mit dieser Investition von 50 Millionen Euro die Existenz der Arena langfristig garantieren. Ich habe Kompatscher offiziell gefragt, was konkret geplant ist. Will man einen Veranstaltungsort? Will man große Konzerte veranstalten? Von einem Sportleistungszentrum war die Rede. Fakt ist: Der LH hat diese Frage nicht beantworten können. Es gibt kein Konzept. Es wird auch nicht gesagt, wer das Zentrum morgen betreibt …
Damit meinen Sie?
Die Verantwortlichen in Antholz sind ein ehrenamtlicher Verein mit zwei Angestellten. Es werden 50 Millionen Euro verbaut, und niemand weiß, was geplant ist.
In der Neureuther-Doku schockieren insbesondere die Bilder der Sportruinen in Cesana und Pragelato.
Die Bilder sind der Wahnsinn. Die ehemalige Sprungschanze ist ein Beton-Monument, sogar die Olympia-Schilder liegen noch herum. Genau dasselbe, was in Cesana und Pragelato passiert ist, ist in Sotschi oder in China geschehen. Ich wette, dass es in Cortina in ein paar Jahren genauso aussehen wird.
Beim hiesigen Coni ist man überzeugt, die Folgekosten der neuen Bahn in Cortina stemmen zu können.
Die Betreiber der Innsbrucker Bahn haben Folgekosten von rund einer halben Million pro Jahr. Sie sagen: Keine Bahn auf der Welt arbeitet gewinnbringend. In Cortina werden die Folgekosten bei rund einer Million pro Jahr liegen. Diese sollen aus dem Grenzgemeinden-Fonds bezahlt werden, in den Südtirol 40 Millionen Euro einzahlt. Also zahlen die Steuerzahler die Folgekosten.
In der Neureuther-Doku kommt auch der Landeshautpmann zu Wort, der vor Jahren noch stolz gesagt hat, Südtirol könne bei der Ausrichtung der Spiele in Mailand und Cortina ein gewichtiges Wort mitreden. Außerdem sprach Kompatscher von den ersten nachhaltigen Olympischen Spielen. Im Interview mit Neureuther wirkte der LH etwas verlegen …
Ja, dem Landeshauptmann war nicht ganz wohl, das hat man an seiner Körpersprache gesehen. Er selbst hat in Bezug auf Antholz immer nur von leichten Anpassungen gesprochen. Jetzt werden 50 Millionen Euro verbaut, es wird ein Speicherbecken errichtet und eine unterirdische Waffenkammer für 2,5 Millionen Euro.
Was hätte der LH tun können?
Südtirol hätte dazu Nein sagen können, der LH hat aber nicht Nein gesagt. In der Doku wirkt er deswegen so verlegen, weil er beim Lügen ertappt worden ist. Kompatscher hat seine Versprechen nicht gehalten. Deswegen spreche ich auch von der Olympia-Lüge des LH.
Nochmals: Was hätte der LH tun können?
Er hätte sich in Sachen Bobbahn für eine Lösung im Sinne der Europaregion Tirol einsetzen können. Er hätte beim Lega-Minister intervenieren können. Das hat er aber nicht getan. Nun wird eine Bobbahn für 35 Rodel- und Bobsportler gebaut, von der man nicht weiß, was nach Olympia geschehen soll … Der Landeshauptmann ist nie aufgestanden und hat gesagt: Wir wollen die Bobbahn nicht.
Nach dem Willen des Coni soll es die Heimbahn für unsere Rodler und Bobfahrer werden …
Niemand weiß, wer morgen die Betreibergesellschaft sein wird. Der Bürgermeister von Cortina hat in Bezug auf die Folgekosten gesagt, er habe Bauchschmerzen. Mit touristischen Fahrten kommt das Geld ganz sicher nicht zusammen.
Sehen Sie sich als Spielverderber?
Nein, ich bin ein Fan von Olympia, ein Fan des Sports. Gerade der Landeshauptmann posaunt so gern die Nachhaltigkeit hinaus. Und es geht ja nicht nur um die Sportstrukturen. Wozu, um Gottes Willen, braucht es in Olang einen doppelstöckigen Kreisverkehr? Die Olanger wollen diesen Kreisverkehr nicht. Die junge, sprich: die nächste Generation in Olang auch nicht. Diesen überdimensionierten Kreisverkehr braucht es nicht. Aber der Landesrat Alfreider gibt die Losung aus: Da ist Geld da, das müssen wir verbauen, wir wären ja blöd, wenn wir das Geld zurückschicken. Nicht genug: In Bruneck wird eine Wasserstoff-Tankstelle gebaut, damit man bei Olympia die Shuttle-Busse, die ins Antholzer-Tal fahren, betanken kann. Nach Olympia braucht es diese Tankstelle dann nicht mehr.
Die Neureuther-Doku haben 2,5 Millionen Menschen gesehen. Befürchten Sie einen Imageschaden für Südtirol?
Die Politik erleidet einen Imageschaden. Denn jetzt wird offensichtlich, dass die Politik nicht ehrlich war, es wird klar, dass man Dinge versprochen hat, die nicht eingehalten werden.
Interview: Artur Oberhofer
Kommentare (112)
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